Cosmosound für Konzeptalbum
Er war schon immer Musiker und Freund der Elektrik – Bernd Scholl alias Moonbooter. Seit frühester Kindheit hat er bereits gerne auf Tastaturen herumgeklimpert und jegliches elektronische Gerät in seine Einzelteile zerlegt.
Sein Leben ist Musik und seit 2004 entschied er sich dazu, dies auch öffentlich zu tun. 2005 erschien sein erstes Album „Teralogica“, zwei Jahre später gründete er sein eigenes Label „MellowJet-Records“, das in den 10 folgenden Jahren über 130 Alben veröffentlichte.
Über die Jahre hinweg hat er mit vielen unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet. Seine eigene Musik ist und soll aber immer eigenständig sein. Vor Kurzem ist sein neues Album „Cosmosonic“ erschienen. Aus diesem Anlass trafen wir Bernd Scholl alias Moonbooter zum Interview.
Peter:
Hallo Bernd! Erzähl uns doch zuerst einmal etwas über deinen Werdegang. Wie bist du zur Musik gekommen?
Bernd:
Das war bereits Mitte der 70er Jahre. Ich muss so um die 7 Jahre alt gewesen sein, als mein Großvater sich eine Orgel zulegte. Zugriegel, zwei Manuale, Basspedal, ein paar Effekte und eine rhythmische Begleitung. Damit konnte man schon eine Menge machen, ohne gleich in der Band zu spielen. Ich hab’s dann ein paar Jahre gelernt, war aber im Herzen Autodidakt, was für meinen Lebenslauf immer sehr wichtig für mich war und nach wie vor ist. Später kamen dann Keyboards, Mischpult, Tapedeck, Plattenspieler und 1985 der Computer dazu.
Das Ganze entwickelte sich natürlich weiter. Ich habe auch eine zeit Lang als DJ gearbeitet und in den frühen 90ern in einer Band gespielt. Das alles hat richtig viel Spaß gemacht, aber irgendwie fehlte mir der nötige Schneid. Damit meine ich, mehr daraus zu machen. Ich stand vor der Frage: Musik oder Job? Ich entschied mich leider für das Falsche und wählte den sicheren Job. Das kann gut gehen, tut es aber in den wenigsten Fällen. Wenn man etwas macht, was nicht von Herzen kommt, dann funktioniert das halt nur eine Zeit lang. Aber irgendwann frisst es einen auf. Und da man ja nur einmal lebt, wollte ich meine Zeit nicht verschwenden.
Peter:
Welchen beruflichen Werdegang hättest du eingeschlagen, wenn das mit der Musik nichts geworden wäre?
Bernd:
Ich denke, ich wäre Webentwickler geworden. Vielleicht aber auch Tischler. Ich bin gelernter Kommunikationselektroniker, ein Beruf, der mir heute noch in der Musik hilft. Das Handwerkliche steckt also auch in mir. In meinem gelernten Beruf habe ich auch bis 2004 gearbeitet. Ich hatte aber immer ein Studio und verbrachte meine freie Zeit hauptsächlich mit dem Musik machen. Irgendwann habe ich mich dann dazu entschlossen, mein Leben zu ändern und meinem Herzen zu folgen. Das klingt vielleicht etwas schnulzig, aber so war es. Ich habe dann mein eigenes Label „MellowJet-Records“ gegründet. Das war zunächst nur als Plattform für meine eigenen Produktionen gedacht, entwickelte sich dann aber schnell weiter. Dabei hat mich meine Frau über all die Jahre immer tatkräftig unterstützt. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.
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Peter:
Seit wann kannst du von deiner Tätigkeit als Musiker und Produzent leben? Wie kam es dazu?
Bernd:
Das war 2007 mit der Label-Gründung. Alle alten Verbindungen, auch die in meinem Kopf, waren gelöst und ich stand wieder ganz am Anfang. Das war zu Beginn ein beängstigendes Gefühl, da ich in meinem Leben nicht wusste, wie es nun weitergeht. Ich hatte eine ungefähre Idee, aber keinen wirklichen Masterplan. Ich denke, das hätte auch nicht funktioniert. Man fängt etwas Neues an und schaut, wie es funktioniert. Dann setzt man sich das nächste Ziel und arbeitet daraufhin. Dinge, die funktionieren, macht man weiter. Andere beendet man. Ich nehme mir dazu immer wieder eine Auszeit und hinterfrage, was funktioniert und was nicht. Das können Vertriebswege, Partner, Veranstaltungen und auch die Art der Musik, die ich vertreibe, sein. Es wäre falsch, sich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Ich verteile meine Arbeitszeit auf unterschiedliche Bereiche, also der Arbeit an meinem Label, meiner eigenen Musik, Auftragsarbeiten, Pflege der Website, Promotion, Masterings, dem Authoring und so weiter. Das ist manchmal nicht so einfach, aber nach ein paar Jahren hat man den Dreh raus.
Peter:
Würdest du sagen, dass sich seitdem das Business verändert hat?
Bernd:
Auf jeden Fall. Der Niedergang der CD war bereits 2007 in vollem Gang. Ein Label nur mit CD-Produkten war bereits damals schwierig. Es gibt in Deutschland und auf der Welt eine kleine, aber sehr treue EM-Fangemeinde, die übrigens immer weiter wächst. Die 90er Jahre Techno-Generation ist mittlerweile auch erwachsen. Und da mit dem Alter meist auch häufig der Anspruch wächst, gibt es da eine Klientel, die ich weiter erreichen möchte. Der Verkauf von CD-Produkten funktioniert zwar immer noch, aber die Downloads werden von Jahr zu Jahr wichtiger. Deswegen haben wir schon seit Jahren einen Shop, der neben der CD und dem klassischen MP3 auch FLAC und High Resolution FLAC, also in 48/24 anbietet. Viele meiner Alben gibt’s auch in 5.1. So versuche ich immer, auf dem Laufenden zu bleiben. Ich sehe auch immer weniger gemachte Stars in den Charts. Die kleinen, unbekannten Bands schaffen es immer häufiger in die Top100, die leider aber immer noch maßgeblich durch das Radio bestimmt werden. Warum auch immer. Die Nische hat aber heute mehr Marktanteile als je zuvor, da immer mehr Menschen durch das WWW eben die Musik entdecken, die sie berührt. Dazu gehöre ich selbst übrigens auch. Auch die Jugend denkt so langsam um und entdeckt die Qualität in der Musik wieder. Teure Kopfhörer sind ja mittlerweile schon Status. Ich sehe der Zukunft also hoffnungsvoll entgegen und möchte keiner dieser ewigen Nörgler sein. Nur die Streaming-Dienste gehen gar nicht. Das ist ein klares Verbrechen an den Musikschaffenden.
Peter:
Gab es Zeiten, in denen du dir gewünscht hättest, einen anderen Beruf zu haben?
Bernd:
Nein. Ich sehe das, was ich tue, auch nicht als einen Beruf im klassischen Sinn an. Es ist mehr ein Lebensgefühl. Ich mache nie die Studiotür zu und denke „endlich Feierabend“ und das ist auch gut so. Ich genieße es, sehr meine Zeit in gewissen Grenzen selbst zu bestimmen. Wenn aber ein Termin da ist, dann passt das schon. Live your dream, don’t dream your dream. Ich denke, das beschreibt es am besten.
Peter:
Welche Vorbilder haben deinen musikalischen Werdegang beeinflusst?
Bernd:
Es war immer und einzig und allein die elektronische Musik. Ich habe einen Ordner mit all meinen Lieblingssongs und es gibt darin ohne Ausnahme keinen einzigen Song, der nicht wenigstens ein tragendes elektronisches Element besitzt. Sei es von Grandmaster Flash, Yazoo oder auch Jean-Michel Jarre oder Kraftwerk. Mein erstes reines EM-Album, besser Kassette, war von Frank Duval – If I could fly away. Dieses Album war sehr wichtig für mich, da ich zum ersten Mal ein Konzeptalbum als solches verstand. Ich war damals 13 Jahre alt. Diese Erfahrung prägt mich noch bis heute. Zum gleichen Zeitpunkt etwa entdeckte ich die klassische elektronische Musik für mich, also Musik von Tangerine Dream, Schulze, Robert Schröder und Co.
Aus dieser Musik habe ich für mich gelernt, dass Musik etwas ist, das man wie ein Genussmittel konsumieren kann. Die Songs dieser Art der Musik haben alle Zeit der Welt sich zu entwickeln. Das ist wie klassische Musik, in der die Zeit auch keine Rolle spielt. In den 2000er Jahren war es dann eher Chicane und Schiller, die ich nach wie vor sehr gerne höre und in gewisser Weise als Vorbild sehe. Musik muss mich berühren und dabei ist mir egal, was für ein Name drauf steht. In den letzten Jahren ist dann noch Modeselektor oder auch VNV Nation als Inspiration dazu gekommen. Alles in allem höre ich einen ziemlichen Mix unterschiedlicher Stilrichtungen der EM. Ich denke, das spiegelt sich aber alles in meiner Musik wider und das soll es auch. Immer das Gleiche machen oder etwas anderes kopieren liegt mir zum Glück gar nicht.
Peter:
Kannst du dich noch an dein erstes Synth-Equipment erinnern? Erzähl mal davon – und wie hast du damals damit produziert?
Bernd:
Daran erinnere ich mich noch gut. Zunächst waren da in den 80ern die üblichen SK- und PSS/PSR-Keyboards von Yamaha und Casio. Den PSS-680 hab ich noch. Mein erster Mixer bestand aus ein paar Lüsterklemmen, an denen der Walkman, das Keyboard und ein Tapedeck hingen. Hat funktioniert. Mein erster richtiger Synth war dann der SY77, der auch immer noch hier steht. Es kamen dann Anfang der 90er immer mehr Synths dazu: Korg Prophecy, Yamaha CS1x, Dynacord ADS, Korg MS20 und so weiter. Gesteuert wurde alles mit Atari ST und Amiga. Atari fürs MIDI-Sequencing und der Amiga für Samples und Loops. Da mehrspurmäßig finanziell nicht viel drin war, wurde zunächst alles auf Tape, später auf DAT aufgenommen. Meine DAT-Bänder wurden aber dank einer Kellerfeuchte vor Jahren alle vernichtet. Mit dem 486 wurde dann direktes Recording und Nacharbeiten am PC möglich. Ich sag nur Cool Edit. Später folgte dann eine AWE32 und Sonar. Noch später dann die ersten Plug-ins wie Native Instruments Generator. Das muss so 1997, also noch vor den Zeiten der VST, gewesen sein. Ich habe den Computer immer als zentrales Element in meinem Studio gesehen. Das galt schon 1985 mit dem C64 plus MIDI-Interface. Im Grunde genommen hat sich bis heute nichts verändert und trotzdem alles.
Peter:
Wie unterscheidet sich deine heutige Arbeitsweise zu der damaligen?
Bernd:
Grundlegend. Damals habe ich alles in einem Rutsch aufgenommen. Jeder Synth, jedes Sample, Effekt, Pegel und so weiter wurde in Echtzeit aufgenommen. Das hat man dann pro Song so oft gemacht, bis endlich alles passte. Da hatte man noch richtig Arbeit am Mixer, da man nichts automatisieren konnte. MIDI ging ja auch nicht, da sonst alles zusammengebrochen wäre. Bis vor 6 Jahren habe ich noch das Meiste mit Plug-ins und MIDI-Spuren gemacht und das finale Ergebnis am Ende gefreezt. Von diesem Workflow habe ich mich endgültig verabschiedet, da ich bis auf Drums und Natursounds nur noch Hardware-Synthesizer einsetze. Ich nehme alles mehrspurmäßig auf. Dabei hilft mit meine RME Raydat mit echten 32 analogen Eingangskanälen. Dies hat meine Arbeit extrem positiv verändert. Ich mache mir seither auch nicht mehr die Mühe, einen Sound abzuspeichern oder Sysex-Dumps zu machen. Alles ist so gut, wie es in dem Augenblick ist. Und wenn nicht, dann sollte es nicht so sein. Die Nachbearbeitung läuft danach nur noch auf Audioebene. Die Ergebnisse klingen nicht nur besser, sondern sie sind auch lebendiger und vor allen Dingen authentischer. Mit Audio kann man heutzutage so viel machen. Ich stecke sehr viel Zeit in den Mix. Da bin ich sehr pedantisch. Diese Arbeit lohnt sich aber, da ich während dieses Prozesses auch neue, spontane Ideen einfließen lasse.
Wow, welch ein sexy Cover…
…dem schließe ich mich an. :-)
„Die US-Kultur der 50er und 60er Jahre hat mich schon seit meiner Jugendzeit fasziniert. Da waren zunächst die Anfänge der NASA mit ihren fantastischen Raumfahrtprogrammen.“
Auch spannend die Entdeckung, wer dahintersteckt (genannt sei da z.B. John Whiteside Parsons – auch mal ’nen Song drüber gemacht). Dann könnte man ein Album auch Cossatanic oder Cosmasonic nennen. Interessantes Thema.
sehr schönes interview. zwischen dem ersten interview letzte woche (?) und diesem hier liegen welten. weiter so!
…toller Bericht, toller Song, toller Typ!…ganz meine Meinung, ausssssser!
Vor 15 Jahren hat Korg den MS-20 Controller passend zur Emulation herausgebracht, den ich übrigens hier habe. Ich habe den MS-20 Mini wieder verkauft, weil ich keinen Unterschied zwischen Hardware und VST (wohlgemerkt im Mix) hören konnte, aber dafür hatte ich keine Tunningprobleme und fieses Rauschen!;-) Jedenfalls macht es mit dem Controller unheimlich Spaß, und das VST hat auch mehr Möglichkeiten, wie die Hardware. Da hätte Korg weiter machen müssen, so wäre Roland niemals 15 Jahre später, mit ihrem Ü-Ei, blink,blink Prödel auf dem Markt gekommen, da wette ich drauf! Nun, vergebene Chance, ich setzte jetzt auch vermehrt auf Hardware, und den einen Controller;-)…ist auch besser für die Augen
Schönes Interview, viel interessanter als ständige Neuvorstellungen von Gear das einem zeigt dass es viel zu viel Produkte gibt und die Musik nicht mehr im Vordergrund steht. Da lobe ich mir doch mal ein Interview zu lesen,das macht Spaß.
Das Model meint es nicht gut mit seinen Feinden und macht kurzen Prozess. Sehr schönes Video und sehr gute Musik vor allem! Natürlich gefällt mir die Hauptdarstellerin, vielleicht sieht man sich ja mal im Weltraum wieder. Cooles Thema, tolle Musik und gerne gelesenes Interview mit dem Allround Talent!
In dieser Dimension wirst du sie nicht mehr treffen. (Anm.Red: Link wurde gelöscht, bitte künftig Link-Shortener verwenden)
Krasse Lebensstory. Das ist schon alles wie ein Film. Ein sehr kurzer Film.
tragisch… :(
https://de.wikipedia.org/wiki/Galaxina
Enorm interessant finde ich die Herangehensweise indem du die Synthesizer als Audio aufnimmst! Diese Idee verfolge ich auch und ist nicht so weit verbreitet. Ich nutze Midi und Audio zusammen. Midi ist mein Backup für eventuelle Experimente oder Verbesserungen.
Ich hab schon mal vor einigen Jahren ein Interview von ihm gelesen (ich glaub es war in einer „Sound & Recording“ Ausgabe), aber es war nicht so interessant wie dieses hier. Ich finde es gut, wenn jemand so konsequent sein Ding durchzieht und dabei noch so eine lockere Einstellung zur Musik hat! Hier kann man (auf die Fragen bezogen) auch einen deutlichen Schritt nach vorne erkennen, wenn man das erste Album-Interview mit Kurt Ader zum Vergleich nimmt :) Bin schon auf das nächste Album-Feature gespannt!
Oh ja! Frank Duval! War vom Sound und Sounddesign her immer ein Hammer! Zwar viel (guter) Schnulz, wie die Film/TV Musik, aber auch immer tolles EM, fast wie ein deutscher Vangelis. Würde mich interessieren was und wo der jetzt so macht.
Sehr interessant – schickes Studio – süperbes Plattencover!
Tolles Interview und sympathisch kommt es rüber. Auf dem Schwarzweißbild schaut der Bernd auch echt Nice aus :)
Toll finde ich auch seine Produktionsart. Ich habe zur Zeit ähnliches vor. Komme nur auf 24 gleichzeitige Inputs, aber wenn alles fertig ist und endlich die Patchbays verkabelt sind, erhoffe ich mir ein konsequenteres Weiterkommen.
Zitat: „Die Nachbearbeitung läuft danach nur noch auf Audioebene. Die Ergebnisse klingen nicht nur besser, sondern sie sind auch lebendiger und vor allen Dingen authentischer.“
–> Das ist einer der Beweggründe für mich das auszuprobieren. Der Bernd spricht mir aus der Seele. Ich hoffe meine Vermutungen werden sich als richtig erweisen und ich bekomme dann mal meine Songs fertig. Ich brauch dieses Jam-Feeling.
Vielen Dank auf jeden Fall für den Einblick. Das brauche ich und motiviert mich die Änderung meines Produktionsablaufs zu vollenden :)
Wie funktioniert das eigentlich mit den RECHTEN für so ein MusikVideo (Quellmaterial: Galaxina) aus?
@Bernd Scholl:
Eine eigene Facebookseite für das Projekt ‚Moonbooter‘ fehlt übrigens noch… ;)
Nette (Retro-) Video – Musik – Mashups gibt’s auch ab und an auf dem YT – Kanal „Are Sounds Electrik?“ ;)
=> https://www.youtube.com/user/AreFriendsEletcric/videos
meist 80er-Style bzw. ‚Synthwave‘ / ab und an auch mit ’spacigen‘ Videos.
https://www.youtube.com/watch?v=-FCJrjlKERU