Golden Age kann auch Black Beauty
Der schwedische Hersteller Golden Age Project, seit über einer Dekade am Markt, startete mit günstigen und viel beachteten Preamps im Neve 1073-Style. Nach und nach ergänzten Kopien klassischer Kompressoren und Equalizern das Portfolio. Auch Mikrofone wurden ins Sortiment aufgenommen.
Seit einiger Zeit fertigt GA unter dem Namen Golden Age Premier auch eine höherwertige und teurere Linie. Neben einer Luxusversion des PRE-73 verschreibt sich die Marke vorwiegend hochwertiger Kopien gesuchter Klassiker des Mikrofonbaus. Bisher erschienen und auch hier bei AMAZONA.de getestet und für sehr gut befunden sind ein Klon des Neumann U-47 und eine Telefunken ELA M251 Kopie.
Nun tritt mit dem GA-800G ein Röhrenmikrofon auf den Plan, das die bisherige Preisgestaltung des Herstellers mächtig sprengt. Festhalten bitte: Knapp 4.000,- Euro soll das neue Produkt kosten. Wir hören und schauen, was wir für vier dicke Scheine geboten bekommen.
Das Original
Das, sagen wir mal, eigenwillige Äußere des GA-800G werden vielleicht nicht viele von uns schon wahrgenommen haben. Das hat seine Gründe.
Das Original stammt von Sony, hört auf den Namen C-800G, wurde 1992 vorgestellt und kostet ca. 10.000,- Euro. Augenscheinlich wurde hier um eine Kapsel im K67-Style ein modernes Mikrofon designt, das schnell im R&B und Rap/Hip-Hop Bereich großen Anklang fand.
In Europa war und ist das Sony eher selten zu finden, da es aufgrund der fehlenden CE-Kennzeichnung nicht offiziell verkauft werden darf.
Auspacken und erster Eindruck
Wie bei Röhrenmikros üblich, kommt ein ordentlich großer Karton bei mir an. Darin befindet sich ein Aluminiumkoffer, der in Formschaum das Mikrofon und die Spinne enthält. Hier hat Golden Age auf ein bewährtes Produkt von Rycote, die USM-VB, zurückgegriffen.
Im Deckel befinden sich das ca. sechs Meter lange 7-Pol-Kabel sowie ein Kabel für das Netzteil. Dieses ist separat in einer Pappbox verpackt.
Ungewöhnlich sieht das Mikrofon schon aus, was hat es damit auf sich? Nun, die Elektronik sitzt ganz normal in der Tube unter der Kapsel, die Röhre ist seitlich ausgelagert. Dahinter sitzen Kühlrippen, das GA-800G wird nämlich flüssig gekühlt. Abgefahren.
An der Vorderseite befindet sich ein Schalter mit dem das Mikro zwischen Niere und Kugel umgeschaltet werden kann. Weitere Möglichkeiten wie PAD oder Low-Cut gibt es nicht.
Was mir gleich nach dem Auspacken auffällt: Die mittenpolarisierte Kapsel sitzt nicht ganz gerade in ihrem Gehäuse, sondern ist um ein paar Grad seitlich verdreht, was ganz gut in der Aufsicht zu sehen ist. Klanglich dürfte das keine allzu großen Auswirkungen haben, aber bei einem Mikro für 4.000,- Euro sollte das meiner Meinung nach nicht vorkommen! Hier scheint die Endkontrolle nicht richtig zu funktionieren.
Grundsätzlich ist das Mikrofon sauber verarbeitet, einige Dinge stören aber schon. So sind die Kühlrippen scharfkantig, beim Original scheinen sie entkantet zu sein. Und die billige Hutmutter am Ende der Kühlung hätte man auch netter gestalten können.
Weiter geht es mit dem Netzteil. Erst mal hübsch anzusehen mit dem Hammerschlag-Lack und dem ledernen Tragegriff. Das passt mit seinem 50/60er Jahre Flair für mich aber optisch nicht zu einem 90er Mikro. Zudem ist es beim genaueren Hinsehen unsauber verschraubt und der Griff weist seltsame Abschleifungen auf und ist vorne rechts eingedellt.
Dazu wirken Buchsen und Stecker eher billig und können wohl nicht mit Neutrik-Qualität mit halten.
Uff, das ist nun nicht der Start, den ich mir für so ein Schätzchen wünsche, machen wir schnell weiter.
Technische Werte des GA-800G
Hier gilt es, auf die Internetpräsenz des Anbieters zurückzugreifen, ein Datenblatt oder eine Bedienungsanleitung liegt der Lieferung leider nicht bei und ist auch nicht als Download vorhanden. Schauen wir uns also die Tech Specs an.
- Microphone Type: Tube Condenser
- Polar Pattern: Cardioid, Omni
- Frequency Response: 20 Hz – 20 kHz
- Max SPL: 137 dB (Cardioid), 140 dB (Omni)
- Output Impedance: 100 Ohm
- Signal to Noise ratio: 76 dB
- Self Noise: 18 dB (A weighted)
- Tube: 6AU6
- Color: Black
Das ist dürftig, kein Frequenzschrieb, kein Polar Pattern. Immerhin erfahren wir bei genauerem Lesen, dass die Röhre aus Frankreich stammt und mit höherer Spannung betrieben wird, was das Kühlsystem notwendig macht. Der Kapselhersteller wird nicht genannt, er soll aber schon seit 20 Jahren in der Herstellung arbeiten. Außerdem verträgt seine Kapsel etwas mehr Schalldruck als das Original.
Das PCB kommt von Rodgers, ist aus Keramik und kostet 20x mehr wie ein normales Board. Ach so, und beim Netzteil hat man nach Hörversuchen die beiden Röhren weggelassen, die im Original verbaut sind. Was nicht da ist, muss nicht gewechselt werden, logisch oder?
Insgesamt lässt der Blick ins Innere aber hochwertige Bauteile und saubere Verarbeitung erkennen. Hier also erst mal Entwarnung.
Soundcheck
Schließen wir das GA-800G schnell an, bevor weitere Unstimmigkeiten auffallen. Aber leider geht es schon wieder los. Die gewählte Rycote Spinne ist eigentlich ein sehr gutes Produkt, das einen prima Job macht. Beim GA-800G liegt aber der Kühlkörper auf den Plastikteilen auf, die hier die Gummis einer üblichen Spinne ersetzen. Das kann nicht Sinn der Sache sein, so ist eine einwandfreie Entkoppelung nicht gewährleistet. Nur wenn das Mikro ganz unten an der Tube angeschraubt wird, schafft man es, ein klein wenig Abstand zu gewinnen.
Für den klanglichen Vergleich kommt wieder mein AKG C414B-ULS mit an den Start, beide sauber eingepegelt am Millennia HV-3C.
Dann gleich der nächste Schock, beim Berühren des Kabels entsteht ein lang nachklingender Resonanzton. Auch beim Anklopfen des Gehäuses oder des Einsprechgitters entsteht dieselbe Frequenz. Da das Geräusch auch auftritt, wenn ich Gehäuseteile dämpfe, rechne ich damit, dass die Röhre schwingt. Wenn ich richtig informiert bin, lässt sich beim Original von Sony die Röhre nicht selbst tauschen, also wird man auch beim GA nicht um eine Einschicken zum Service herumkommen.
Nun denn, versuchen wir trotzdem einen ordentlichen Testablauf hinzubekommen. Ich werde also zunächst gegen das Kabel vom GA und dem AKG klopfen, das ebenfalls in einer Rycote Spinne sitzt. Danach klopfe ich gegen den inneren Ring der Spinne und dann auf den Steg zwischen dem Einsprechgitter des Mikros.
Wie wir hören, ist die Kapsel eigentlich sehr gut gegen Erschütterungen abgeschirmt, aber bei jeder Berührung, egal wo, tritt diese Resonanz auf.
Kommen wir nun aber endlich zum Soundcheck, denn hier gibt es mehr als Positives zu berichten. Mit der Einstellung Niere ist der Klang sehr plastisch und straff, kein Frequenzbereich ist unnatürlich betont. Der Gesamtsound ist sehr homogen und direkt, die Stimme steht weit vorne. Eine besondere Erwähnung verdient der Höhenbereich, die Zeichnung ist sehr fein aufgelöst und bildet auch diesen Bereich schön dreidimensional ab. Insgesamt klingt das GA-800G hier sehr nackt und ehrlich, ohne brutal zu werden.
Das Original von Sony wird sehr gerne von amerikanischen Rappern verwendet und auch hier in Deutschland soll sich das eine oder andere Exemplar in deutschen Hip-Hop Studios finden. Nun bin ich alles andere als Rapper, aber ich erinnere mich an eine Sprechpassage aus einem meiner Songs der frühen 80er. Ich bitte um Nachsicht, die Worte sind nun wirklich schon sehr, sehr alt, aber für die Illustration wohl geeignet. Der Abstand beträgt ca. 35 cm, es werden beide Mikros gleichzeitig und ohne Poppschutz besprochen.
Zunächst das Golden Age Premier.
Nun zum Vergleich das AKG C414B-ULS.
Es ist deutlich zu hören, dass das GA hier weiter vorne liegt. Der Höhenbereich ist offener und bietet eine gewisse Härte, die aber nie unangenehm aufreißt. Das AKG bringt einen dezenteren Klang mit einer weichen Mittenzeichnung. Das ist in dieser musikalischen Richtung nicht so gefragt, das GA-800G macht hier eindeutig das Rennen.
Wie sieht es aber mit ein wenig Gesang aus? Hier eine schnell improvisierte Line ohne Anspruch auf perfekte Intonation.
Das GA-800G …
… und das C414B-ULS
Die unterschiedlichen Charakteristiken bleiben erhalten, nur klingt hier der „Gesang“ beim AKG etwas angenehmer, da er weicher betont wird. Die harten Höhen des GA sind hier nicht mehr ganz angenehm. Die Files wurden aber auch ohne Bearbeitung aufgenommen, mit einem Kompressor im Signalweg würde das sicher anders aussehen. Wieder aber ist das GA durch seine Direktheit näher am Hörer dran. Hier entscheidet also Stimme und Song, was besser passt.
Für den nächsten Test schalte ich beide Mikrofone auf die Kugelcharakteristik. Ich möchte eine kleine Rhythmusfigur einspielen. Dafür gibt ein kleiner Pappkarton auf dem Fußboden die Bassdrum, HiHat und Snare werden mit Shaker-Ei und Klatschen erzeugt.
Hier bringt das AKG die größere Räumlichkeit und auch den natürlicheren Klang zustande. Die offenen Höhen des GA wirken etwas deplatziert.
Das überprüfe ich auch nochmals mit Gesang. Die getragene Melodie kommt eher für Background Vocals in Betracht.
Auch hier gefällt mir das AKG besser, da es mehr Wärme mitbringt und eine größere Räumlichkeit erreicht.
Insgesamt scheint das GA-800G nicht mit allen Anforderungen gleich gut zurechtzukommen, es ist eher als Spezialist zu sehen. Diese Disziplinen, vorwiegend Rap und Gesang, der sehr weit vorne stehen soll und direkt artikuliert wird, meistert das Mikrofon mit Bravour. Dabei ist eindeutig die Nierencharakteristik das primäre Einsatzgebiet.
Nachtrag
Natürlich wird bei solchen Unstimmigkeiten von der Redaktion der Hersteller kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten. Bo Medin, der Gründer von Golden Age, hat sich persönlich darum gekümmert und folgende Punkte geklärt.
- Die schlecht sitzende Kapsel und der gedellte Griff am Netzteil dürfen schlicht nicht sein und werden nicht mehr vorkommen
- Bedienungsanleitung und Polar Pattern stehen auf seiner To-do-Liste und werden zeitnah nachgereicht
- Wenn man das Mikro kopfüber in der Spinne befestigt, tritt das von mir beschriebene Problem nicht auf.
- Bo versichert, dass es mit den vom Hersteller gewählten Steckern und Buchsen noch keine Qualitätsprobleme gab.
- Auf Grund der Konstruktion ist die Röhre schwer zu entkoppeln, deshalb tritt die von mir kritisierte Resonanz bei Berühren des Mikrofons auf.
Zu guter Letzt hat es sich Bo nicht nehmen lassen, mir zur Überprüfung ein weiteres Exemplar des GA-800G zukommen zu lassen.
Hier sitzt die Kapsel gerade und auch das Netzteil ist besser, aber nicht perfekt gefertigt. Die Resonanz findet sich auch hier, wird aber, was beim ersten Mikrofon nicht der Fall war, beim Ausschalten des Netzteils tiefer. Somit kann ich das Geräusch eindeutig, wie auch von Bo beschrieben, auf die Röhre zurückführen.
Spannendes Produkt, danke für den Test. Nach den Klangbeispielen zu urteilen würde ich mich Deinem Fazit anschliessen. Klingt wirklich nicht schlecht und scheint stark in Richtung Sony C800 zu gehen. Leider ist der Preis kein no brainer. Die Verarbeitungsmängel mal ausgeblendet ist der Klang beim Sony vermutlich doch noch etwas besser, zumindest meinen bisherigen Erfahrung mit hochwertigen Mikrofonnachbauten und den mir bekannten Referenzaufnahmen jenseits des Rap Genres (Stimme z.B. D. Sylvian, Sting, C. Dion) nach zu urteilen. Der langfristige Werterhalt wäre auch ein Faktor.
Andererseits sind die Gebrauchtpreise für das C800 mittlerweile komplett astronomisch. Daher sollte man wenn man genau diesen Klang haben möchte mangels Alternativen vermutlich ernsthaft über den Golden Age Klon nachdenken.
Wir hatten mit Bo von GA einen regen Austausch und er kann meine Kritikpunkte verstehen. Natürlich sieht er die Sache ein wenig anders und legt die Präferenz auf den Klang. Und der ist ja nun wirklich sehr gelungen. Ich denke aber, er wird sich verstärkt darum kümmern, dass auch die Fertigungsqualität stimmt, dann wäre das GA-800G ein wirklich gutes Produkt und ganz anders zu bewerten.
„Was mir gleich nach dem Auspacken auffällt: Die mittenpolarisierte Kapsel sitzt nicht ganz gerade in ihrem Gehäuse, sondern ist um ein paar Grad seitlich verdreht, was ganz gut in der Aufsicht zu sehen ist. Klanglich dürfte das keine allzu großen Auswirkungen haben, aber bei einem Mikro für 4.000,- Euro sollte das meiner Meinung nach nicht vorkommen! Hier scheint die Endkontrolle nicht richtig zu funktionieren.“
Kann nicht euer ernst sein. Schon mal daran gedacht, dass dies so gewollt ist? Bei meinem Brauner Phanthera sitzt die Kapsel ebenfalls um ein paar Grad seitlich verdreht in ihrem Gehäuse und ich bin froh darum, muss ich so nicht jedes mal selbst dran denken das Mikrofon um ein paar Grad vom Vocalist wegzudrehen. Diese Aufnahmetechnik wird verwendet um die S-Laute abzuschwächen. Hätte eigentlich erwartet, dass man hier so etwa weiß. :/
@JSHHTMNN Ich glaube du verwechselst verdreht mit gekippt. Aber sei es drum, dass ein Hersteller absichtlich so fertigt würde ich als Fabel bezeichnen.
Wenn es dich bei deinem Brauner nicht stört, dann ist es ja gut, ich hätte es reklamiert.
Übrigens habe ich die Aussage der Company, dass man in Zukunft noch mehr darauf achtet, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Das zweite mir zugeschickte Exemplar hatte diesen Fertigungsfehler übrigens nicht.
@Armin Bauer Nein, ich meine schon verdreht, wie auf der ersten Grafik folgenden Artikels ersichtlich: https://noisegate.com.au/microphone-technique-vocals/
Nein, stört mich nicht, bin wie gesagt eher froh drum. Interessant wäre es jetzt natürlich zu wissen, ob dies bei jedem Phanthera der Fall ist, oder ob es eine (für mich praktische) Fehlproduktion ist.
@JSHHTMNN Das ist aber komplett an der Kapsel vorbei singen/sprechen. Das erreichst du nicht mit einer leichten Drehung der Kapsel.
Immerhin interessant zu hören, dass auch Brauner nicht unfehlbar ist.
@JSHHTMNN (Der Armin war schneller, aber sei’s drum) Der Hersteller war aber scheinbar auch nicht glücklich über die Montage?
Davon ab könnte ich mir vorstellen, dass man gerne selbst entscheidet, wohin man dreht. Hättest Du das Mic ohne zu schauen gedreht, währst Du auf 0 oder 6 °Grad gekommen und müsstest immer umdenken, wenn es mal hängt und mal steht (wobei Umhängen bei so einem Mic vermutlich nicht so häufig geschieht).
Persönliche Vorlieben, denke ich mal.
@JSHHTMNN Hallo, ein wohl etwas „später“ Kommentar zu dem Thema, aber: Wenn jemand die Technik des zur Seite Drehens absichtlich benutzt, dann ok. Jedoch möchte ich bitte davon ausgehen, dass die Kapsel in meinen Mikros korrekt mit dem Korb ausgerichtet ist, weil ich ja nicht weiß, bzw ahnen kann, um wieviel diese schon „von Werk aus“ „justiert“ ist. Nix für ungut :-)
Ein spannender Test. Mir gefällt übrigens das Klopfbeispiel sehr gut. Das ist schön rhythmisch und perfekt gestimmt, so dass man das eigentlich samplen und loopen sollte. Dann aber nicht vergessen, Armin als Urheber zu nennen oder überhaupt erst einmal die Erlaubnis einzuholen. Ob das aber 4000€ für ein Mikrofon rechtfertigt? Ich weiß nicht. Ich sehe es ähnlich wie Armin und würde das AKG bevorzugen. Neben Rappern, die das Teil nutzen, gehört übrigens Celine Dion zu den Nutzern des Originals. Man munkelt, dass es ihr Lieblingsmikrofon gewesen sei. Ob das ihren Gesang jetzt schöner macht, muss jeder selbst entscheiden. Wenn ein Mikrofon im Original 10K kostet und als Kopie immerhin noch 4K, dann sollte schon klanglich etwas mehr drin sein als nur eine ausgefallene Optik und miese Verarbeitung. Deshalb ist es gut, dass es so aussagekräftige Hörbeispiele gibt, da weiß man, dass man das Geld besser anlegen kann.