Ultravox "Vienna" - Walked in the cold air
Das Album “Vienna” der britischen Band Ultravox ist ein Meilenstein der New Romantic-Musik. Vom tickenden Metal Beat der Roland CR-78, der den ersten Song „Astradyne“ einleitet, bis zu dem treibenden Moog-Basspattern von „All stood still“ gibt es kaum einen schwachen Moment. Das im Juli 1980 veröffentlichte Album ist ein Gesamtkunstwerk, das die Band in ihrer weiteren Karriere musikalisch nicht mehr toppen sollte. Was den Rang des ebenfalls großartigen Nachfolgers „Rage in Eden“ nicht schmälern soll. Und auch „Quartet“ und „Lament“ hatten durchaus einige starke Momente. Sie wiederholten aber Formeln, die 1980 auf „Vienna“ noch neu und aufregend geklungen hatten. Wie ein Monolith ragt das gleichnamige Titelstück „Vienna“ heraus. Der Song überrascht mit seinem angedeuteten Walzerrhythmus im Mittelteil, einem Violinsolo und der scheinbar mühelosen Integration von vergleichsweise primitiven Drumcomputern, die neue Maßstäbe setzte. Denn MIDI sollte erst zwei Jahre später eingeführt werden. So bewegte sich die Band vor allem bei Live-Konzerten oft am Rande des damals technisch noch Machbaren.
Ultravox „Vienna“ – Kein Song für die Charts?
Im vollen Bewusstsein hier ein chef-d’oeuvre geschaffen zu haben, setzte die Band „Vienna“ gegen alle Bedenken ihrer Plattenfirma als dritte Singleauskopplung durch. Dafür wurde „Vienna“ von fünfeinhalb auf vier Minuten gekürzt. Obwohl der Song mit seinem elegischen Anfang, der sehr komplexen Harmonik und den Tempowechseln allen Hitkonventionen spottete, kletterte er in den britischen Charts auf Platz 2. In den Berliner Diskotheken, die ich damals besuchte, war es Ehrensache, die LP-Langversion zu spielen.
Bei der Promotion des Songs „Vienna“ half vor allem ein Video, das die Band in London und im winterlichen Wien drehte. Die Band musste das Video aus eigener Tasche vorfinanzieren und hatte mit widrigen Umständen zu kämpfen: Einige markante Gebäude, die Ultravox gerne als Kulisse benutzt hätten, wurden gerade restauriert und verbargen ihre Schönheit hinter Gerüsten.
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Ultravox „Vienna“ – Melancholie des Fin de siècle
Mit seinen kühlen Schwarz-Weiß-Bildern am Anfang und Ende des Films (die heute bläulich schimmern) unterstützt das Video kongenial Musik und Text; es schafft eine Atmosphäre, die zwischen Carol Reeds Nachkriegsfilmklassiker „Der dritte Mann“ und Fin de siècle-Melancholie liegt, die gleichermaßen auf österreichische k.u.k.-Dekadenz und die Einsamkeit des modernen Menschen anspielt. Mit dem Video erspürte Ultravox einen damals neu aufkommenden Trend: Im August 1981 ging in den USA MTV erstmalig auf Sendung. Und „Vienna“ sollte sehr bald schon zu den ikonischen Musik-Videos der 80er Jahre zählen.
Ultravox „Vienna“ – Grieg und Elgar als Vorbilder
Zwar zelebrierte Ultravox nicht die für die New Romantic-Bewegung so typische modische Extravaganz, wie wir sie etwa von Boy George kennen. Mit der Androgynität eines David Bowie, die für viele New Romantic-Acts stilbildend war, hatte Ultravox nicht allzu viel am Hut. Sieht man sich das Vienna-Cover an, imitierte Ultravox noch am ehesten die Dinnerjacket-Larmoyanz eines Bryan Ferry. Anzug mit Krawatte – das war die Antwort auf die gefärbten Haare und Sicherheitsnadel-Piercings der Punk-Ära. Diesen speziellen Look – „Sparkassenleiter am Synthesizer“ – hatten bereits Kraftwerk für die damaligen Electro-Acts etabliert. Midge Ure schaffte es, sich mit Koteletten und einem dünnen Schnurrbart davon abzuheben.
Musikalisch ist “Vienna” ganz bei den neuen Romantikern verortet. Dafür sorgte schon der klassisch ausgebildete Keyboarder und Violonist Billy Currie: „I said to the guys I was keen to do something that sounded like the late-19th-century romantics, like Grieg and Elgar. We were extremely arrogant back then and probably too prog-rocky.“(“How we made Ultravox’s Vienna” in: The Guardian, 18.07.2017)
Der Dank des Autors
Jonas Wårstad hat den Ultravox-Schlagzeuger Warren Cann in mehreren E-Mail-Interviews zum Werdegang der Band befragt. Von den ersten Anfängen mit John Foxx und Tiger Lily bis zum Vienna-Album. (Ultravox – The Story – Warren Cann interviewed by Jonas Wårstad) Die ausführlichen Antworten sind ein Schatz für jeden Ultravox-Interessierten. Im Mai 1981 brechen die Ausführungen Canns leider ab. Er hat Wårstad versprochen, das Interview fortzusetzen, wenn er mal wieder die Zeit dafür finden sollte. Es ist klar, dass Canns Aufarbeitung der Bandgeschichte und der Schilderung seiner eigenen Rolle darin auch eine Art Therapie für ihn waren. Denn der Rauswurf nach dem Album „Lament“ hatte ihn sehr verletzt. Ich habe Jonas Wårstad kontaktiert und er hat mir erlaubt, aus dem Interview zu zitieren. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich!
Eine großartige Sammlung von Bildern, Rezensionen und Interviews mit den Ultravox -Musikern findet sich auf „The Inofficial German Fanpage of Ultravox“ Auf dieser Seite kann man als Ultravox-Fan spielend Stunden verbringen. Und ich hätte sicher mehrere Tage gebraucht, wenn ich diese Fakten alle einzeln hätte zusammentragen müssen. Ein großes Dankeschön an Peter Nagel, der mir erlaubt hat, seine Seite zu zitieren.
Erwähnen möchte ich auch das ausführliche Ultravox-Essay von Harald Steffen. Vieles, was ich hier nicht behandelt habe, zum Beispiel die verschiedenen Singleveröffentlichungen mit ihren jeweiligen B-Seiten, ist dort zu finden. (Midge Ure.eu – Official German Fanseite)
Ansonsten habe ich bei der erstmaligen Erwähnung eines zitierten Artikels immer den Link zur Original-Quelle angegeben :-) Bei mehrmaligen Zitaten nenne ich dann nur noch den Kurztitel. Besonders wichtige Artikel finden sich zusätzlich in der Linksammlung.
Ultravox statt Genesis
„Vienna“ ist eines meiner persönlichen Lieblingsalben aus dieser Zeit. New Romantic war genau das Richtige für Musikfans wie mich, die Ende der 70er Jahre ihre Genesis-, Yes- und Emerson, Lake and Palmer-Platten verschämt in die hinterste Ecke des Regals packten. Prog-Rock war einfach nicht mehr angesagt. Was nicht heißen soll, dass „And Then There Were Three“, „Tormato“ oder „Love Beach“ wirtschaftliche Flops gewesen wären. Aber beim Hören dieser Platten wollte man sich nun wirklich nicht erwischen lassen. Die große Ausnahme bildeten damals Pink Floyd, die mit „The Wall“ noch einmal ein Mega-Album vorlegten. Welche Alternativen gab es? Wer mit Sex Pistols, Ramones und Buzzcocks nicht so viel anfangen konnte, fand sein Glück vielleicht beim Buzzcocks-Spin-off „Magazine“, bei The Clash (spätestens ab „London Calling“), XTC oder The Police. Punk wandelte sich zum New Wave. Und als einige dieser Bands neben Gitarren, Bässen und Schlagzeug die im Punk verfemten Keyboards (eine Ausnahme bilden z.B. The Stranglers) wieder auf die Bühne nahmen, waren auch die alten Genesis und ELP-Fans wie ich versöhnt. Auf Ultravox trifft das in ganz besonderem Maße zu: Man konnte wieder aktuelle „angesagte“ Musik hören und musste trotzdem nicht auf Akkordwechsel, raffinierte Arrangements und perfekte Beherrschung der Instrumente verzichten.
Ultravox im Theater des Westens
An einem kühlen Novemberabend im Jahr 1981 fuhr ich mit dem Bus die Berliner Kantstraße hinunter Richtung Bahnhof Zoo. Ziel war das Theater des Westens. Ein prachtvoller Bau im Stil des wilhelminischen Historismus. Hier hatten bereits Caruso, Josephine Baker und Marlene Dietrich gesungen. Heute Abend sollten hier Ultravox auftreten. Fröstelnd warteten wir Fans vor dem Prachtbau auf den Einlass und es dauerte nicht lange, bis hier und da der Anfang von Vienna gesummt und gesungen wurde: “Walked in the cold air, freezing breath on the window pane …”
Schließlich konnten wir das elegante Foyer betreten und es war klar: Einen besseren Rahmen hätten sich die Hohepriester der Neuen Romantik gar nicht aussuchen können. „The Thin Wall“ eröffnete das Konzert, gleich als zweiter Song war mein persönlicher Favorit „New Europeans“ zu hören, mit „Sleepwalk“ folgte ein weiterer Ohrwurm. „Vienna“ eröffnete das letzte Drittel des Konzerts, ein klug gewählter Höhepunkt. „All stood still“ beendete das Konzert, bevor ein jubelndes Publikum mit der Zugabe „The Voice“ belohnt wurde.
Rage in Eden
Mit den beiden Ultravox-Alben der neuen Midge Ure-Ära „Vienna“ und dem Nachfolger „Rage in Eden“ verfügte die Band inzwischen über genügend frisches Material. Bei der Vienna-Tour, die ich leider nicht gesehen habe, musste die Band noch auf einige Lieder aus der Zeit mit dem damaligen Frontmann John Foxx zurückgreifen. Sicher wäre es reizvoll gewesen, Midge Ure „Hiroshima mon amour“ singen zu hören. So freilich war die Musik aus einem Guss. Die Songs waren eingängiger als früher und strahlten dabei eine kühle Eleganz aus. Es war ein tolles Konzert, aber – wenn ich ehrlich bin – keins, das direkt ans Herz rührte. Das gilt auch für spätere Alben: Immer wenn die Band versuchte, sich an die großen Emotionen zu wagen, wurde es gerne mal etwas schwülstig: Sei es bei „Reap the wild wind“ und „Hymn“ vom „Quartet“-Album , sei es bei „Dancing with tears in my eyes“ von „Lament“. Nach dem Hören dieser Lieder fühlte ich mich immer wie nach dem Genuss belgischer Pralinen – irgendwie überfressen. Und außerdem wirkten die Musiker – wie soll ich es sagen ? Nun ja, sehr konzentriert. Warren Cann hat den Grund dafür enthüllt: „The real reason we looked po-face is that we were worried to death everything was going to melt down at any second. We were using equipment that was all customised, souped up, hot-rodded, we were up to our ankles in leads.“ („Why Ultravox decided to give ‚Vienna‘ another whirl“, The Telegraph, 06.04.2009)
Ultravox „Vienna“ live – Ein Fest für Keyboardfans
So war nicht meine ganze Aufmerksamkeit von der Musik in Beschlag genommen. Es blieb genügend Zeit, die gewaltigen Keyboardhalden zu bewundern, die die Band aufgefahren hatte. Heute bin ich manchmal ein wenig enttäuscht, wenn auf der Bühne wenig mehr als ein MIDI-Keyboard und ein aufgeklapptes MacBook zu sehen ist. An diesem Novemberabend kam ich allerdings voll auf meine Kosten. Ein Oberheim OB-X, ein Yamaha CS-80, Minimoog und ARP Odyssey, dazu zwei Yamaha String Synthesizer SS-30. Ich freute mich wie ein Schneekönig, auf der Bühne auch einen Yamaha CS-40M zu erspähen, den ich damals selbst besaß. Ob Currie damals schon den Yamaha-E-Flügel CP-70 spielte oder das elektrische Klavier CP-30, das weiß ich nicht mehr genau. In Erinnerung geblieben ist mir das virtuose Geigenspiel von Billy Currie, seine phantastischen Soli auf dem ARP Odyssey und ein absolut großartiges Show-Ende, bei denen die Musiker ein langes Schlagzeug-Solo an den Simmons Drums darboten, bei dem es das Publikum dann tatsächlich von den Stühlen riss.
Ultravox – Die Zeit mit John Foxx
Das Album „Vienna“ entstand unter schwierigen Umständen. Die Band hatte mit ihrem charismatischen Frontmann und Sänger John Foxx drei LPs eingespielt: „Ultravox!“ war 1977 erschienen und noch deutlich vom Glamrock David Bowies und Roxy Musics beeinflusst. Das Ausrufezeichen ist übrigens als Referenz an die Düsseldorfer Band Neu! zu verstehen. Als Co-Produzenten wirkten Steve Lillywhite und Brian Eno mit. Die Verkaufszahlen waren nicht berauschend. Und das änderte sich auch mit dem folgenden Album „Ha! Ha! Ha!“ nicht, das Anleihen beim Punkrock nahm. Der letzte Song der Platte „Hiroshima mon Amour“ war ein Hinweis, wohin die Reise künftig gehen sollte. Der wehmütige Gesang von John Foxx, das Violinenspiel Billy Curries und vor allem der damals noch ungewohnte Klang einer Roland-Drum Machine verleihen dem Song eine einzigartige Stimmung.
Der Song „Hiroshima mon Amour“ ist auf YouTube leicht zu finden, aber leider nicht in einer lizensierten Form. Deshalb hier eine Live-Version von „Underpass“ von John Foxx erster Solo-Platte „Metamatic“. Damit lassen sich die unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen ganz gut veranschaulichen. Übrigens liebt es John Foxx auch im Jahre 2012 noch, teils mit Vintage Equipment auf die Bühne zu gehen :-)
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„Hiroshima mon Amour“
Der Song ist bis heute ein Klassiker und ein Lieblingsstück vieler Ultravox-Fans. Folgerichtig klangen Ultravox auf dem nächsten Album „Systems of Romance“, das 1978 erschien, noch elektronischer. AllMusic-Kritiker Dave Thompson urteilt über das Album: „Mit Systems of Romance von 1978 ließ Ultravox den Punk hinter sich und entwickelte im Alleingang die Vorlage für die gesamte neue romantische Bewegung – nun, mit ein wenig Hilfe der Koproduzenten Conny Planck und Dave Hutchins. Die Sprödigkeit von Ha!-Ha!-Ha!-Ha! war einer eine reichen Klangfülle gewichen, die das neue Genre definieren sollte.“
Inhaltlich deutete sich hier bereits ein Wandel an, der bei “Vienna” dann klar vollzogen wurde. Im Vordergrund stehen nicht mehr politische Kritik oder das Heraufbeschwören eines drohenden Armageddons. Stattdessen drehen sich die Texte nun stärker um das Gefühl persönlicher Entfremdung. Musikalisch sind die Einflüsse von Kraftwerk unüberhörbar. Warren Cann brachte erneut seine Roland TR-77 an den Start und Billy Currie setzte stilprägend seinen ARP Odyssey ein.
Island trennt sich von Ultravox
Die Band war überzeugt mit „Systems“ ihr bisher stärkstes Album abgeliefert zu haben. Stücke wie „Slow Motion“, „Quiet Men“, oder „Dislocation“ machen unmittelbar verständlich, warum Gary Numan sagt, die Platte habe ihn maßgeblich beeinflusst: „When I got into electro music it was Ultravox that was the biggest influence with albums like ’systems of romance‘, up until 1978, 1979.“ Mit den späteren Ultravox konnte Numan dann interessanterweise nicht mehr so viel anfangen: „But then they split up and reformed, after they reformed they had a lot of success but I didn’t like it as much.“ (Gary Numan Interview vom 2.7.2002 auf contactmusic.com)
Hier ein phantastisches Video, in dem Gary Numan und John Foxx über die frühen Ultravox sprechen. Indispensable stuff!
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Auch die Fans reagierten während der folgenden Europa-Tournee positiv auf die neuen Songs. Doch ein Charterfolg war auch „Systems of Romance“ nicht vergönnt. Die enttäuschte Plattenfirma ließ Ultravox daraufhin fallen. Für die Band war das ein Schock. Umso mehr, als die Musiker damals das Gefühl hatten, die Dinge entwickelten sich endlich in die richtige Richtung. Schlagzeuger Warren Cann erinnert sich an die kalte Dusche zum Jahreswechsel: „We began thinking about the next album, to our great surprise, Island Records choose that time to drop us. I think it was New Year’s Day ‘78/79. They told us that was it – finis. It seemed to make no sense.” (Ultravox – The Story Warren Cann interviewed by Jonas Wårstad)
Ultravox – Kein Liebling der Kritiker
In der Rückschau kristallisiert sich heraus, dass Island mit Ultravox wohl nie wirklich etwas anfangen konnte. Die Haltung des Managements war laut Warren Cann „Wir wissen nicht so genau, was ihr da eigentlich macht. Aber wir mögen es.“ Leider wusste die Musikpresse, die damals sehr auf Punk abfuhr, auch nicht so recht, in welche Schublade sie Ultravox stecken sollten. „Systems“ wird heute als wichtiger Vorläufer des Synthesizer-Pops der ausgehenden 70er und beginnenden 80er Jahre gewürdigt. Damals aber bekam die Platte durchaus gemischte Kritiken. Und die Tatsache, dass die Band etwas hochnäsig auf ein eigenes Management verzichtet hatte, war auch nicht wirklich hilfreich. So landeten die meisten Angelegenheiten, die „gemanagt“ werden mussten, auf dem Schreibtisch von Richards Griffith, dem Chef von Island Records. „Spot the conflict of interest“, merkt Warren Cann lakonisch an.
USA-Tour auf Sparflamme
Mit dem Mut der Verzweiflung stürzte sich die Band in eine in Eigenregie organisierte USA-Tournee. Nun, Tournee ist fast ein zu großes Wort. Es handelte sich um eine Club-Tour auf absoluter Sparflamme. Von den billigsten Flügen bis hin zu einem Minimum an Equipment. Vor dem Hinterausgang wartete jedenfalls kein Cadillac mit eisgekühltem Champagner. Nach einem Konzert in San Francisco lagen die Nerven schließlich vollends blank. Es kam zur großen Aussprache, bei der ordentlich die Fetzen flogen. Das Ergebnis des Streits: Nach der Rückkehr nach London wollten Sänger John Foxx und die Band getrennte Wege gehen. Der Rest der Tour dürfte kaum ein besonderes Vergnügen gewesen sein.
Das Peter Gabriel-Syndrom
Nach der Rückkehr überkam die Band Katerstimmung. Frontmann weg, keine Plattenfirma mehr und das Geld war auch alle. Man muss dazusagen, dass John Foxx nicht irgendein Sänger war. Er war für Ultravox das, was Peter Gabriel für Genesis war. Der Vergleich ist tatsächlich nicht an den Haaren herbeigezogen. So, wie bei Genesis viele Fans von einer Vor- und einer Nach-Peter Gabriel-Ära sprechen, gibt es auch John Foxx-Jünger, die mit seinem Weggang Ultravox als erledigt abschrieben. Und die Parallele geht noch weiter: Was für Genesis Phil Collins war, sollte für Ultravox Midge Ure sein. Dabei wollte Ultravox dieses Mal ausdrücklich einen Sänger, der zusätzlich auch Instrumentalist war. Allein schon um das zu vermeiden, was Warren Cann so schön das „lead-singer-from-another-planet-syndrome“ nennt.
Wie Midge Ure zu Ultravox kam
Der Kontakt zu Midge Ure bahnte sich über den Drummer Rusty Egan von den „Rich Kids“ an, den wiederum Billy Currie kannte. Alle drei waren dann bei Visage dabei, deren gleichnamiges Album im November 1980 erschien. Die Singleauskopplung „Fade to grey“ gilt als Hymne der New Romantics. Midge und Billy kannten einander also schon und wussten, dass sie gut zusammenarbeiten konnten. Nun wurde Midge Ure mit Schlagzeuger Warren Cann und dem Bassisten und zweitem Keyboarder Chris Cross bekannt gemacht. Warren Cann erinnert sich an ihr erstes Zusammentreffen: „We met Midge and immediately went to the pub. He was very keen to do something substantial and liked what we were into.” (A Conversation with Warren Cann/ by Michael Casano, 2002 Electrogarden.com)
Alle waren sich einig: Midge passte sich wunderbar ein. Er war ein exzellenter Gitarrist und brachte dazu etwas mit, über was John Foxx bei allem Charisma tatsächlich nie verfügt hatte – eine echte Sänger-Stimme. Da er auch den nötigen Humor besaß, war schnell klar: Midge Ure wird der vierte Mann bei Ultravox.
Midge Ure – Ein Schotte bei Ultravox
Wenn Midge Ure singt, fällt es kaum auf, aber sobald er zu sprechen beginnt, ist es klar zu hören – ein ganz wundervoller schottischer Akzent. Dieser wird als „Scots“ bezeichnet, bitte nicht „Scotch“ sagen, das ist ein Whiskey. Das rollende „r“, Verkürzungen (sma‘ statt small), Aufhellungen des „o“ vor „th“ (anither statt another), und die fehlende Unterscheidung zwischen Lang- und Kurzvokalen (swimming pull statt swimming pool) sind nur einige der Besonderheiten des „Scots“. Wie es sich wohl angehört hätte, wenn Midge Ure „Vienna“ in der Sprache gesungen hätte, die ihm seit seiner Kindheit in einem Vorort von Glasgow vertraut war? Schon mit 19 wusste er, dass er Berufsmusiker werden wollte und brach seine Schlosserlehre ab. 1975 wollte Malcolm McLaren ihn zu den damals noch weitgehend unbekannten Sex Pistols holen. (Das war ein Jahr bevor Johnny Rotten auf den Plan trat). Aber Midge war „busy“ mit seiner Formation Slik, die mit „Forever and Ever“ bis an die Spitze der britischen Charts stürmte und dabei sogar „Mamma Mia“ von ABBA ausstachen. Da war Midge Ure gerade mal 22 Jahre alt.
Devenir gris
Vom Teenpop à la Bay City Rollers wechselte Midge Ure zur Powerpop-Band Rich Kids, trennte sich aber nach nur einer gemeinsamen Platte wieder. Bei den Rich Kids hatte er den Schlagzeuger Rusty Egan kennengelernt. Mit ihm und Steve Strange gründeten sie das Studioprojekt Visage, zu dem später Dave Formula, John McGeoch und zuletzt Billy Currie hinzustießen. Für den Hit „Fade to Grey“ hatte Midge Ure den Text beigesteuert, inklusive der Idee für den französischen Part („devenir gris“), den die aus Belgien stammende Brigitte Arens einsprach. Damit war Midge Ure in der New Romantic- und Synthipop-Szene über Nacht eine große Nummer geworden.
Gitarrist mit Ehrendoktorhut
Und allen, die die Nase rümpfen über seine späteren Solosongs wie „If I was“ oder den mit Bob Geldof gemeinsam geschriebenen Band Aid-Megahit „Do they know it’s Christmas?“ sei gesagt, dass Mide Ure vor allem ein Vollblutmusiker ist. Mit einer erstaunlichen Bandbreite: 1979 sprang er für eine USA-Tournee bei Thin Lizzy ein – für den kurz zuvor ausgestiegenen Gary Moore. Sein gesellschaftliches Engagement – Ure war einer der Organisatoren des Live Aid-Konzerts 1985 im Londoner Wembley Stadion – brachte ihm mehrere Ehrendoktorhüte und die Erhebung in den britischen Adelsstand durch Königin Elisabeth II ein. Eine gewisse Ironie liegt in der Tatsache, dass viele Bands, die bei Live Aid aufgetreten waren – wie die Simple Minds und U2 – danach zu Weltstars wurden. Die Band Ultravox löste sich dagegen auf. „Ich glaube, wir hatten alle große Egos. Es war nicht so, dass ich dachte, ich könnte es allein besser machen. Es wurde einfach sehr offensichtlich, dass Ultravox etwas verloren hatte. Wir feuerten beispielsweise unseren Drummer Warren Cann, der ein Gründungsmitglied war. Und ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, warum.“ („Wir hatten alle große Egos“, Interview mit Midge Ure im Focus, 25.04.2010)
Auch beim Live Aid-Konzert 1985 spielten Ultravox natürlich ihren großen Hit Vienna:
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Ultravox – Endlich ein eigenes Management
Mit dem Einstieg von Midge Ure packte die Band ein neuer Elan. Das zeigte sich auch darin, dass die Band erstmals begann, sich um ein professionelles Management zu kümmern. Tatsächlich sprachen sie Chris Morrison und Chris O’Donnell an, die Thin Lizzy betreuten. Die Reaktion war zunächst nicht überschwänglich. Aber die beiden waren doch beeindruckt, dass die Band aus eigenen Kräften eine US-Tournee gestemmt hatte. Richtig offiziell wurde es mit dem neuen Management allerdings erst nach der Veröffentlichung von Vienna.
Undercover
Die Arbeiten für das neue Album begannen im Herbst 1979. Die Band musste dabei ein bisschen Undercover arbeiten. Liebend gerne wären die Musiker selbstbewusst vorgetreten und hätte alle Welt wissen lassen, dass die Band Ultravox mitnichten mausetot war, sondern im Gegenteil einen neuen Sänger gefunden habe. Doch Midge Ure war noch durch vertragliche Pflichten gebunden. Und so hieß das Gebot der Stunde, die Früchte zunächst im Verborgenen reifen zu lassen: „Our method of writing was a simple one”, erklärt Warren Cann im Interview mit Jonas Wårstad: “We would jam about with our collective ideas and throw things back and forth until something sparked. We’d take the idea, work on it, and polish into a song structure. At this point it would still be in instrumental form, we would generally let the mood of the piece dictate the direction of the lyrics.”
Only a guitarist can came up with that!
Die ersten Stücke, die so entstanden, waren „Astradyne“, „New Europeans“ und „Mr. X“. „Astradyne“ sollte sich als ein ideales Eröffnungsstück erweisen. Als Instrumental heizte es die Neugierde, wie der neue Sänger wohl klingen würde, erst richtig an. Erst ist nur das metallische Ticken der CR-78 zu hören. Bevor sich die Gitarre, ein kräftiger Bass und das Klavier einmischen: „Midge came up with that final section lift taking it out of the long ARP solo. I double it! It was a very good strong keyboard part. I used to say at the time: ‚Only a guitarist can came up with that!‘, sagt Billy Currie und schiebt hinterher: „I meant that as a good thing.“ („The true transmission“, An interview with Billy Currie, 22.05.2012 , The Electricity Club)
Eine neue Chemie
Obwohl die Band an ihren alten musikalischen Vorlieben festhielt, sorgte das neue Bandmitglied Midge Ure automatisch für Veränderungen und eine neue “Chemie” in der Band, die laut Warren Cann aber von allen als sehr wohltuend empfunden wurde: “It reflected a stylistic change because Midge’s singing was very different from John Foxx’s, plus Midge was the best guitarist we’d ever had… still, we kept following the areas of sound that excited us. The chemistry within the band was now very different but it enabled Bill, Chris, and myself to enjoy ourselves much more.” (Interview mit Jonas Wårstad)
Wieder auf Tour in den USA
Die Band sollte die Arbeit an den neuen Stücken noch einmal unterbrechen – für eine zweite US-Tour im Dezember 1979. Die übrigens nur wenig luxuriöser als die erste war. Eine kreative Phase für den harten Tournee-Alltag zu unterbrechen – das kann ein Wagnis bedeuten. Diese Tour war aber in zweierlei Hinsicht gut für Ultravox. Sie schweißte die Band in ihrer neuen Konstellation zusammen. Und sie festigte ihre Fan-Basis in den USA. In Los Angeles wurden spontan aufgrund der großen Nachfrage zusätzliche Auftritte vereinbart. Eine Genugtuung für die Musiker, nachdem ihre alte Plattenfirma Island ihnen gesagt hatte, dass man mit Ultravox auf dem wichtigen US-Markt keinen Blumentopf gewinnen könne.
Ultravox kommt bei Chrysalis unter
Mit einem guten Bündel neuer, Gig-erprobter Songs machte sich Ultravox nach der Rückkehr aus den USA auf die Suche nach einem neuen Label. Chrysalis Records biss an und bot der Band Studiozeit an, um Demos aufzunehmen. Die Band entschloss sich zu einem außergewöhnlichen Schritt. Sie heuerte Conny Plank als Produzenten an, mit dem die Band schon bei „Systems of Romance“ zusammengearbeitet hatte. Und anstatt im Studio die üblichen drei Demosongs aufzunehmen, produzierten sie nur einen Song. Den aber komplett. So konnten sie Chrysalis ein Master von „Sleepwalk“ übergeben. Die Plattenfirma sollte sozusagen mit „schlafwandlerischer“ Sicherheit das Potential der Band erkennen. Der Plan ging auf, Ultravox erhielten ihren Vertrag.
Ultravox „Vienna“: Die zweite Session
Die Band kehrte anschließend noch einmal in den Probenraum zurück, um weitere Songs zu erarbeiten. Unter anderem „Passing Strangers“, „Western Promise“ und „Vienna“ wurden während dieser zweiten Session-Phase komponiert. Wie Phil Collins bei den Proben zu „The Lamb lies down on Broadway“ ließ auch Warren Cann ständig ein einfaches Kassetten-Aufnahmegerät während der Jam-Sessions mitlaufen. Denn wenn man stundenlang zusammen jammt, verliert man irgendwann den Abstand. Hört man die Aufnahmen am nächsten Tag noch einmal mit frischen Ohren ab, erkennt man, ob eine musikalische Idee wirklich etwas taugt.
„Vienna“ begann mit dem berühmten Drumpattern, das Cann auf der CR-78 programmiert hatte. Das Ganze kombinierte die Band mit einem Chorus, der bereits vorlag, für den es aber noch keine Strophe gab: „It all clicked in a few hours and we ironed out the rough spots the next day“, erinnert sich Warren Cann. (Interview mit Jonas Wårstad)
Hier ein Tutorial von Marko Ettlich, wie man den Moog-Bass bei Vienna reproduzieren kann:
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Ultravox „Vienna“ – Klebrige Teppiche und abgestandene Luft
Conny Plank war für die Produktion von „Sleepwalk“ eigens nach London gekommen. Die Band hatte ursprünglich vor, das Album in Conny Planks Studio in Deutschland zu produzieren. Tatsächlich wurden die Tracks aber in den Londoner RAK-Studios aufgenommen. Vermutlich aus finanziellen Gründen. Die Band hatte viele Songs ja schon schon live gespielt und war gut eingegroovt. So kamen Ultravox mit zehn Aufnahmetagen aus. “First and foremost, we weren’t trying to create a hit song, just an interesting piece of music”, erinnert sich Midge Ure. „It was cold and miserable, as all these studios are, with sticky carpets and a smell. And that’s where we wrote Vienna.” (The Guardian)
Tiled Room
Billy Currie soll sein Geigen-Solo, so berichtet es wenigstens Midge Ure in seinen Erinnerungen „If I was“, in den Sanitär-Räumen des Studios aufgenommen haben. Die besondere Akustik gefliester Räume sollte später auch ein berühmtes Lexicon-Hallpreset inspirieren: „Tiled Room“.
Billy hatte auf der Musikschule eine hochwertige englische Bratsche gespielt, die er aber verkaufte, um von dem Geld eine Fender Telecaster anzuschaffen. Später legte er sich wieder eine Geige zu, die er mit einem Barcus Berry-Tonabnehmer versah. 1977 kaufte er sich eine Fender Solid Violine, die er auch auf dem Vienna-Album spielte. Aber anscheinend nicht auf dem Titelsong. Billy Currie macht auf seiner Webseite aus diesem Instrument ein kleines Geheimnis: „I’ll come to that when I talk about the violin I borrowed to do the VIENNA solo. 1980.“ Allein – an dieser Stelle bricht der Text ab…
Ruhestörender Lärm in den RAK-Studios
Ein denkwürdiges Ereignis während der Aufnahmen in den RAK-Studios war das Einspielen der Drums für den Song „Western Promise“. Dafür wurde der Empfangsbereich des Studios ausgewählt. Viel Glas und Marmor sollten für einen extra-harten Drumsound sorgen. Weil tagsüber die Straßengeräusche zu laut waren, sollten die Aufnahmen nachts durchgeführt werden. Doch nun ergab sich das umgekehrte Problem: Da die Studiotür nicht schalldicht war, stand bald die von den Nachbarn alarmierte Polizei vor der Tür. Weil der Sound aber vielversprechend und inzwischen auch perfekt eingepegelt war, wurde in der folgenden Nacht ein zweiter Durchgang probiert. Warren Cann wusste, dass er nicht viel Zeit für den perfekten Take haben würde: „Sometime before the neighbours got fed up and reported us and the response time it took for the police to arrive, I got a good take and we had what we wanted.“ (Interview mit Jonas Wårstad)
Im folgenden möchte ich auf das Equipment näher eingehen, das Ultravox bei den Aufnahmen für Vienna einsetzte. Und dabei auch die anderen Ultravox-Musiker und ihren Produzenten etwas näher vorstellen.
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Ultravox hatte damals einen Deal mit Yamaha und das merkt man der Equipmentliste – nicht nur bei den verwendeten Keyboards – auch an. Midge Ure verwendete auf „Vienna“ vor allem eine Yamaha SG-2000, die er durch einen Vox AC-30 spielte. Außerdem setzte er ein Roland Space Echo ein. Chris Cross spielte einen Yamaha Bass (zusätzlich wohl auch einen Fender Precision) und für die Synthesizer-Bassparts benutzte er einen Minimoog. Ab dem Album „Quartet“ wurden diese Moog-Basslinien häufig mit dem PPG Wave 2.2 gedoppelt, was sie noch elektronischer klingen ließ. Aber auch so machten die hämmernden Moog-Ostinatos etwa auf „New Europeans”, Sleepwalk” und „All stood still“ mächtig Eindruck.
All stood still – Paradebeispiel für den Moog-Bass
„All stood still“ ist für Warren Cann das beste Beispiel für einen Song, den sie ohne den Minimoog wohl gar nicht erst geschrieben hätten: “Well, perhaps it would’ve been written but it wouldn’t have sounded anything like what we recorded. Playing the bass line on guitar would’ve been a headache.” (Interview mit Jonas Wårstad)
Das All stood still-Video ist nicht so hektisch geschnitten und erlaubt daher den einen oder anderen Blick auf das Equipment: Auf dem Yamaha CP-70 steht der SS-30 String Synthesizer. Rechts daneben der ARP Odyssey. Unter dem Minimoog, auf dem Chris Cross die markante Basslinie beisteuert, kann man ganz kurz auch den Yamaha CS-40M mit den weißen Tastern für die Speicherplätze erkennen.
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Ultravox „Vienna“ – Der Yamaha CS-40M
Beim Yamaha CS-40M (und dem von Warren Cann im Interview mit Jonas Wårstad ebenfalls erwähnten CS-20M) handelte es sich um die beiden Flagschiffmodelle von Yamahas neuer CS-Reihe. Speziell der CS-40M ist ein mächtiger Synthesizer mit vier Oszillatoren für echte Zweistimmigkeit und alternativ einem Monosound, bei dem kein Auge trocken bleibt – zumal der Klang mit Suboszillatoren noch angefettet werden kann. Dazu kommt eine üppig ausgestatte Modulationseinheit, Ringmodulator, Multi-VCF (LPF/BPF/HPF) und drei Hüllkurven.
Der CS-40M besitzt noch ein paar weitere Spezialitäten wie invertierbare Hüllkurven. Insofern ergänzt er den einfacher gestrickten Minimoog ideal. Allerdings ist die Bedienung etwas fummelig, darin wird er in der CS-Reihe eigentlich nur noch vom Yamaha CS-30 getoppt. Dieses Manko macht der CS-40M teilweise dadurch wett, dass er 20 Speicherplätze besitzt. Das „M“ steht für Memory. Die gespeicherten Sounds sind allerdings nicht editierbar. Lediglich auf einige Basisfunktionen wie Filteröffnung und Sustain kann im Nachhinein noch Einfluss genommen werden. Der CS-20M ist im Prinzip ein abgespeckter CS-40M – nur monophon, ohne Ringmodulator und mit lediglich 8 Speicherplätzen ausgerüstet.
Chris Cross – Der Psychologe bei Ultravox
Chris Cross ist wohl das Ultravox-Mitglied, über das am Wenigsten bekannt ist. Ich habe kein einziges Einzelinterview mit ihm gefunden und wenn er – wie etwa anlässlich der Reunion – zusammen mit den anderen Bandmitgliedern befragt wurde, beschränkt er sich auf kurze Antworten. Offensichtlich liegt ihm nicht viel daran, sich in den Vordergrund zu spielen. Geboren wurde er als Christopher Thomas Allen in Tottenham, im Londoner Norden. Dort spielte er auch in verschiedenen Bands. Für Chris stand damals vermutlich noch nicht fest, eine Musikerlaufbahn einzuschlagen. Und so begann er, Kunst und Psychologie in London zu studieren. Trotzdem meldete er sich auf eine Anzeige, die ein Londoner Kunststudent aufgegeben hatte, um eine Band zusammenzustellen. Dieser Kunststudent hieß Dennis Leigh und sollte sich bald schon John Foxx nennen. Auch Chris legte sich einen Künstlernamen zu und nannte sich nun Christopher St. John.
Ein Händchen für Videos
Auf den beiden ersten Ultravox!-Alben war Chris vor allem für Bass und Backing Vocals zuständig. Auf Systems of Romance war sein Interesse für Synthesizer geweckt. Die Band setzte damals neben Billy Curries ARP Odyssey einen EMS Synthi AKS ein, den Cross auf „Slow Motion“ spielt. Das war sicher der früheren Zusammenarbeit der Band mit Brian Eno geschuldet. Eno gilt als großer Fan des Synthesizers im Aktenkoffer. Nach dem Weggang von John Foxx und dem Einstieg von Midge Ure bei Ultravox begann Chris, die Arbeit mit Synthesizern noch erheblich auszuweiten. Zunächst kam ein Minimoog dazu, der vor allem für Basslinien benutzt wurde. In dieser Zeit änderte er auch seinen Künstlernamen in Chris Cross. Chris scheint sich mit dem Bandneuling Midge Ure sehr gut verstanden zu haben. Er teilte speziell die Begeisterung Ures für Musikvideos. Gemeinsam führten sie Regie bei „Shy Boy“ von Banamarama , „The Telephone always rings“ von Fun Boy Three und Chris arbeitete auch am Band Aid-Video mit.
Wie bei Dr. Who
Als nach dem Album „U-Vox“ der letzte Vorhang gefallen war, zog Chris entschieden einen Schlussstrich und arbeitete danach als Psychotherapeut. Erst nach über 20 Jahren sollte er ein Sabbatical nehmen, um bei der Ultravox-Reunion dabei zu sein. Das war ein Wagnis. Aber eins, das ein gutes Ende nahm. Es bietet uns die Gelegenheit, eines der eher seltenen Statements von Chris Cross zu zitieren, das ihn als feinfühligen Beobachter ausweist: „It’s like being in Dr. Who. We’ve gone somewhere familiar that we know inside out – but it’s time-shifted. We didn’t have a clue if we could even stand to be in the same room as each other but everything’s gone so much better than any of us expected.“ (The Telegraph, 06.04.2009)
Ultravox „Vienna“ – Der ARP Odyssey
Billy Currie spielte im Studio einen Flügel, der auf der Bühne erst durch ein Yamaha CP-30 E-Piano und später durch ein Yamaha CP-70 ersetzt wurde. Für seine berühmten Soli verwendete Billy Currie einen Arp Odyssey. Er hatte ihn 1977 gekauft vom ersten Geld, das Ultravox! (damals noch mit Ausrufezeichen) mit ihrem gleichnamigen Debütalbum verdient hatte. Auf „Ha!Ha!Ha!“ setzte ihn Currie das erste mal ein. Es handelt sich um das Modell Mk II, übrigens noch ohne PPCs (Proportional Pitch Controller). Die Veränderung der Tonhöhe erfolgt hier noch wenig komfortabel über ein Drehpoti.
That honky mad sound
Currie hat in einem Interview auf The Electricity Club schön herausgearbeitet, warum er den ARP dem Minimoog klar vorzieht: „I just liked that honky mad sound. The LFO was in a good position for me. Just moving a slider up and down, forward and back. It felt right. The Minimoog was all knobs, it didn’t seem so agile.“ Beides waren große Kisten, die viel Platz beanspruchten. Und beide besaßen keine Presets, einen einmal eingestellten Sound konnte man vielleicht niemals genauso wiederholen, betont Currie. Aber irgendwie fand er den ARP einfach cooler: „A Minimoog that had to have the panel upright did not look cool for me but it had to be up to play it properly though. The ARP had a lighter keyboard action which I preferred.“ („The True Transmission“, “ The Electricity Club)
Currie hat den Odyssey bei Visage gespielt, bei Gary Numan und auf praktisch jedem Ultravox-Album. Erst bei „Lament“ musste ein neuer Lead-Synthesizer her: „The Odyssey had suddenly become unfashionable so I found myself not really using it“, erinnert sich Billy Curry. „The general consensus was ‚give that one a rest Bill‘ when Chris Huggett and Paul Wiffen came in, showed OSCar to us and said ‚We’ve based the first patch on your ARP sound‘ so I listened to it, played it and liked it.“ (Interview mit Billy Currie auf GForce Software)
The raunchy one
In Videos und auf Fotos sieht man, dass Currie später auch einen Odyssey Mk III (den „orangenen“) eingesetzt hat. Aber der echte Ultravox-Sound ist der Mk II – „the raunchy one“. Billy hat den alten ARP Odyssey 2012 für das „Brilliant“-Album noch einmal vom Dachboden geholt und vom Staub befreit. 2017 hat er den Synthesizer dann für 8.500 britische Pfund versteigert. Ein legendäres Instrument, dem zuletzt die Nachschöpfungen von Korg und Behringer gehuldigt haben. Curries kreischender, unglaublich ausdrucksvoller Signature-Sound nutzt ausgiebig die Sync-Möglichkeit des ARPs. Zusätzlich wird der Synthesizer durch einen Flanger (wohl MXR) und ein Verzerrer-Pedal geschickt – die „Electric Mistress“ von Electro Harmonix – und über einen Gitarren-Amp gespielt. Von Marko Ettlich gibt es einen schönen Clip, in dem er den Currie-Leadsound nachbaut:
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Ultravox „Vienna“ – Elka Rhapsody 610
Ultravox hatte bei den frühen Alben mit John Foxx den Stringsynthesizer Elka Rhapsody 610 eingesetzt. Ihm gehörte Curries ganze Zuneigung, während er sich mit dem Solina-Sound so gar nicht anfreunden konnte: „The Solina was an instrument I didn’t really get on with the seventies, too silky.” An anderer Stelle lästert er über den „middle of he road”-Sound des Solinas, das die Mantovani-Ära heraufbeschwören würde. „And that did not appeal to me at all. Whereas the Elka Rhapsody had a character, it was emotional and it cuts through.” Und genau diesen eigenständigen Charakter muss Currie dann auch beim Yamaha SS-30 entdeckt haben.
Ultravox „Vienna“ – Yamaha SS-30 String Synthesizer
Zum Signature-Sound von Ultravox gehört eindeutig der Yamaha SS-30 String Synthesizer. Mein Blue Box-Artikel zum SS-30 trägt nicht von ungefähr den Titel „Reap the wild wind“. Der SS-30 besitzt zwei Oszillatoren, die gegeneinander verstimmt werden können. Das ergibt einen sehr fetten Sound, der allerdings nicht die Wärme eines Solina-Stringensembles besitzt. Der Yamaha klingt kühl und schneidend, was ihm eine hohe Durchsetzungsfähigkeit im Gesamt-Mix verleiht. Ultravox-Keyboarder Billy Currie hatte das Instrument quasi als Werbegeschenk erhalten. Und es war keineswegs Liebe auf den ersten Blick, wie Currie sich auf der Website von GForce Software erinnert: „I do admit though that I did not have a great relationship with the Yamaha SS-30 initially. Yamaha gave the gear to Ultravox in 1979-80 so I didn’t say ‘No thanks’.” (Billy Currie auf GForce Software)
Seit Anfang der 80er Jahre gehörten zwei dieser String-Synthesizer auch zum festen Bühnenset von Ultravox. Dem Elka Rhapsody blieb Currie aber zumindest im Studio treu. Auf den Alben „Vienna“ und „Rage in Eden“ wurde es neben dem Yamaha SS-30 noch fleißig eingesetzt.
Ultravox „Vienna“ – Billy Currie und seine Stringsynthesizer
In einem Interview hat Currie aufgedröselt, wie er die Stärken beider Instrumente beim Titelsong von Vienna verbunden hat. Für den gesamten Mittelpart benutzte er die Elka Stringmachine, deren Sustain-Klang er rühmt. Für den Chorus dagegen den Yamaha SS-30. „The chorus suited to the SS-30 because you could do a very slow fade in. If you’re able to create the feeling of a bow without sounding naff – like the Solina.” Tatsächlich lässt sich beim SS-30 das Sustain frei einstellen, jeweils individuell für Celli und Violinen.
Für die Einschwingphase gibt es lediglich einen Umschalter für schnellen oder langsamen Attack. Allerdings sind die Werte sehr musikalisch gewählt. Die schnelle Attack-Zeit eignet sich für eine Staccato-Spielweise, während das langsame Einschwingen einer „Portato“-Spielweise entspricht. Genau diesen „Bow“-Effekt hat Billy Currie von Ultravox beim Titelsong des Vienna-Albums mit Gewinn eingesetzt, wie er in einem YouTube-Video berichtet: „So it hangs over just a little bit. And that’s kind of violonistic – an orchestral way of doing something.”
Billy Currie – Der Orchestermusiker bei Ultravox
Billy Currie stammt aus Huddersfield in Yorkshire. Eigentlich heißt er William Lee Currie. Auf seiner Homepage schreibt er, dass er seit frühester Kindheit eine musikalische Ader hatte: „At a very early age I sang a lot, becoming aware that I had a keen ear for music. My cousin bought me a guitar when I was ten and it ‚blew my mind‘ to see that the melodies, I was singing, could be played by changing the length of a string with my fingers!” (billycurrie.com) Mit 11 Jahren bekam er Violinunterricht und sang im Chor. Und mit 15 hatte er schon einen Platz auf der Huddersfield School of Music. Dafür nahm Billy gerne in Kauf, von der Geige zur Bratsche zu wechseln. Er spielte nun in Streichquartetten und führte die Bratschen im Orchester an. Intensiv nutzte er die gut sortierte Musikbibliothek der Schule und hörte Komponisten wie Bartok, Schönberg, Honegger und Varèse.
Auf diese Weise hatte er auch erste Kontakte mit elektronischer Musik. Die Cross Over-Musik von Terry Riley faszinierte ihn genauso wie die Improvisationskünste eines Miles Davis. Hier zeichnete sich zum ersten Mal ab, dass Currie auch einen anderen Weg einschlagen könnte, als den, der ihm praktisch vorgezeichnet war: Musiker in einem renommierten Orchester zu werden. Billy schloss sich einer Band an, in der er Hammond-Orgel und eine mit einem Pickup versehene Viola spielte. Wer einen Ultravox-Song wie „Hymn“ im Ohr hat, mit seinen beinahe symphonischen Strukturen, dem fällt es fast schwer zu glauben, dass Currie am Anfang Rock spielte mit starken Blues- und Jazzeinflüssen.
Kein Bock auf Griffstudien
Spaß hatte Currie auch mit „The Ritual Theatre“: Klassisch ausgebildete Musiker improvisierten zusammen mit Tänzern unter Anleitung eines Schauspiellehrers. Das Projekt tourte auch und Currie konnte erste Festivalerfahrungen sammeln etwa auf dem Edinburgh Festival. Mittlerweile war Billy schon ein gutes Stück von der akademischen Laufbahn abgedriftet. Schwierige Griffstudien zu Beethovens Kreutzersonate übten nur noch geringen Reiz auf ihn aus. Und so lehnte er als 19jähriger die Aufnahme in die Royal Academy in London ab. Okay, also lieber ein Leben unter Brücken ;-) Doch ganz so schlimm kam es nicht. Currie schloss sich in London der Band Tiger Lily an, die der Nukleus für Ultravox! war. Currie fing ganz bescheiden an, mit einem Crumar Piano und einem Elka Rhapsody: „When I was in a band, I found that hiring a string synth like an Elka Rhapsody could put the track in a different world. A new world! So when I got the chance to buy an ARP synthesizer in 1977, it was to further that quest. It also cut like a chainsaw.“ („The True Transmission“ – An Interview with Billy Currie, Electricity, 22.05.2012)
Sleepwalk enthält ein besonders ausdrucksstarkes Solo von Currie auf dem ARP Odyssey.
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Korg statt ARP
Als Foxx ging, war Currie deshalb nicht arbeitslos. Er unterstütze Gary Numan auf „Pleasure Principle“ und tourte auch mit ihm. Und er war an dem Monsterhit „Fade to grey“ von Visage beteiligt, was den Grundstein für die Zusammenarbeit mit Midge Ure bei der zweiten Ultravox-Formation legte. Am Ende dieser erfolgreichen Zusammenarbeit standen freilich Spannungen zwischen den beiden Hauptprotagonisten der Band. Auch wenn es durch den Rauswurf Warren Canns für Außenstehende so aussah, als ob der Schlagzeuger das schwarze Schaf gewesen wäre.
Currie konnte auch danach nicht von Ultravox lassen und stellte 1992 eine neue Formation auf. Auf der Bühne standen statt der alten ARPs nun Korg-Synthesizer. Ich glaube, nur die hartgesottensten Ultravox-Fans werden sich die Platten aus dieser Zeit ins Regal gestellt haben. Die Reunion von 2009 mit der Return to Eden-Tour und der neuen Platte „Brilliant“ hatte dann ein anderes Kaliber. Zugleich gab sie ein versöhnliches Zeichen dafür, dass ein Haufen zorniger alter Männer, die sich geschworen hatten, kein Wort mehr miteinander zu wechseln, durchaus über ihren Schatten springen und noch einmal richtig abrocken konnten.
Ultravox „Vienna“ – Warren Canns Schlagzeug
Warren Cann spielte seit den ersten Tagen bei Ultravox ein Drumset von Ludwig, das er mit Zildijan Becken ergänzte. Außerdem setzte er zwei frühe Drumcomputer von Roland ein – die TR-77 und die CR-78. Bei „New Europeans“ kommt außerdem ein „Simmons Clap Trap“ zum Einsatz. Die weltweit erste Clap Machine wurde von 1979 bis 1983 produziert und ist vor allem durch ihren Einsatz bei „Tainted Love“ von „Soft Cell“ bekannt geworden. Der Clapsound wird durch ein Impulssignal als Trigger und Weißes Rauschen erzeugt, wobei die beiden Signale in ihrem Verhältnis gemischt werden können: „You could plug a mic into it and have a source-signal, a snare drum for example, trigger the ‚claps‘ or plug in a non-latching foot-switch and do it yourself manually.“ (Interview mit Jonas Wårstad) Cann nutzte meist die Option eines Fußschalters und konnte so seinem Schlagzeugspiel einen weiteren Sound zufügen.
Roland TR-77 und CR-78
Die TR-77 wird von vielen Roland-Fanboys für ihren wirklich sagenhaft kraftvollen Sound besonders geschätzt. Aber davon mal abgesehen, war sie ziemlich „basic“: „No memory, no tempo display, no individual outputs, no programmability! It was incredibly primitive by today’s standards but at the time, this was about as high-tech as you could get for a drum machine.“ (Interview mit Warren Cann, 13.10.2010, The Electricity Club)
Die Roland CR-78 habe ich auf Amazona.de bereits ausführlich vorgestellt. Diese Drummachine besaß die damals bahnbrechende Möglichkeit, insgesamt vier eigene Rhythmen abzuspeichern. Das Einspielen der Rhythmen freilich war umständlich, fehleranfällig und konnte jeden Ungeduldigen leicht um den Verstand bringen. Warren Cann hatte viel Spaß daran: „The drum machine I started off with was the Roland TR77, quickly followed by the CR78 Compurhythm. Its programming facility was a step ahead of anything else available at the time, but it was so limited, so inherently awkward to program. Then again, it enabled me to do Vienna.“ („Love’s great adventure – Ultravox“ in Electronics and MusicMaker, Oktober 1984)
Ultravox „Vienna“ – Dam da dadam
Tatsächlich ist die pochende CR-78 Bassdrum entscheidend für die spezielle Magie des Titelsongs „Vienna“. Dieses unvergleichliche „Dam da dadam“. Für den donnerartigen Effekt, der wie ein Echo das Bass Pattern beantwortet, verwendete Warren Cann einen Synare III Drum Synthesizer. Der Synare wurde ab Mitte der 70er Jahre von der Firma Star Music hergestellt. Die Sounds wurden über Pads getriggert. Cann liebte es, seine Drummaschinen durch alle möglichen Effektpedale zu schicken: Hall, Echo, Chorus und Flanger. Sogar die Ludwig-Drums wurden ab und an mit einem Verzerrer angereichert, um den Sound etwas härter zu machen. „There wasn’t much we wouldn’t put through a guitar FX pedal just to see what it would sound like. We generally preferred to do this at source, rather than afterwards via the desk. There was a great deal of E.Q used on the drum machine parts.” (Interview mit Jonas Wårstad)
Spielt der eigentlich?
Auf der Bühne musste Cann oft damit kämpfen, dass das Publikum gar nicht recht erkannte, was er da machte, wenn er seine Drumcomputer bediente. Also wechselte Cann die Holzgehäuse gegen durchsichtiges Plexiglas aus und baute Dutzende LEDs ein, woraufhin die Dinger blinkten, wie eine Modelleisenbahn an Weihnachten: „absolutely useless, but very impressive looking on a darkened stage; now it would be obvious I was actually doing something.“ (Interview mit Jonas Wårstad) Aber Cann nahm nicht nur kosmetische Veränderungen vor: Er wollte Einzelausgänge, das Tuning und Decay der Sounds beeinflussen und einige andere Anpassungen: „I was able to harden the bass drum and snare (something I always trying to find ways of doing with this ’soft‘ sounds)“. (Interview mit Jonas Wårstad)
Garantie erlischt bei Öffnen des Geräts
Bei Roland waren sie entsetzt und untersagten ihren Service-Technikern, Cann bei seinen aberwitzigen Eingriffen in ihre Geräte auch noch zu unterstützen. Ich denke aber, das Management hat bei aller Entrüstung seine eigenen Schlüsse aus Canns „Customisations“ gezogen. Man schaue sich nur die TR 808 an ;-) Warren Cann ist kein Drummer, der sich in wilden Soli verliert, sondern dem es sichtlich Freude machte, wie ein Metronom zu gleichmäßig puckernden Minimoog-Achteln zu spielen. Warren, der selbst über ein fast schon roboterhaft anmutendes Timing verfügte, ergänzte die Computerbeats auch gerne mit Triolen oder einem Crescendo auf seinem Drumset. Und das lange bevor eine Linn oder Drumtraks zu Verfügung standen, auf denen sich so etwas programmieren ließ.
Kleine Modifikationen
Eine der größten Probleme beim Live-Einsatz der CR-78 ist, dass sie zwar einen Temporegler besitzt, aber keinerlei Tempoanzeige. Sie musste aber synchron zu den vom LFO des Minimoogs erzeugten Achteln laufen. Da kann man nicht mit unterschiedlichen Tempi starten und dann im Laufe des Songs versuchen, das Ganze „zurechtzuruckeln“. Cann löste das Problem durch einen Spannungsmesser, der mit einer LED-Anzeige versehen war, und mit der Tempokontrolle der CR-78 verbunden wurde. Bei den Proben wurde das perfekte Tempo und der damit korrelierende Spannungswert notiert: „If ‚Mr. X‘ was, say, 11.42 v then all I had to do ‚live‘ was set it so the volt-meter read 11.42 v and the song would start at pretty much the right speed. We Gaffa taped the meter to the top of the drum machine, not an elegant solution overall but it worked.“ (Interview mit Jonas Wårstad)
Ultravox „Vienna“ – Wenn die Drummachine verrückt spielt
Cann entwickelte während der Arbeit am Nachfolgealbum „Rage in Eden“ auch eine Möglichkeit, mit den Drum-Maschinen die Achtelimpulse des Minimoogs in der Art eines einfachen Sequenzers zu triggern. Dadurch bekamen die von Cross gespielten Basspattern ein synkopisches Feeling. Alle diesen kleinen Tricks halfen aber nichts, wenn die CR-78 plötzlich die im Memory gespeicherten Rhythmen „vergaß“. Oder sie plötzlich verrückt spielte – wie bei einem denkwürdigen Konzert im Hammersmith Odeon geschehen. Gerade als Billy mit seinem Violinen-Solo bei „Vienna“ begonnen hatte: „It started pouring out about six different rhythms simultaneously and all at double oder triple tempo. I was aghast and froze, all I could do was just stare at the thing in horror“, beschreibt Warren Cann diesen Albtraum im Interview mit Jonas Wårstad.
Warren Cann – Der Tüftler bei Ultravox
Warren Cann steht in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal etwas im Schatten von Midge Ure und Billy Currie. Völlig zu Unrecht! Bei Vienna hat er etwa die Hälfte der Lyrics beigesteuert und bei „Mr. X“ auch die Leadstimme gesungen. Vor allem aber hat Warren Cann Drumcomputer in der Rockmusik eingesetzt, als diese noch furnierte Kästen waren und meist auf den Orgeln von Alleinunterhaltern in Hotel-Restaurants einstaubten. „Shedding the sweat and armbands image of the rock drummer, he became the metronomic meister of the rhythm box.“ (The Electricity Club)
Cann ist Kanadier, er wurde in Victoria, British Columbia geboren. Er zeigte schon als Jugendlicher großes Interesse an Musik und Elektronik. Nachdem er in Vancouver mit ein paar Bands gespielt hatte, übersiedelte er 1972 nach London. Dort lernte er John Foxx kennen und stieg in dessen Band Tiger Lily ein. 1976 wurde die Band in Ultravox! umbenannt. Cann schwebte ein völlig neuer Schlagzeugsound vor. Etwas Maschinenartiges und Avantgardistisches. John Foxx war davon begeistert. Wie sehr er bei Warren Cann Honig gesaugt hat, merkt man auf seinem ersten Soloalbum „Metamatic“, das ganz auf den Sound einer Roland CR-78 aufgebaut ist.
Der Rauswurf
Später versuchte Cann den Ultravox-Sound noch stärker Richtung Automatisierung zu treiben, wie auf „Lament“ von 1984 deutlich zu hören ist. Eine als „iron lung“ bezeichnete Konsole, in der Drumcomputer, Sequenzer und ein Mischpult integriert waren, sollte das gute alte Schlagzeug überflüssig machen. Die Band wollte dagegen anscheinend lieber „back to the roots“. Dazu kam, dass Warren Canns ausgeprägtes Schlafbedürfnis (Nickname Mr. TseTse) die Toleranz der übrigen Bandmitglieder auf die Probe stellte. Vielleicht Gründe, um sich mal in die Haare zu kriegen. Aber musste man deswegen ein Bandmitglied der ersten Stunde vor die Tür setzen? Canns Rauswurf 1986 war ein dunkler Moment in der Geschichte von Ultravox.
Ultravox am Tiefpunkt
Allerdings kann Cann dafür sogar dankbar sein. So war er wenigstens nicht mehr an dem Album „U-Vox“ beteiligt, das zum Grabstein von Ultravox werden sollte. Das Album klingt streckenweise wie schlechte Musical-Musik („All in one Day“). Die Musiker gingen nach diesem sichtlich uninspiriertem Aufguss mit Big Band-Bläsern, Disco-Chor („Same old story“) und Military Drums („All fall down“) getrennte Wege. Im Nachhinein kann oder will sich niemand so genau erinnern, was letztlich den Ausschlag für den Rausschmiss von Warren Cann gab. Dass es ein Fehler war, hat Midge Ure in seiner Autobiographie „If I was“ immerhin unumwunden zugegeben: „cutting the band’s jugular vein“. Für Cann war es ein Karriereknick, Chrysalis wollte sein Solo-Projekt nicht veröffentlichen. Es klang der Plattenfirma zu sehr nach Iggy Pop, was Cann aber als Kompliment aufnahm.
Reunion
Warren Cann arbeitete zunächst als Sessionmusiker unter anderem für Kim Wilde, kümmerte sich um Nachwuchsgruppen, spielte in den Bands „The Sons of Valentino“ und „The How Lloyd-Langton Group“ und ging schließlich nach Los Angeles, um seine Brötchen mit Filmmusik zu verdienen. Manche Wunden können zum Glück geheilt werden. Wenn man geduldig ist. Bei der Reunion der Band nach 23 Jahren war Cann wieder mit dabei, absolvierte die glorreiche „Return to Eden“-Tour und spielte auch beim Album „Brilliant“ mit. Canns Erfahrungen mit Ultravox sind also durchwachsen. Aber wenn man ihn heute fragt, was der großartigste Moment war, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten: „Still, if I had to pick just one… I’d say when I played the ‘Vienna’ rhythm to the band and said: ‚How about this?'“ (Interview mit Warren Cann, 13.10.2010, The Electricity Club)
Passing Strangers war die zweite Single, die aus dem „Vienna“-Album ausgekoppelt wurde. Die Band produzierte dazu auch ein Video.
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Berühmte Produzenten
Mit Produzenten ist es immer so eine Sache. Ein berühmter Name ist jedenfalls keine Garantie dafür, dass aus der Zusammenarbeit ein überragendes Kunstwerk entsteht. Ultravox hat da durchaus unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Mit Conny Plank lief es großartig. Über ihn sagt Midge Ure in Stephan Planks ARTE-Dokumentation „Conny Plank – Mein Vater der Klangvisionär“ voller Bewunderung: „Er sprach und dachte in Klängen.“ Brian Eno dagegen scheint Ultravox keinen so großen Mehrwert geboten zu haben. Dabei war die Band ausgesprochen scharf darauf, gerade ihn als Produzenten ihres ersten Albums „Ultravox!“ zu gewinnen, sagt Warren Cann: „For our part, we were keen to work with Eno as our impression of him was that he was a real studio wizard completely au fait with all manner of exotic recording techniques.” („A Conversation with Warren Cann“, Electrogarden.com)
Enos Stempel
Bald bemerkte die Band, dass Eno mehr an dem Prozess interessiert schien, als an dem Resultat. Solange es nur um das Aufnehmen ging, konnten die Musiker damit ganz gut umgehen, aber als es ans Mixen ging, sah die Sache schon anders aus. „We gave him carte blanche to mix some of the tracks and ended up not liking what we heard at all.” Die Musiker waren zu diplomatisch, um ihre Enttäuschung rundweg zuzugeben: “We were to embarrassed…to offend him by telling him we weren’t about to use any of his mixes. So, we didn’t and we didn’t.” (Electrogarden.com) Als die Platte dann herauskam war die Band nicht wenig erstaunt, als einige Kritiker anmerkten: „Diese Musik trägt den unauslöschlichen Stempel Brian Enos.“
Ultravox „Vienna“ – Produktion bei Conny Plank
Nachdem Ultravox die Tracks zu „Vienna“ in London aufgenommen hatten, fuhren sie ins 35 Kilometer von Köln entfernte gelegene Wolperath. Dort lag in einem bäuerlichen Anwesen „Conny’s Studio“. Warren Cann fasst die Zeit im Bergischen Land bündig zusammen: „The Mixing sessions at Conny’s studio took us about two weeks, there was a good atmosphere and work went very smoothly.“ (Interview mit Jonas Wårstad) Ultravox fühlten sich wie zu Hause. Immer 16 Uhr versammelten sich Musiker und Familie um den großen bumerangförmigen Tisch in der Küche zum gemeinsamen Essen. An diesem Tisch wurde auch viel diskutiert darüber, wie die Musik klingen sollte. Conny schätzte es, das gewünschte Ergebnis zu antizipieren, bevor er dann im Studio loslegte.
Musik aus dem ehemaligen Schweinestall
Das Studio von Conny Plank war etwa 45 Quadratmeter groß und befand sich im ehemaligen Schweinestall des Gehöfts. Der Regieraum besaß die Größe eines mittleren Wohnzimmers. Im Sommer 1976 hatte ein Fachblatt-Redakteur das Studio besucht und beschrieben: Damals wurde Conny’s Pult Marke Eigenbau gerade von 20 auf 30 Kanäle erweitert. Das Mischpult besaß stimmbare Filter, sechs Einspielwege, Quadrosummenverteilung, sechs verschiedene Begrenzer und mehrere Spezial-Entzerrer. Der Klangcharakter war auf „warm“ abgestimmt. An Bandmaschinen gab es eine MCI 16-Spur-Bandmaschine mit dbx-Rauschunterdrückung, zwei amerikanische Scully-Maschinen (Kult!) und zwei Revox A 77. Dazu kamen an Effektgeräten unter anderem zwei Digital Delays, zwei EMT-Hallplatten 140 und fünf Phaser der Marke Eigenbau.
Lineares Hören
Abgehört wurde über mit Tanoy Gold-Speakern bestückte Boxen, die ein Mitarbeiter aus dem Cornet-Studio in Köln entworfen hatte und denen Plank einen „ehrlichen“ Klang zubilligte. Plank hörte den Mix zusätzlich über eine kleine Anlage und einen hochwertigen Kopfhörer von Koss ab: „Wenn der Sound auf allen drei Anlagen stimmt, dann ist der Toning. zufrieden“, resümiert der Fachblatt-Journalist. Was ihm noch ins Auge stach: „Besonders auffällig sind die Resonatoren, die auch im Eigenbau erstellt worden sind, und die Eigenresonanz verringern sollen. Durch diese Plastik-Resonatoren kann man bedeutend linearer hören als das sonst der Fall ist.“ (Fachblatt-Archiv, Juni 1976)
Als Ultravox 1978 zum ersten Mal mit Conny Plank bei „Systems of Romance“ zusammenarbeiteten, dürfte das Studio noch ziemlich genau so ausgesehen haben. Als sie zwei Jahre später erneut ins Bergische Land kamen, dürfte sich doch einiges in Conny’s Studio verändert haben. Vor allem gab es 1980 auch eine 24-Spurmaschine. Dieter Moebius, der mit ihm beim Elektronik-Duo Moebius & Plank zusammengearbeitet hat, erzählt anerkennend, dass Plank das Schneiden von 24-Spurtonbändern beherrschte.
„Lament“ war das letzte Ultravox-Album in Stammbesetzung . Die Band produzierte es ohne Conny Plank. Das Album enthielt mit „Dancing with tears in my eyes“ ihren größten Hit. Das Abgleiten in teils sehr gefällige Melodien hat mit der Kompromisslosigkeit von „Vienna“ nur noch wenig gemeinsam.
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Orchester durch Verzerrer
Was für Tricks Plank beim Abmischen von Ultravox „Vienna“ anwandte, ist leider nicht überliefert. Welchen Kompressor er nun auf welche Spur legte. Vor allem nichts Spektakuläres, wie es von der Produktion von „U-Vox“ überliefert ist. Da schickte Plank ein sauteures Orchesterarrangement, das der ehemalige Beatles-Produzent George Martin zu „All in one Day“ arrangiert hatte, durch einen Verzerrer. Weil er der Meinung war, genau so müsste das klingen. Midge Ure erzählt dieses Beispiel, das die Experimentierfreude und Radikalität von Conny Plank wunderbar auf den Punkt bringt: „So war Conny, er hat die Dinge in etwas Einzigartiges verwandelt, er war ein Musiker, ein Künstler.“ („Who’s That Man – A Tribute To Conny Plank“, Grönland.com)
Bei „Vienna“ dürfte vor allem das Editing des Titeltracks eine Herausforderung gewesen sein. Wegen der Tempoänderungen wurde der Song in mehreren Abschnitten aufgenommen und musste in Wolperath dann zusammengefügt werden. Warren Cann resümiert die Zusammenarbeit mit Conny Plank in dankbaren Worten: „He was a very patient and talented man. We were fortunate to work with him.“ („A Conversation with Warren Cann“, Electrogarden.com)
Alles klar!
Eine Idee, die in Wolperath geboren wurde, war es, eine deutschsprachige Version von Mr. X zu produzieren. Herr X war eine Verbeugung vor den zahlreichen deutschen Fans der Band. Conny Planks Frau Christa überprüfte die Übersetzung von Warren Cann, Plank selbst half ihm während der Aufnahme mit der korrekten Aussprache. Es gibt noch ein weiteres Stück mit deutschem Titel: „Alles klar“ – ein Instrumental, das als B-Seite der vierten Singleauskopplung „All stood still“ diente. „Alles klar!“ war eine stehende Redewendung Conny Planks.
Ich mag Synthesizer, wenn sie wie Synthesizer klingen
Anders als etwa bei Produzenten wie Trevor Horn oder Stock, Aitken & Waterman kann man wohl nicht von dem typischen Conny Plank-Sound reden. Für den deutschen Kraut-Rock und für Electronic Rock war er sicher einer der einflussreichsten Produzenten überhaupt. Auf Herbert Grönemeyers Grönland-Label ist eine Vierer-CD-Box erschienen, die einen Ausschnitt aus seinem Werk bietet.
In einem begleitenden Essay zitiert Albert Koch Planks Ansichten zu elektronischer Musik: „Ich mag Synthesizer, wenn sie wie Synthesizer klingen, nicht wie natürliche Instrumente. Wenn Du eine Drummachine in der elektronischen Musik benutzt, ist das okay, aber nicht wenn die Maschine vorgibt, ein Schlagzeug zu sein.“ („Who’s That Man – A Tribute To Conny Plank“, Grönland.com) Hier ist der gemeinsame Nenner mit Ultravox überdeutlich zu erkennen. Die Band und ihr Produzent sprachen die gleiche Sprache.
Pilgerstätte Wolperath
“He was much different to other producers I had worked with before because he was constantly musing over sound. He created wonderfully unique atmospheres”, sagt Midge Ure. (Rezension zu „Who’s That Man: A Tribute to Conny Plank“, Digital Berlin 08.02.2013).
Connys Ruf, „wunderbare einzigartige Klänge“ zu produzieren, sprach sich schnell herum. So wurde Wolperath ab Mitte der 70er Jahre zu einem Pilgerort vieler Bands, die ausgetretene Pfade verlassen wollten. Conny Plank hat u. a. mit Kraftwerk, Neu!, La Düsseldorf, Kluster (später Cluster) und Michael Rother zusammengearbeitet. Er hat Can produziert und Ash Ra Tempel, aber auch die Scorpions, Brian Eno, DAF, Ultravox, Devo, Eurythmics und Gianna Nannini.
Goldene Schallplatte auf dem Klo
„Dein ist mein ganzes Herz“ von Heinz-Rudolf Kunze war in Deutschland ein Nummer 1-Hit. Die Goldene Schallplatte hat Conny Plank neben den anderen im Gäste-WC aufgehängt. Und das war mehr als nur ein Gag. Wenn eine Band zu bekannt wurde, verlor er das Interesse. Auch wenn es abgedroschen klingt: Kommerzieller Erfolg war für ihn zweitrangig. Große Namen beeindruckten ihn schon mal gar nicht. So handelte sich David Bowie einen Korb ein und wusste gar nicht recht, wie ihm geschah. Wie – der Meister hatte andere Verpflichtungen und für ihn keine Zeit?
Ich kann mit Bono nicht arbeiten!
U2 hatten sogar schon an dem berühmten Küchentisch in Wolperath gesessen, der Musikgeschichte geschrieben hat und heute im Rock- und Popmuseum in Gronau steht. Doch dann brüskierte Bono den bedachtsamen Conny Plank und posaunte auf einer Konzertbühne auf der Loreley aus, dass Plank ihr neuer Produzent werden sollte. Dabei hatte der Meister sich doch Bedenkzeit ausgebeten und sagte nach dieser Indiskretion folgerichtig ab: „Ich kann mit diesem Sänger nicht arbeiten.“ Wenn Conny das Gefühl hatte, da suchte nur jemand einen Dienstleister, war er weg.
Der naive Moment von Unschuld
Diese Probleme hatten die höflichen und bescheidenen Musiker von Ultravox nicht. Bereits seit den Tagen von „Systems of Romance“ waren sie und Conny Plank ein Herz und eine Seele, erinnert sich Warren Cann: „After the first two albums we started working with Conny Plank. Conny was really just an astounding engineer, though he does do some production work with other people. The chemistry he had with us was such that we felt he was doing more than is required in an engineer’s role, so we gave him the same co-producer’s credit that Brian and Steve had had.“ (Electronics and Music Maker, Oktober 1984)
Conny Plank hat seine Auffassung davon, was einen guten Produzenten auszeichnet, im Februar 1982 in einem seiner seltenen Interviews dem Musikexpress erzählt: „Die Aufgabe des Produzenten, wie ich den Job verstehe, über die Technik hinaus, ist hier eine völlig angst- und vorbehaltsfreie Atmosphäre zu schaffen, den ganz naiven Moment von „Unschuld“ herauszufinden und dann rechtzeitig auf den Knopf zu drücken, damit der Augenblick festgehalten wird. Das ist alles. Alles Übrige kann man lernen, ist Handwerk.“
Kann er singen oder muss er singen?
Wir ahnen, dass Conny in diesem Zitat die Bedeutung seiner Rolle doch sympathisch untertreibt. Denn natürlich war er auch ein Tüftler, der Mischpulte modifizierte und Studiogerätschaften selbst baute. Stundenlang hatte er beim Kraftwerk-Album „Autobahn“ am Sound der vorbeirauschenden Autos gefeilt. Er suchte immer die Herausforderung, das Außergewöhnliche. Was er verabscheute: Langeweile, Schema F, auf Nummer sicher gehen. Bei Sängern stellte er gerne die Frage: „Kann er singen oder muss er singen.“ Richtig interessiert war er meist dann, wenn die Antwort lautete: „Er muss!“ Vielleicht waren auch deshalb Bowie und Bono nicht so sein Fall. Denn die konnten singen. Der Musiker und stellvertretende Hörfunkdirektor des WDR Jochen Rausch bestätigt das: „Ihm waren Leute, die an die Grenze dessen gingen, was sie konnten, lieber als Leute, die mal dies und mal das machten.“ („Als U2 aus einer Küche in Wolperath flogen“, Die Welt, 07.04.2013)
Ultravox „Vienna“ – „Well, sing it then!“
Interessanterweise mischte sich Plank in die rein musikalischen Belange praktisch gar nicht ein. Midge Ure war deshalb sogar verunsichert. Von anderen Produzenten war er es gewohnt, dass sie auch bei den Arrangements der Songs ein Wort mitsprachen. Conny Planks Sohn Stephan erzählt, dass sein Vater in so einem Fall zu sagen pflegte: „Das müsst ihr schon selber machen. Ihr seid die Musiker.“ (Die Welt, 07.04.2013)
Manchmal aber konnte er auch sehr entschieden auftreten. Billy Currie erzählt, wie er bei seinem „Vienna“ -Solo den deutschen Komponisten Max Reger imitiert hätte. Mit ganz viel Vibrato und romantischem Schmelz: „Midge felt a little uncomfortable, because he only just joined and thought we were being arty-farty. ‚This means nothing to me,‘ he said. And Conny Plank, our producer, replied: ‚Well thing that then!“ (How we made Ultravox’s Vienna, The Guardian)
Und noch einmal „Vienna“ – hier eine Live-Aufnahme in der St Albans City Hall in St Albans, Südengland am 16. August 1980.
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Ultravox „Vienna“- „Shaddap your face“ verhindert No. 1-Hit
Am 11. Juli 1980 wurde das Album veröffentlicht. Es erreichte in Großbritannien Platz 22 der Albumcharts. Etwas enttäuschend war das Abschneiden der ersten Singleauskopplung „Sleepwalk“, die nur Platz 29 erreichte. Chrysalis schob „Passing Stranger“ nach, dem mit Platz 57 ebenfalls kein Erfolg beschieden war. Nach dem Motto, jetzt ist ohnehin nichts mehr zu retten, gab das Label dem Drängen der Band nach und veröffentlichte Vienna als dritte Single. Freilich eine gestutzte Version: “ I was surprised it was a hit because it was long – when we went on Top of the Pops, we had to cut it. It went straight from the chorus to the violin solo. I hated that“, erinnert sich Billie Currie: „Sadly, Vienna didn’t go to No. 1. We were denied the top spot by the novelty hit Shaddap your face.“ (How we made Ultravox’s Vienna, The Guardian) Das war schon ein Jammer: Erst blockierte John Lennon mit „Woman“ die Topposition und dann sprang plötzlich Joe Dolces Eintagsfliege auf Nummer 1. Bei den Brit Awards 1981 heimste Vienna dann den Titel „Single of the year“ ein. Und im Windschatten von „Vienna“ schaffte es „All stood still“ auch noch in die Top Ten.
Ultravox „Vienna“ – Die Stimme der Kritik
Die Kritiken waren durchwachsen. Die in „Sounds“ fiel geradezu euphorisch aus: „I dare you to find another band who can mix Euro systems-rock, electronics, Can’s fairground style and English music with such panache.“ Der Record Mirror billigte „Vienna“ zwar handwerkliche Qualität zu. Die Musik aber ließ den Kritiker ziemlich kalt: „Vienna is full of conventional electronic rock songs which are beautifully executed but never inspiring.“ Der New Musical Express empfand Phantomschmerzen und vermisste den alten Frontmann von Ultravox: „songs that replace Foxx’s elliptical imagery with clumsily verbose descriptions of similar scenery.“ Der Kritiker gab gemeinerweise zu verstehen, dass Ultravox mit Vienna wohl Erfolg haben würden: „unfettered of Foxx’s commitment, they’re free to compromise themselves a touch to suit contemporary tastes.“ Midge Ure hatte Ultravox ja mal ironisch als „Hausfrauenmusik“ bezeichnet. Aber das war nach Vienna. Der Melody Maker druckst eine Weile rum, kommt dann aber doch zu einem positiven Fazit: „Ultravox deserve success. This should do the trick.“ (Quellenangaben zu den Kritiken auf Wikipedia)
Mit dem Abstand der Jahre fällt das Urteil immer noch gespalten aus. „Q“ urteilt 2008 über die Deluxe-Ausgabe von Vienna „sounding as cold and artificial as ever“. Ein versöhnliches Fazit zieht dagegen AllMusic: „A few albums later, it would all seem like a fluke, but on Vienna, all the pieces come together.“
Heiland! Da schaut man mal vorbei um kurzweilig etwas zu einem Song zu lesen und bekommt am Ende einen Überblick der zeitgenössischen Korona um das Ganze Projekt, inklusive weitreichender Anekdoten. Danke dafür!
Heute gleich der zweite Costello – Gratulation. Überhaupt ein gelungenes Samstags-Trio, zusammen mit dem Effekt-Highlight vom swissdoc heute Morgen !!!!
@Rob.D.N. Jetzt müssen wir nur noch rauskriegen, ob Ultravox irgendwann mal das Sony DRE-2000 eingesetzt hat ;-)
Ich bin tief beeindruckt!
@TobyB Merci Toby!
@costello Hallo Mr. C,
Bitte. es ist sehr plastisch geschrieben! Man fühlt den kalten Wind am Theater des Westens.
Zu Ultravox habe ich eher eine distanzierte Beziehung, ich habe die bei Live Aid im zarten Alter von 14 das erste mal bewusst war genommen, Und danach bis auf Dancing with Tears in my Eyes und Vienna aus den Augen verloren. Ich habe die später erst wieder entdeckt als ich eine Platte von Visage in den Händen hatte und mich dann massiv für British Punk, Electro und Goth interessierte.
@TobyB Übrigens Toby ist Dir aufgefallen: Dr. Who wird wieder zitiert. Wenn der Name fällt, muss ich immer sofort an Dich denken :-)
@costello Dazu passt genialerweise, dass in der Folge „Cold War“ ein älterer russischer U-Bootfahrer vorkommt, der Ultravox vergöttert. Er läuft u.a. mit Walkman durchs Boot, laut „Oh, Vienna“ singend – und die erste Frage an den Doctor und seine Begleiterin nach deren plötzlichem Auftauchen (pun intended) ist die, ob es stimme, dass sich Ultravox aufgelöst hätten…
https://m.youtube.com/watch?v=USV8E-zrl7k
Wow, was für ein fundierter Artikel – vielen Dank dafür! Auch für mich gehört „Vienna“ zu einem der ganz großen Elektroalben.
Du schreibst ganz richtig, dass Billy Currie 1979 mit Gary Numan tourte. Dazu möchte ich unbedingt ergänzen, dass es von dieser „Living Ornaments“ betitelten Tour ein grandioses Doppel-Album gibt: Auf dem ersten Album (welches den 79er Tourabschnitt abbildet) hört man Billy Currie im Zusammenspiel mit Numans langjährigem Keyboarder Chris Payne. Was einem dabei zu Ohren kommt, dürfte jeden Synth-Nerd demütig und dankbar auf die Knie sinken lassen: Hier erklingen satte Oberheims, Moogs, Arps und Rolands und (besonders hervorzuheben) eines der besten Synthesizer-Solos, welches von Currie je auf Platte gepresst worden ist: Am Schluss des Covers von „On Broadway“ lässt Currie seinen Arp minutenlang in seine für ihn so charakteristischen Sirenen fräsen, dass ich mir jedes Mal wünschte, er würde noch fünf Minuten weiterspielen. Selbst Numan schien so beeindruckt, dass er Currie nach dem Stück explizit dankte! Ganz grosses Hörkino!!
@PanAtlantik Danke! „On Broadway“ habe ich mir gleich mal reingezogen. Sehr genial, dabei ruhiger als manche Currie-Soli bei Ultravox.
O man. Ich bin selten sprachlos aber das hast du geschafft. Das ist kein Bericht, das ist ein Buch über Ultravox. Nein, das ist eine Liebeserklärung an eine der coolsten und einflussreichsten Bands der New Wave Ära. So viel Arbeit und so interessant zu lesen. Ich bin tief beeindruckt. Danke dafür.
Danke Marko! Ultravox war damals für mich eine ganz große Sache. Mir haben sie sogar immer etwas besser gefallen, als reine Synthesizerbands wie Human League – mit Ausnahme vielleicht von Depeche Mode. Na und was die Liebeserklärung angeht – das sind Deine Sound-Tutorials doch allemal :-)
Midge Ure kommt übrigens im Dezember mit einer Vienna-Complete Album- Tour nach Deutschland, dazu gibt’s Highlights aus der Visage-Zeit. http://www.midgeure.co.uk
Hervorragender Artikel, Kompliment!
Bei mir hats mit Ultravox lange gedauert, bis ich damit warm wurde. Anfangs war das für mich nur Synthiepop, aber ich habe nach vielen Jahren reingefunden und mag die Musik jetzt sehr gern.
Mein Einstieg in den Britischen Synthsound und Wave war Warm Leatherette, das lief bei mir/uns/im Club rauf und runter. So genial.
„See the breaking glass In the underpass “
Von Warm leatherette gibt es auch eine schöne Fassung von Grace Jones.
„Ob Currie damals schon den Yamaha-E-Flügel CP-70 spielte oder das elektrische Klavier CP-30, das weiß ich nicht mehr genau.“ — Das macht nichts, denn wahrscheinlich standen da ohnehin beide.
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„Zusätzlich wird der Synthesizer durch einen Flanger (wohl MXR) und ein Verzerrer-Pedal geschickt – die „Electric Mistress“ von Electro Harmonix – und über einen Gitarren-Amp gespielt.“ — Die Electric Mistress ist ein Flanger, die Zerre von EH war der Big Muff. Oder der Hot Tubes.
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Am SS-30 durfte ein E-1010 Analogdelay in der Regel nicht fehlen, wenn der Ultravox-Sound vollständig sein sollte.
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Danke für die Richtigstellung mit der Electric Mistress. Iggy, Du bist mein Lektor h.c. :-)
@costello h. c. = humoris causa.
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Stets zu Diensten und allzeit breit.
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mit dieser hervorragenden dissertation ist ja wohl klar: du musst deinen usernamen in Dr. Costello ändern ;)
zusammen mit swissdocs dre-2000 artikel hat die „nerdensity“ bei amazona ein beindruckendes niveau erreicht. applaus.
lediglich dein angedeutetes unbehagen bzgl. „dancing with tears in my eyes“ könnte eine leicht miss-stimmung bei mir erzeugen, denn dieser song traf meinen pubertierenden weltschmerz damals mitten ins herz…und dieses gefühl kann er auch heute noch jederzeit wieder aktivieren (gerade bei youtube ausprobiert :))
ach ja, solche arbeiten erzeugen natürlich begehrlichkeiten; meine liebste englische band aus dieser zeit war und ist heaven 17 ( die damals natürlich auch den grundstein für mein roland-fanboytum legten)…also, wie wärs? wobei, da fällt mir ein, das wäre wahrscheinlich eher tobys baustelle…
was mich als ex-berliner natürlich auch noch brennend interessiert: in welchen diskotheken hast du dich denn damals so rumgetrieben und vor allem in welcher wurde denn vienna gespielt? im far out? :D
@dilux Hi dilux, „dancing with tears in my eyes“ mag ich doch auch :-) Auch wenn es wohl diese Phase war, die Midge Ure dann als „Hausfrauenmusik“ bezeichnete (was immer das sein soll). Nach den Diskotheken darfst Du mich gar nicht fragen. Ich trug in den 80ern einen asymmetrischen Haarschnitt und habe mich teils in Popper-Dikothethen wie dem Madow und dem Sugar Shack rumgetrieben. Letztere Diskothek spielte viel New Wave, „Vienna“ lief in jedem Fall auch im Space am Kaiserdamm. Beim Linientreu im Bikini-Haus bin ich mir da nicht so sicher, die spielten härtere Sachen, passend zur Deko aus Bundeswehrtarnnetzen. Dann war ich noch im Treibhaus, dann später Far Out, im Tolstefanz und im Ballhaus Spandau. Und natürlich im Dschungel in der Nürnberger Straße :-)
@dilux Hallo Dilux,
ich kann zu Heaven 17 nicht viel beitragen, ich hab zwar einige Scheiben. Hab die aber nie live gesehen, nur Martyn Ware. In den Achtzigern und Neunzigern hättest du mich eher in Indie Schuppen gefunden. Das was dann später Alternative wurde. Ich fand und finde Musik gut, wenn sie Grenzen sprengt. Trevor Horn und ZTT waren neben Rough Trade und SPV immer die Label bei denen musikalisch was ging. Nur über Frankie goes to Hollywood und Propaganda z.b. zu schreiben, ist schwierig. Holly Johnson sagt nur, we were so young… Und Propaganda noch schwieriger. Siehe auch Prozesse und Verfahren die da geführt wurden vs. ZTT.
WOW, das ist kein Artikel, das ist eine Masterarbeit, fast schon die Grundlage eines Buches. Vielen Dank!
(Besonders bemerkenswert finde ich bei diesem und ähnlichen Artikeln die Korrektur des „Allgemeinwissens“ aus BRAVO, Spex und Plattenlabelstories.)
@teofilo Danke! Hoffentlich kurzweiliger zu lesen als eine Masterarbeit ;-)
Servus Costello
Vielen Dank für diesen umfangreichen Bericht. Einfach genial und interessant geschrieben.
Bitte nicht als Kritik an diesem wunderbaren Artikel verstehen, aber das Bild von der UAD EMT 140 Hallplatten-Simulation tut etwas in den Augen weh. Conny Plank hatte sicher eine echte, oder?
@swissdoc War auch mein Gedanke — „komische Bedienoberfläche für eine 140, so kenne ich die ja gar nicht. Ach so, plag-ihn…“
@swissdoc Laut Ansage des Fachblattredakteurs hatte Conny damals sogar zwei und 1976 sicher noch nicht UAD ;-) Mein eigenes Fotoarchiv enthält leider nur die EMT 250.
@costello Ich hätte wetten können, dass du auch Mitglied in Docs, PSV-DDVs EMT Fanclub bist ;-)
@TobyB Stimmt Toby, die besitzen beide eine sehr exquisite Sammlung von Hallgeräten- aber eher die digitalen Teile. Ob da auch Plattenhall dabei ist, wage ich mal zu bezweifeln.
@costello Also wenn ich wüsste wohin und wie ich das hoch bekomme hätte ich auch sowas ;-) Solange sammel ich ich lieber begrenzt andere Vintage FX. Hab am Wochenende mein viertes FX Rack in Betrieb genommen, mit BOSS SE 70, Boss SE 50 , Roland SDE 2000, Roland SRV-2000 und Korg SDD 2000 mit halbnormalisierter Patchbay und hintenraus BBE Sonic Maximizer 482i. Funktioniert ganz gut :-)
@TobyB Ich habe neulich von Marko ein ganz tolles Jupiter-4-Video (wirklich markerschütternder Sound) gesehen und da schreibt er, dass er es mit dem SRV-2000 verhallt hat. Das steht jetzt auf meiner Shortlist :-) Wie sind Deine Eindrücke? Über den BBE muss ich auch nochmal nachdenken, den hattest Du mir schon vor Jahr und Tag ans Herz gelegt.
@costello Das SRV-2000 ist ein sehr spezieller Raummacher, Aber passt zu Marko und mir. Ich baue ja meine Hall Räume irgendwie nach dem Schema wo stell ich jetzt die Kiste hin und gut ist. Was ich im Vergleich zu Yamaha SPX besser finde, dass der Raum nicht müffelt, will sagen beim SRV-2000 ist der High Damp nicht so ausgeprägt. Wo du beim SRV-2000 drauf achten musst, dass Display und Taster in Ordnung sind, das sind bei denen die Schwachstellen. Im Rack würde ich ihm nach oben und unten eine HE Luft geben. Bei der BBE 482i musst du überlegen ob dir die unsymetrische Variante reicht, ansonsten 882i. Ich bin bei der der Meinung das die in jedes Rack gehört. Der Sound wird es dir danken.
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Was ich an den Kisten SDE-2000 und SRV-2000 gut und praktisch finde, das du die mit geeigneten CVs und Gate steuern kannst. Oder das SDE-2000 hat noch einen Feedback Loop zum einschleifen. Fürs SRV-2000 und Top Zustand hab ich grade mal 60 CHF bezahlt, das war von einem Jazz Gitarristen aus Basel. Habs mit dann bei einer Dienstreise abgeholt.
@TobyB So ein „muffelndes“ Yamaha SPX-90 besitze ich. Den Hall finde ich auch ehrlich gesagt nicht besonders. Der „Symphonic“-Effekt ist allerdings zum Niederknien :-)
@costello Morsche :) , der Symphonic, Flanger und Chorus sind in der Tat zum Niederknien. Wobei der Flanger eben nicht diesen typischen Jet Sound liefert. Nicht vergessen die Delay Sektion, mit dem Trigger kann man schön spielen. Ich nehme die Hall Programme der SPX eigentlich immer dann, wenn ich das High Damp bewusst brauche., für z.B Brass Sounds aus der Moog Mother. Das funktioniert gut. Ich hab mich ja selber angefixt, nachdem ich das SDE 1000 gekauft hab, du meintest ja irgendwann warum Mono. Das hab ich mich dann auf gefragt als ich ein moduliertes Ping Pong brauchte.
@costello ja da stimmt, ich setze für den Hall ausschließlich nur das SRV-2000 ein. Früher ein Lexicon, aber das gefiel mir nicht so. Mein Lieblingshall ist seit langem das SRV. Klingt nach 80er und passt für mich perfekt.
Der Hall auf Deinen Aufnahmen klingt super. Ich werde mal nach einem SRV-2000 Ausschau halten.
@TobyB ja, das rack würde ich auch so nehmen ;) vor allem für alles nicht hallige sind die beiden bosse 2 meiner persönlichen lieblinge; ist wahrscheinlich eh schon auf deiner liste, aber zu den se würde sich noch ein sony hr-mp5 gut machen…wie alle sony-effekte ein wenig schwer zu finden, dafür aber mit echtem sahne-sound!
@dilux Sony hat in der Tat richtig Klasse Multi FX rausgebracht. Nur waren die in Deutschland eher selten anzufinden. Das MP 5 würde ich als Klassiker in der Bedienung bezeichnen. Da hat jemand sich wirklich Mühe gegeben. Aber die Ergonomie bei Sony war bis auf ein paar Ausfälle immer gut. Klanglich ist das MP5 schon gut.
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PS: Mein Rack gibts nicht ;-)
@costello Moin costello,
an der Hallplattenanschaffung bin ich mehrfach ganz knapp vorbei geschrammt. Die Planung für den Kellerstandort und die Bohrungen für die Kabel durch den Studioboden standen schon. Mittlerweile sind mir die EMTs zu teuer geworden und die leichter unterzubringende Goldfolie konnte mich nie begeistern.
Ich hatte mal zwei SRV2000. Tolles hochwertiges Hallgerät, körniger 80ger Sound. Habe die Teile nur verkauft, weil letztendlich das AMS RMX doch immer ein ganzes Stück musikalischer Klang. Wer 80ger affin ist sollte das SRV2000 durchaus in Betracht ziehen. Leider können Reparaturen schwierig werden, aber die Japanischen Geräte aus der Zeit sind extrem robust gebaut. Wichtig: Immer auf genügend Wärmeableitung achten.
Ich hätte fast darauf wetten können, Du Hall-Fetischist :-) Das SRV-2000 hat definitiv etwas. Und was Du über den Preis für die EMTs sagst, gilt für das AMS RMX inzwischen ja auch – in etwas kleinerem Maßstab. Das SRV-2000 kann man mit etwas Glück noch für relativ wenig Geld einsammeln.
Gratulation costello! Was für ein Wochenende auf Amazona. Diese Artikel kann man nicht mal so eben nebenbei weglesen. Daher hier meine späte Danksagung an Dich. Ultravox ist eine meiner Lieblingbands umso mehr war es ein Genuss hier noch so Einiges an Feinheiten zu Produktionsumständen, Techniken und Persönlichkeiten zu lernen, die zum Entstehen dieser Meisterwerke geführt haben.
Insbesondere die Erwähnung des legendären TDW Konzertes in Berlin hat mich sehr gefreut. Diejenigen in meinem Freundeskreis, die das Glück hatten wie Du damals dabei gewesen zu sein bekommen jedesmal feuchte Augen, wenn das Konzert erwähnt wird. Ich habe mir erlaubt den Herrschaften Deinen Artikel ans Herz zu legen.
Danke!!!
Lieben Dank psv-ddv, ich bin ganz froh, wenn meine Beiträge nicht nebenbei weggelesen werden, weil sie sich auch nicht so nebenbei schreiben. Swissdoc würde mir sicher zustimmen. Beim June-60 habe ich ja bewiesen, dass ich notfalls auch kurz kann :-) Ja, Ultravox ist eine ganz besondere Band und hat mein Lebensgefühl damals sehr gut ausgedrückt. Dieses Konzert ist wirklich unvergessen, gerade hat mir ein Uraltfreund und früherer Bandkollege seine Erinnerungen an den Abend auf FB gepostet. Wie heißt es bei Dancing with tears in my eyes? Weeping for the memory of a life gone by. Na ja, noch nicht ganz ;-) Lustig übrigens: In „Stranger things“ feiern die 80er auch gerade ihr Comeback mit Walkie Talkies und Vokuhila-Frisuren.
Wow, was für ein Artikel, habe wieder viel gelernt.
Vielen Dank dafür, das nenne ich mal Qualitätsjournalismus.
Vienna, Rage in Eden und Quartett gehören für mich zu dem Besten was es in dieser Musikgattung gibt.
@0gravity Danke 0Gravity, seien wir nicht kleinlich, packen wir Lament ruhig noch mit auf die Liste. Nicht nur wegen „Dancing with tears in my eyes“, sondern auch wegen „White China“ und dem Titelsong, der freilich etwas an weichgespülte „Japan“ erinnert.
@costello Lament ist natürlich auch eine gute/schöne Scheibe, die ich früher sehr oft gehört habe. Aber schon damals fand ich, dass sie etwas weniger rauh/innovativ/ energiegeladen als die drei Vorgängeralben war, oder wie du es nennst, etwas „Weichgespülter“.
Und während ich die ersten drei UV mit Midge Ure über die Jahre immer wieder gerne in den Player gepackt habe, habe ich mir Lament schon sehr lange nicht mehr angehört.
Ist eigentlich ein guter Anlass das mal wieder zu tun :-)
Lieber Costello, vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel, den ich mit großem Genuß gelesen habe. Chapeau!
@Piet66 Danke Piet66, ich ahnte schon, dass der Artikel etwas für Dich sein könnte :-)
Also erstmal ein Riesen Lob für Deine tollen Berichte Costello.
Mit Ultravox hatte ich bei ihrem Auftritt im Theater des Westens zu tun. Dort war mein Arbeitsplatz in der Lichtregie. Doch mit dem Licht hatte es nur bedingt zu tun. Denn der Gitarrist hatte einen Brumm auf seiner Box die der nicht weg bekam und hatte das Licht im verdacht. Doch dies konnte nicht sein völlig getrennte Stromkreise. Denn es musste damals von draußen ein extra Strom zugeführt werden.
Wir versuchten es mit einer extra Erdung, Eisenkeil in die Erde und darüber geerdet. Nichts, das brummen blieb. Irgendwann nahm ich mit einem Kollegen vom Ton alles auseinander und siehe da irgend eine Box die zwischen allen Verkabelungen war die Ursache also schnell ins Sound- und Drumland eine neue Box geholt und die Show konnte am Abend stattfinden. War im übrigen eines meiner schönsten Konzerte.
@efsieben Das Ultravox-Konzert war in der Tat großartig. Da kann ich nur sagen, herzlichen Dank, dass ihr damals den Brummton gefunden und ausgeschaltet habt. Da hast Du praktisch mitgeholfen, das Konzert zu retten. Aber wie ich schon Deinen Kommentaren zum Bowie-Report entnehmen konnte, warst Du damals mittenmang im Berliner Musikgeschehen :)
Was der Synth da im Refrain von New Europeans macht, kommt im 5.1 Steven Wilson Mix ja mal richtig geil rüber ! Hab mir die 40 Jahre Deluxe Edition gegönnt, ist gerade angekommen und läuft. Bin da vor ein paar Tagen durch einen Artikel in der Welt zum Thema Deluxe Editions allgemein drauf gestoßen. Gestern bestellt und heute da ! Die rehearsal tapes und live CDs usw. brauche ich eigentlich nicht, ich will eigentlich nur die 5.1 Version und die klingt wirklich phänomenal! Gerade auch der 5.1 Mix, wie eigentlich immer bei Wilson, sehr geschmackvoll und meilenweit vom „Dino rennt durchs Wohnzimmer“ Syndrom entfernt.
Ach und dann dachte ich noch so, schau doch mal bei Amazona, ob da nicht schon einer was zu dem album und überhaupt vielleicht hat ja sogar der gute Costello… und er hat ! Und zwar großartig wie immer ! Deine Artikel über das Lamm und Tears for Fears habe ich als PDF auf meinem iPad in der Bücher App. Dieser hier kommt direkt dazu . Lese ich mir immer wieder gerne mal durch.
Wer kann mir denn mal sagen, wer bzw. was da diese seltsamen Sounds im Refrain von New Europeans macht ?
@Engholm Ich würde meinen, das ist ein Synthesizer (Arp Odyssey), der über einen ziemlich heftig eingestellten Flanger läuft.
Die „Making-of“-Reihe hier auf Amazon ist qualitativ sehr durchwachsen, es gibt da Licht und Schatten. Dieser Artikel gehört zweifellos zu den absoluten Highlights. Vielen Dank.
@Dalai Galama Dafür ein herzliches Dankeschön vom Autor, der ein ziemlich großer Ultravox-Fan ist :)
Midge Ure ist ein Typ, mit dem ich echt Probleme habe. Einerseits jemand, von dem ich erwarte, dass er gleich den Trench aufklappt, um mir seine heisse Ware anzubieten, andererseits hat er es geschafft, einen fast klebrigen Song wie Vienna stilistisch gerade so auf der Schneide des Messers zu balancieren. Das heisst für mich auch: stilistisch eine echte Sau und trotzdem immer mal wieder so die Kurve gekratzt. Das Bärtchen und die spitz zulaufenden Koteletten sind echt unterirdisch (und waren es auch damals schon). Aber ich gebe dir recht, es sollte stylisch sein und sich trotzdem unterscheiden, Schwamm drüber. Sehr guter Artikel, Costello.
Was! Ein! Artikel!
Danke dafür, wunderbarer Lesestoff. An das Konzert im Theater des Westens erinnere ich mich auch noch, das war großartig.
@Elmar Danke Elmar! Und ja, das Ultravox-Konzert im TdW ist auch für mich ein unvergessliches Erlebnis :)
Danke für den interessanten, informativen, großartigen Artikel