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Making of: THE CLASH London Calling (1979)

The Clash - Punk ist anders!

22. Dezember 2019
Making of: THE CLASH London Calling (1979)

Making of: THE CLASH London Calling (1979)

Die Entstehung von LONDON CALLING (The Class 1979)

Was hat eine längst nicht mehr aktive Punkband wie The Clash auf einem Musikermagazin zu suchen? Punks können eh nur bedingt spielen. 1-2-3-4 zählen und dann die gleichen drei Akkorde – mal schnell, mal schneller – drauf hauen, ist doch kein … So weit, so gut (oder schlecht?). Aber, Moment, ich lege London Calling auf und von dieser Schlichtheit ist gar nichts zu hören. In den ersten zehn Minuten bekommt man gleich einen pumpenden Marschrhythmus mit Reverse-Gitarre im Solo, eine Dosis Chuck Berry in Moll mit einem Hauch von Surfmusik und dann einen verspielten Shuffle mit Bläsern. Ist das nicht alles zu pro und elaboriert für das punk‘sche Reinheitsgebot? Dieser Autor meint, es kann nie zu professionell klingen, wenn vor dem Gesangsmikro Joe Strummer steht, dessen Gesang mehr vor der Leidenschaft des Vortrags lebt, als von seiner akademischen Tauglichkeit – und die Bemerkung ist als positiv zu bewerten!

Tatsache ist, dass sich sowohl die Band als auch das Album, das in diesen Tagen 40 Jahre alt wurde, von straffen Genrezwängen schon lange befreit haben und als zeitlose und inspirierende Kraft in der Geschichte der Rockmusik gelten. Als Visitenkarte für einen Platz in unserer Making-of-Reihe reicht das allemal.

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London Calling – Vanilla Tapes

1979, keine drei Jahre nach ihren Ausbruch, glich die englische Punk-Bewegung beinah einem Wrack – so sehr, dass „Postpunk“ der Begriff der Stunde war. Zusammen mit den zu jenem Zeitpunkt bereits implodierten Sex Pistols hatten The Clash zwar die Speerspitze der ganzen Chose gebildet, das durch ihre musikalischen Qualitäten und ideologische Haltung eingebrachte Prestige hatten sie jedoch noch nicht in vorzeigbaren Verkaufszahlen ummünzen können. Vor allem in den USA, deren Bühnen die Band fleißig beackerte, zeigte sich ihr Vertrieb Epic Records von seiner unkooperativen Seite – und das, obwohl The Clashs Debütalbum (1977) dort beachtliche 100.000 Exemplare als Import abgesetzt hatte.

Die nach dem Rausschmiss vom Manager Bernie Rhodes eingefrorenen Band-Finanzen und der Verlust ihres Proberaums im Nordlondoner Camden stellten Joe Strummer, Mick Jones, Paul Simonon und Topper Headon 1979 vor einem spannenden Jahresbeginn. Eine umgebaute Garage mit dem prätentiösen Namen Vanilla Studios wurde jedoch im Frühling gefunden und von der Band ohne neu geschriebenes Material betreten.

Dort eingerichtet arbeiteten die Musiker in einer selbst auferlegten, fast asketischen Routine, die nicht nur dem Songwriting-Prozess, sondern auch der Festigung der immer empfindlichen Bandstruktur dienen sollte. Mit einem 4-Spur-Taperecorder von Teac als einzigem technischen Luxus nahmen Strummer & Co. eine Reihe von neuen Eigenkompositionen und Cover-Versionen auf, die als Vanilla Tapes in die Geschichte gingen – einerseits, weil das Originalband angeblich in der U-Bahn vergessen/verloren wurde; andererseits, weil ein Backup davon erst 2004 gefunden wurde, rechtzeitig vor dem Rerelease zum 25. Jubiläum. Spekulationen? Ja, bitte!

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Guy Stevens und Bill Price – Yin und Yang im Studio

Am 1. August war man indes einen Schritt weiter, nämlich in den Wessex Studios (einem Namen, die dem regulären Leser dieser Kolumne bereits sehr vertraut klingen dürfte) zum Beginn der Aufnahmen. Entscheidend für die Entwicklung der Studioarbeit – abgesehen von den Musikern selbst – war die Rolle von zwei Männern, deren Methodik nicht unterschiedlicher sein konnte.

Die Band hatte sich einerseits für Guy Stevens für den Produzentenjob entschieden – eine Wahl, die die chronisch schwierige Beziehung zu ihrer Plattenfirma CBS nicht gerade glättete. Im Rockbereich hatte sich Stevens vor allem als Mentor der Glamrocker von Mott The Hopple einen Namen gemacht, war aber gleich für sein unkonventionelles, teils seiner Alkohol- und Drogensucht geschuldeten Agieren im Studio berüchtigt. Möge als Musterbeispiel jener Vorfall gelten, als der Berserker mit ein paar Möbelstücken um sich schmiss, um im Aufnahmeraum eine vermeintliche Rock‘n‘Roll-Atmosphäre zu erzeugen.

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Ganz oben im Arbeitscredo des Guy Stevens standen keine Sorgen wie z. B. eine fokussierte Auseinandersetzung mit der Studiotechnik. Hingegen war ihm ein radikaler Appell an die emotionalen Aspekte wichtiger, sei es durch verbale oder gar körperliche Gewalt, um die Leistung der Künstler auf der Gefühlsebene zu beeinflussen.

Dagegen behielt Bill Price als Chefingenieur in Wessex den fachtechnischen Überblick. Price brachte einerseits die Studioexpertise mit, die er sich in renommierten Aufnahmestätten wie den alten Räumen von Decca Records (ja, dem Label, das die Beatles ablehnte) und den AIR Studios angeeignet hatte. Dass er bei den Aufnahmen zu Never Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols an den Reglern saß, dürfte auch nicht geschadet haben – will heißen: Er wusste ganz genau, wie die Energie jener jungen Bands im Studio am besten einzufangen war, ohne sie im negativen Sinne zu bändigen.

Für die Umsetzung seiner bewährten Aufnahmetechniken konnte sich Price zudem auf die erstklassigen Gerätschaften verlassen, die in Wessex reichlich vorhanden waren. Zunächst standen eine Cadac Konsole mit 32 Eingängen und 3M M79 24-Spur-Bandmaschine im Zentrum des Geschehens. Die folgende Protokollierung der bei den Aufnahmen zu London Calling (dem Song – aber in ähnlicher Form für viele Passagen des Albums denkbar) eingesetzten Mikrofone ist allein dem akribischen Gedächtnis des Bill Price zu verdanken, der diese Infos vor einigen Jahren im Interview preisgab. Und zwar:

Schlagzeug: Bill Price benutzte jeweils ein Shure SM57 und ein Neumann KM86 für die Nahabnahme der Snare, Sennheisers 421s für die Toms, ein Neumann KM84s für die HiHat und AKGs 451s für die Becken. Für Topper Headons Bassdrum platzierte Price wiederum ein AKG D-12 in die Trommel und ein Neumann U47 außerhalb;

Bass: Für den Bass von Paul Simonon nahm Price mindestens zwei Spuren im Anspruch: eine für ein DI-Signal und eine weitere, für die ein Neumann U87 vor der Bass-Box postiert worden war;

Gitarren: Für die E-Gitarren von Mick Jones und Joe Strummer kam ein Electro-Voice RE20, gepaart mit einem Neumann U87 zum Einsatz;

Vocals: Um den Gesang von Joe Strummer aufzunehmen, ließ Bill Price sein bevorzugtes Neumann U47 ausnahmsweise ruhen, zugunsten eines bescheidenen Shure SM58, das mit Strummers basslastiger Stimme besser zurechtkam.

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Bei allen Produktionsdetails, die den Sound von London Calling definierten, dürfen die Beiträge von Orgelspieler Mickey Gallagher und den Bläsern von The Rumour Horns nicht unerwähnt bleiben, die die Genreausflüge in karibischen bzw. uramerikanischen Gefilden erst perfekt machten.

Am Ende und aufgrund eines hoffnungslos überschrittenen Zeitplans und bereits gebuchten Auftritte der Band in den USA blieb Bill Price die alleinige Verantwortung über den Mix überlassen. Nach getaner Arbeit flog Price mit dem Ergebnis nach Amerika und traf die Band vor einem ihrer Gigs in New York zum ersten Hördurchgang. Zurück in London durfte dann Mastering-Ingenieur Tim Young dem – so wörtlich – “loudest vinyl I’ve ever cut” den letzten Schliff verpassen.

London Calling – Equipment

Man könnte vermuten, Strummer, Jones und Co. sei egal gewesen, mithilfe welcher Instrumente sie die Dringlichkeit ihrer Musik und Botschaft auf Band festhielten. Und man würde falsch – sehr, sogar – liegen, denn die Musiker legten wohl Wert auf Be­schaf­fen­heit und Charakteristika ihres Spielzeugs.
Joe Strummer blieb für das Unterfangen „London Calling“ wie auch während des Großteils seiner Karriere der Fender Telecaster treu. Einerseits benutzte er ein sehr frühes Modell aus den 50er Jahren, mit nur dem Steg-Pickup und der „Esquire“-Inschrift auf der Kopfplatte versehen. Eigentlich war aber eine Tele von 1966 seine erste Wahl. Ursprünglich sunburst-lackiert und nachträglich mit schwarzem bzw. grauem Autolack samt Aufklebern veredelt (ein bisschen Punk muss sein!), sollte jene Gitarre als Basis für das Signature-Modell dienen, das Fender dem verstorbenen Rockhelden 2007 posthum widmete.

Für seinen schlichten Rhythmus-Sound benötigte der gute Joe dann nur noch einen Fender Twin Reverb, dessen Dienst praktisch nach den Sessions für London Calling endete – ab da war ein Music Man 212 HD 130 der Verstärker seiner Wahl.

Und während Strummer seiner Telecaster-Liebe frönte, entschied sich Kollege und Lead-Gitarrist Mick Jones meistens für Gibsons, um seine klangliche Experimentierlust zu betreiben. Davon stand ihm eine kleine Armada an Les Pauls zur Verfügung, nämlich eine Sunburst ‘58 Standard, eine schwarze ’65 Custom und zwei ’70er Custom-Modelle, jeweils in Rot und Weiß. Auch eine weiße ES-295 kam zum Zuge – eher spärlich bei der Studioarbeit, dafür umso prominenter im Video zum Titelsong. Letztlich konnte sich auch eine schwarze, damals brandneue Fender Stratocaster bei den Aufnahmen behaupten, die als Geschenk des Herstellers zu Jones ins Studio kam.

In Sachen „Verstärker“ probierte Mick Jones normalerweise vieles aus, was er in seine Hände bekam. Für die Aufnahmen zu London Calling hielt er jedoch nur an Mesa/Boogie AmpsMark I und Mark II – fest, die er dann an eine 4×12-Box von Marshall anschloss. Die Klangfärbung, die zwischen Gitarren und Amps stattfand, könnte man letztendlich auch als eine Erweiterung (Überwindung?) der Punk-Grenzen in Richtung Reggae/Dub (Roland 201 Space Echo) und Pop (Roland RE-501 Chorus Echo, MXR Phase 100) betrachten.

Topper Headon, vielseitiger Schlagzeuger vom Dienst, hatte auch genaue Vorstellungen für sein Instrumentarium. Als ihm zwei Jahre davor angeboten wurde, sich der Band zunächst nur als Livedrummer anzuschließen, stellte Headon klar, er würde sein geliebtes Premier Schlagzeug auf die bevorstehende „White Riot“-Tour nicht mitnehmen. Die Band war einverstanden und gab ihm Geld für ein neues Instrument. Die Wahl fiel dann auf ein silbernes Pearl-Kit, dessen Becken nachträglich von Zildjian-Fabrikate ersetzt wurden. Dieses zusammengestellte Schlagzeug machte sein Debüt auf London Calling und blieb für Headon die erste Wahl während seiner Dienstjahre bei The Clash.

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Ein museumsreife Fender Precision

Auf London Calling ist auch ein Instrument zu hören, das dank des schieren Akts seiner Zerstörung einen unfreiwilligen, jedoch nachhaltigen Bekanntheitsgrad erlangte – ein handelsüblicher Fender Precision Bass. Gebaut in den 70ern, weiß lackiert und mit einem customized Schlagbrett versehen, lieferte der P-Bass genau den Ton, den Paul Simonon brauchte, um sich zwischen dem zweiköpfigen Gitarrentandem und dem potenten Spiel des Kollegen Headon zu behaupten. Dies gelang Simonon und seinen Bass nicht zuletzt mithilfe eines Ampeg SVT Verstärkers, gepaart mit einer 8×10“-Box (womöglich auch von Ampeg).

Nach Fertigstellung der Aufnahmen im Studio war The Clash im September 1979 wieder auf US-Tour unterwegs – am Abend des 21. war das New Yorker Palladium dran. Die unfreundliche Haltung der Security-Männer gegenüber den tanzlustigen Konzertbesuchern weckte bei Simonon den Pete Townshend, den jeder Rocker zur Frustbewältigung bei sich trägt, und daraufhin zerschmetterte er seinen geliebten Precision auf dem Bühnenboden. Fotografin Pennie Smith fing den Ausbruch mit ihrer Kamera ein und versorgte gleichermaßen die Band mit einem Coverfoto und die Rockgeschichte mit einem ikonischen Bild.

Weil nach Frust und Wut nicht selten Reue aufkommt, sammelte Paul Simonon die Teile des P-Bass sorgfältig nach dem Gig zusammen. Gegenwärtig ist der kaputte Viersaiter das Herzstück einer Ausstellung mit über 100 Exponaten, die das Museum of London – immer einen Besuch wert, wenn man in der englischen Hauptstadt unterwegs ist – London Calling zum 40. Jubiläum bis zum Frühling 2020 widmet.

London Calling – Ein Klassiker wird geboren

London Calling, dessen Namen einer alten Ansage des BBC World Service entnommen worden war, erschien in Großbritannien am 14. Dezember 1979. Einen Monat später folgte der US-Release.
Als Doppelalbum präsentiert, jedoch zum Preis eines regulären Albums verkauft, knackte London Calling auf Anhieb den britischen Top 10 und wurde automatisch zum Klassiker – ein Status, der die ca. 2 Millionen in den ersten Jahren verkauften Exemplare nicht gebührend widerspiegeln – meint zumindest dieser Autor -, vor allem wenn man die Platte in beinahe jeder ernstzunehmenden All-Time-Best-Liste auf den vorderen Plätzen wiederfindet.
Jedenfalls half das Album seinen Interpreten dabei, sich endgültig als eine der wichtigsten Rockbands seiner Zeit (und darüber hinaus) zu etablieren.

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Fazit

Mit ihrem Gang ins Studio erschuf The Clash 1979 ihr unumstrittenes Meisterwerk. Rock, Pop, Jazz, Dub, Ska, Rockabilly – geprägt von seinem Eklektizismus wurde London Calling zum endgültigen Beweis dafür, dass das einzig Punkige beim Londoner Quartett die Attitüde war, sich nicht um Zwängen und Grenzen zu scheren. Kontrovers für Puristen, ein Genuss für Liebhaber musikalischer Freiheit. Wenn London ruft, auf welcher Seite steht ihr?

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Forum
  1. Profilbild
    Tai AHU

    Bei U2 konnte ich dir nicht folgen, aber da bin ich wieder dabei. Definitiv ein Klassiker, nicht nur weil London Calling in gefühlt jedem dritten GB Beitrag als Hintergrund läuft.

    • Profilbild
      Cristian Elena RED

      @Tai Die Anspielung auf U2 verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht ganz (*obwohl ich natürlich weiß, dass U2 in bestimmten Kreisen als „no go“ gelten). Hauptsache: Hier bist du dabei ;-)

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