Vintage Chorus-Battle
Boss CE-300 Super Chorus Vintage Klassiker
Chorus-Effekte gibt es mittlerweile zuhauf, aber nur wenige konnten sich einen Platz in der ewigen Hall of Fame sichern – der Chorus in den Synthesizern der Juno-Serie von Roland gehört ganz sicher dazu. In den Junos war der Chorus aber mehr als nur ein Effekt, sondern entstand auch aus einer Limitierung heraus: Roland hatte sich damals bei der Entwicklung aus Kostengründen dafür entschieden, dem Juno-6/60/106 nur einen Oszillator pro Stimme zu spendieren. Damit war man natürlich etwas eingeschränkt und konnte nicht wirklich an die fetten Sounds eines Jupiter-6/8 heranreichen. Man überlegte, mit welchen Mitteln man den Sound aufwerten und zu mehr Fülle verhelfen könnte. Also wurde ein Chorus-Effekt nachgeschaltet und voilà: Nun konnte man mit nur einem Oszillator pro Stimme schon recht breite schwebende Flächen und fette Bässe erzeugen. Ein gutes Beispiel dafür, wie mit einigem Ideenreichtum aus technischen Einschränkungen recht gelungenen Erfindungen entstehen können!
Bei der Gelegenheit möchte ich noch auf einen weiteren Test zu einem Boss Vintage-Chorus verweisen, den kürzlich mein Kollege Florian Anwander für AMAZONA.de geschrieben hat:
Zurück zum Vorbild Juno-60. Wie ist eigentlich der Chorus im Juno-60 aufgebaut?
Der Chorus des Juno-60
Der Chorus im Juno beruht auf einer doppelten BBD- (Bucket Brigade Delay) Schaltung, deren beider Stimmen gegenphasig von einem LFO moduliert werden. Man nimmt also die eine Stimme des Oszillators, kopiert diese und schickt sie durch modulierte Delay-Lines, mischt es wieder zusammen und verteilt es im Stereobild. Dies resultiert in einem organisch-lebendigen Klang, der aus einer Monoquelle ein schön breites Stereosignal macht. Die analoge Schaltung führt dabei allerhand Unregelmäßigkeiten ein und beschneidet zudem die hohen Frequenzen, das einem angenehmen Chorus-Klang durchaus dienlich ist.
Boss CE-300 Super Chorus – das Schaltungsdesign
Auf genau einer solchen doppelten vollanalogen BBD-Schaltung basiert auch der Boss CE-300 Super Chorus aus der gleichen Ära wie der Juno-60 – daher verwundert es auch nicht, wenn diesem nachgesagt wird, dem legendärem Chorus des Juno-60 sehr nahe zu kommen. Das wollen wir in diesem Vergleichstest mal etwas genauer unter die Lupe bzw. die Ohren nehmen!
Ein Blick in die originale Bedienungsanleitung des Boss CE-300 Super Chorus aus dem Jahre 1984 verrät, dass das 19“-Rack-Gerät für E-Gitarren und Keyboards ausgelegt ist. Während man beim Juno-60 lediglich zwischen zwei Intensitätsstufen wählen kann (bzw. eine „geheime“ dritte mit schnellem Speed, wenn man Stufe 1 und 2 gleichzeitig drückt), so finden sich am CE-300 Super Chorus alle gängigen Einstellungsmöglichkeiten:
- Schnelligkeit (Frequenz der LFO-Modulation)
- Tiefe (Amplitude der LFO-Modulation)
- Direct Mute zum Stummschalten des Originalsignals, sinnvoll bei Verwendung als Send-Effekt
- Tone Control, ein Hi-Cut-Regler zum Beschneiden der hohen Frequenzen
- Lautstärke (Level)
Es gibt zwei Outputs, A und B – möchte man die volle Chorus Breitseite, so muss man beide Output-Kanäle abgreifen und auf einen Stereokanal legen. Nimmt man nur den Output A, erhält man A+B zusammengemischt für einen monophonen Klang. Das ist beim Juno-60 ganz genauso.
Boss CE-300 im Vergleich mit dem Juno-60 Chorus
Also los geht’s: ich lege in meiner DAW einige MIDI-Spuren an, auf denen ich fünf verschiedene Sequenzen einspiele. Diese schicke ich anschließend per DCB-to-MIDI-Interface in den Juno-60. Zuerst wird die Sequenz immer trocken aufgenommen. Die Aufnahme erfolgt direkt in die Line-Eingänge eines RME Fireface 400 Audiointerfaces.
In Sequenz 1 ist nur der Sägezahn-Oszillator aktiv, das Filter ist komplett geöffnet.
Dann nehme ich die Sequenz noch mal mit aktiviertem Juno-60 Chorus I und anschließend mit Chorus II auf. Es fällt sofort der Pegelanstieg auf: Der Juno-60 wird durch die vom Chorus gedoppelten Stimmen lauter.
Mmh, das klingt schön, da geht die Sonne auf! Keine leichte Vorlage für den Boss CE-300, also mal schauen, was er so zu bieten hat.
Ich feuere die Sequenz also noch einmal ab und schicke den Output des Juno-60 in den CE-300 Super Chorus und es fällt sofort eine Sache auf: Der Effekt erwartet im Input einen eher sanfteren Pegel (z. B. einer Gitarre) und einen Verstärker mit Gain am Output. Möchten wir den Super Chorus für Synthesizer verwenden, sieht das Setup aber genau anders herum aus: Der Input vom CE-300 sollte ein Full-Level-Signal des Synthesizers akzeptieren (für optimalen Signal-Rausch-Abstand) und wenig Verstärkung am Output erwarten. Daher muss ich beim CE-300 Super Chorus nun den Input sehr weit herunterregeln, um ihn nicht zu übersteuern, wohingegen am Output relativ wenig Gain anliegt. Der Juno kommt nun mit ganzen 10 dB weniger Pegel in meinem Fireface an – ich müsste also wieder mehr Gain am Audiointerface bzw. Mixer hinzufügen und damit leider auch mehr Rauschen. Die Rauschwerte vom CE-300 Super Chorus sind aufgrund der hohen Spezifikationen dennoch recht anständig. Möchte man den CE-300 aber dauerhaft mit Synthesizern im Studio nutzen, findet man im Internet einige Anleitungen für eine Modifikation, um den hohen 1 MΩ Eingangswiderstand mit einem für Synthesizer geeigneteren 10 kΩ Widerstand auszutauschen (und andersherum für die Ausgangsstufe) – wenn man sich mit dem Lötkolben einigermaßen auskennt, durchaus eine Überlegung wert.
Aber zurück zum Klangvergleich: Ich drehe eine Weile an den Reglern des Super Chorus und suche nach einer Einstellung, die dem Juno-60 Chorus I nahekommt. Die Regler am CE-300 haben in bestimmten Wertebereichen eine blaue Markierung und innerhalb dieser finde ich auch einen Klang, der mir gefällt – nicht ganz wie das Original, aber schön schwebend wird der Sound definitiv. Im Folgenden wird die Reglerstellung kurz mit Nummern (1, 2, 3, 4) geschrieben, stellvertretend für die vier Hauptparameter (Rate, Depth, Tone, Level).
Boss CE-300: Unterschiede zum Juno-60 Chorus
Bei Sequenz 2 möchte ich mit dem CE-300 den Chorus I+II vom Juno-60 nachbilden. Dieser „versteckte“ Modus, den man durch gleichzeitiges Drücken von I+II erreicht, besteht aus einer schnellen Modulation. Am ehesten gelingt das mit der Einstellung 8,5, 4, 4, 7. Doch ich schaffe es auch mit anderen Kombinationen nicht, vollständig an den organischen Sound des Juno-60 heranzukommen. Der Juno-60 Chorus verschmilzt sehr schön mit dem Originalklang des Oszillators und bildet eine Einheit. Der Sound öffnet sich weit im Stereopanorama und gewinnt deutlich an Tiefe. Genau diese Breite und dabei subtile Einheit von Effekt und Oszillatorklang konnte ich mit dem Super Chorus nicht ganz erreichen. Es klingt im Vergleich dann schnell ein wenig zu intensiv nach Effekt; will man dies hingegen mit weniger Tone oder Depht kompensieren, dann kann man wiederum nicht die räumliche Tiefe des Juno-60 Chorus reproduzieren. Dies liegt offenbar auch darin begründet, dass der CE-300 eher dazu tendiert, die Stimmen etwas mehr verschwimmen zu lassen. Wo beim Juno-60 Chorus die einzelnen Stimmen der Chorus-Delay-Schaltung sauberer getrennt und weiter außen im Stereobild erscheinen, ergeben sich beim Super Chorus ein wenig mehr Phaseneffekte und der Sound erscheint etwas mehr gefärbt. Für sich alleine klingt der Super Chorus aber durchaus auch sehr fein und kann dem nackten Oszillatorsound wunderbar zu mehr Dichte und Breite verhelfen. Er klingt dabei auch recht natürlich und unverkennbar analog. Schaltet man aber schnell zwischen beiden Effekten hin und her, dann klingt der Juno-60 einfach noch eine Spur offener und dabei erstaunlicherweise gleichzeitig dezenter und intensiver.
Was man dem CE-300 in diesem Zusammenhang aber wieder zugute halten muss, ist die Tatsache, dass er den Frequenzgang eher linear belässt – beim Juno-60 hört man eine Anhebung der Tiefen und Tiefmitten bei aktiviertem Chorus. Das war mir im Kontext mit anderen Spuren mitunter auch schon mal ein wenig zu viel. Der CE-300 hingegen fällt manchmal sogar ein wenig ab im Bass; dies hängt sicher mit Auslöschungen zusammen, die innerhalb der Chorus-Schaltung entstehen. Hier hat Roland im Juno-60 anscheinend gegengesteuert, während dies im Super Chors nicht der Fall ist. Aber wozu gibt es schließlich Equalizer?
CE-300: flexible Klanggestaltung und Live Modulation
Nutzen wir doch einfach mal die Stärken vom Super Chorus aus, die ihn vom Juno-60 unterscheiden: die Möglichkeit der extremeren (oder auch subtileren) Parametereinstellungen, um ein paar deutlicher abgegrenzte Effekte zu erhalten. In der nächsten Sequenz Nr. 3 schicke ich einen knackigen Basssound mit Filter-Envelope-Modulation in den Super Chorus.
Soundbeispiel 1 (8, 10, 8, 8) hat eine hohe Rate und Depht und dadurch klingt der vorher noch recht zahme Basssound schön breit und böse. Das gefällt!
Beispiel 2 (2, 10, 5, 10) hat hingegen eine langsame Rate und klingt wieder etwas gefälliger, aber kann dem Originalsound auch einen schönen, offenen Charakter hinzufügen. Durch die langsame Rate kommt der Flanger-Effekt stärker zum Tragen. Auch bei kurzen, perkussiveren Sounds macht der CE-300 Super Chorus eine gute Figur.
Eine weitere Stärke vom CE-300 gegenüber dem Juno-60 liegt natürlich darin, dass man die Parameter live anfassen und verändern kann. Das wird in Sequenz 4x demonstriert: Moduliert man die Depht und Rate mit einem Human LFO (der Hand), dann ergeben sich sehr schöne schwebende, bewegte Phasing-Effekte. Die Wertebereiche sind an dem CE-300 in ihrer Spannbreite auch so gefällig gewählt, dass man nie zu extreme, unmusikalische Ergebnisse erhält. Macht schon Spaß!
In Sequenz 5 haben wir einen halb zugefilterten Sägezahn-Sound, der anfangs monophon und dann duophon gespielt wird. Am monophonen Anfang der Sequenz ist der Unterschied zwischen Juno Chorus und CE-300 weniger offensichtlich und beide Effekte klingen für sich sehr angenehm. Kommt allerdings die zweite Stimme hinzu, offenbart sich wieder der breitere Charakter des Juno Chorus. Der Super Chorus kann nicht ganz die Breite erreichen und das Stereobild ist etwas enger. In dieser Sequenz wird auch noch einmal der Tone-Regler am Super Chorus etwas erforscht: Bei niedriger Stellung bekommt der Chorus ein angenehm warmes, weiches Klangbild, auch wenn der Effekt dadurch insgesamt etwas weniger deutlich bzw. intensiv erscheint. Insgesamt lässt sich sagen, dass die blau markierten „Optimalbereiche“ von Boss gut gewählt sind.
Ist der Artikel eine Art viraler Teaser für dieses fantastische Produkt der großartigen Music Group? (…leider schon wieder ausverkauft.)
(Link wurde von der Red. gelöscht. Bitte Link-Shortener nutzen)
@falconi Komische Frage Falconi. Florian Anwander hat vor einigen Wochen das Boss DC-2W getestet, dass dem Original ziemlich nahe kommt. Und sollten wie mal das TC-Teil in die Hände bekommen, testen wir es ebenfalls gerne. (btw: bitte immer Bitly für Links verwenden)
@Tyrell War nicht „komisch“ gemeint: Ich hatte einerseits den naheliegenden Hinweis auf das Gerät erwartet (nicht unbedingt: vermisst), dann aber messerscharf auf eine neue virale Kommunikationsstrategie geschlossen…,) Das war aber offenbar überinterpretiert.
Ansonsten: Danke, auch für die überzeugenden Klangbeispiele.
Und, weil ich’s gerade fand und es so schön ist (siehe weiter hinten im Bild): https://bit.ly/2XhZPT6
@falconi zum TC June60 kommt hier bald was :-)
Ich hatte jahrelang einen CE-300 im Rack, den ich neulich habe gehen lassen — irgendwie klang er mir (unabhängig von den Einstellungen) immer etwas zu kantig. Hatte in etwa die Qualität des Chorus am Rhodes auf BAPs „Kristallnaach“. War nicht so mein Ding.
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Ich habe mich am Ende für den CE-1 und gegen den CE-300 entschieden.
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Für mich steht der CE-1 Chorus auch ganz weit oben. Wollte ihn hier auf Amazona gerne vorstellen, nur leider hat ihn jetzt auch die Altersschwäche gepackt. Unter dem Chorusklang hört man ein nervendes Störgeräusch in der Geschwindigkeit des Chorus pulsieren. Eine weitverbreitete CE-1-Krankheit, die auch auf einigen Youtube-Videos zu hören ist. Möglicherweise hilft ein Racapping.
@costello Der CE-1 ist natürlich ein Knaller. Wollte ihn immer mal an meinem CP70 hören ;)
Das was Du da als Störgeräusch hörst, ist vermutlich ein Übersprechen des Tatktsignals. Mit dem Recappen liegst Du vermutlich richtig. Ich drücke Dir die Daumen.
Also mein Kawei EP308 klingt recht angenehm durch den Roland Jazz Chorus JC120. Wobei diese Variante des CE-1 Chorus doch sehr dezent und nicht mit dem Brett im Juno 60 vergleichbar ist.
@swissdoc Ja, klingt super, nutze das CP70 oft mit dem JC120. Aber da ist natürlich der Amp nebst LS-Chassis immer noch im Signalweg. Mich interessiert wieviel Unterschied dazu ein DI-Signal mit dem CE-1 macht. Die Kombination ist der klassische Genesis Piano Sound der späten 70ger und frühen 80ger.
Der Juno Chorus hat im Vergleich dazu wirklich einen ganz anderen Charakter, wobei ich den JC eher im Mittelfeld ansiedeln würde, was die Auffälligkeit des Chorus angeht. Dezent ist dann das SDD-320.
Gut, das SDD-320 ist dann super-dezent. Vom CE-1 hält mich der nicht geringe Anschaffungswiderstand ab. Wobei man ja eigentlich nie genug Chorus (und Hall) im Haus haben kann.
Der Chorus des Junos mag etwas eingeschränkt sein, ist dafür aber optimal auf den Synth abgestimmt. Grade beim polyphonen Spiel kommt das zum Tragen; die berühmten Juno-Strings wären so ohne ihn gar nicht möglich. Ob der angekündigte TC Electronics June-60 ihm wirklich nahe kommt, wage ich angesichts einiger Vergleiche auf YT zu bezweifeln. Das schafft eher der DC-2w Dimension C, der einfach edler klingt.
Vielen Dank für den schönen Bericht und die guten Soundbeispiele. Vor Ewigkeiten (muss vor 2006 gewesen sein) lag so ein CE-300 auf dem Musikerflohmarkt in Lenzburg herum. Wegen des lächerlichen Designs habe ich ihn liegen gelassen. Das kann ja nichts taugen, dachte ich mir. Immerhin habe ich etwas später im Sommer 2006 dann noch einen bekommen. Ein sehr angenehmer Chorus.
Klingt zwar nicht exakt wie der Juno-60 Chorus, hat aber was. Vor allem da sich der Juno 60 eben nicht differenziert einstellen lässt, ist der CE-300 eine schöne Alternative – und für den ein oder anderen evtl. sogar eine Ergänzung zum Juno 60 selbst.
Spannendes Teil, kannte ich nicht danke für den Bericht. Roland und Chorus ist ja wirklich eine tiefere Betrachtung wert. Die haben Chorus in so derart vielen grossartigen und weniger grossartigen Formen durchdekliniert, dass es jeder Beschreibung spottet.
Der CE300 klingt für mich auch ganz anders als der Juno onboard Chorus. Nichtsdestotrotz ein interessantes Gerät. Die Klangbeispiele lassen erahnen, dass da Potential ist.
Der Gedanke den falconi oben andeutet ging mir übrigens auch kurz durch den Kopf, ist aber offensichtlich gegenstandslos. Alles wird gut :)
Vielen Dank für die Beispieldemos.
Hätte nicht gedacht, dass es unmöglich ist den dicken Juno 60 Chorus mit dem CE-300 nachzubauen. Aber klingt trotzdem auch fein!
Schöner Artikel, Ich hätte gerne als Vergleich auch den TAL Chorus gehört, ist zwar ein Plugin aber der ist auch richtige klasse. Probiere ich evtl. selbst demnächst mal…