Vintage-Multi-Format-Sample-Player
Tom Oberheim war offensichtlich ein Visionär. Treffender kann man ihn kaum beschreiben, denn obwohl er seine größten Erfolge zu Zeiten der großen „analogen Schlachtschiffe“ feierte, erkannte er frühzeitig, dass die Zukunft dem digitalen Sampling gehörte.
Als er 1987 seinen DPX-1 dem Musikmarkt präsentierte, war er seiner Zeit weit voraus – und eben das war wohl auch das Problem, denn der Markt war noch nicht reif für den ersten Sampleplayer der Welt – und nichts Geringeres ist der DPX-1.
Oberheims Multi-Format-Coup DPX-1
1987 kämpften verschiedene Hersteller um die Vorherrschaft eines Sampling-Standards. Rückblickend können wir feststellen, dass schließlich die Firma AKAI mit der Veröffentlichung des S1000 das Rennen machte. 1987 war das aber noch lange nicht absehbar.
Die Bedienung war übersichtlich und einfach, per MIDI-Trio ließ sich der DPX-1 in jedes System integrieren, ein Mono-Out (Klinke) erlaubte schließlich die Verbindung zur Audio-Außenwelt. That’s it!
Ein wenig Sampling-History
In der oberen Preisklasse galt der EMU Emulator II seit 1984 als das Maß aller Dinge. Zwar arbeitete dieser nur mit 8 Bit Auflösung, erzeugte aber dank Fließkomma-Technik und seinen hochwertigen Bauteilen einen Klang, der selbst 12 Bit Systeme verblassen ließ. Dank seiner analogen Filter und dem rauen Klangcharakter gilt der Emulator II auch heute noch als Geheimtipp.
In der Einsteigerpreisklasse hatte die seinerzeit neu gegründete Firma ENSONIQ 1984 mit dem Mirage großes Aufsehen erregt. Der erste Sampler unter 10.000 DM – sensationell!
Und auch die Firma Sequential Circuits leistete ihren Beitrag 1985 zum Sampler-Markt unter der der Bezeichnung PROPHET 2000. Die Bedienung darf aus heutiger Sicht als spartanisch bezeichnet werden, aber dank einer klug aufgebauten Bedien-Matrix sowie ebenfalls echter analoger Filter hat er auch heute noch eine eingeschworene Fangemeinde.
Ein Jahr später, 1986, brachte dann aber eine bis dato fast unbekannte Firma Namens AKAI PROFESSIONAL die Marktverhältnisse mit dem S900 deutlich ins Schwanken.
Offensichtlich hatte Tom Oberheim nicht vor, den Versuch zu unternehmen, noch einen Standard einzuführen und bediente sich lieber der vorhandenen Standards. Der DPX-1 sollte zwar nicht selbst sampeln, dafür aber die damals am meisten verbreiteten Standards abspielen können.
Kurzerhand implementierte Tom Oberheim Konvertierungsroutinen, die es dem DPX-1 erlaubten, die Sample-Disketten des EMU Emulator II, des SCI Prophet 2000, des Ensoniq Mirage und des Akai S900 zu lesen und wiederzugeben.
Der erste Sampleplayer: Oberheim DPX-1
Da es 1987 drei verschiedene Diskettenformate gab (5 1/4 Zoll, 3,5 Zoll und 2,8 Zoll) implementierte Tom Oberheim gleich zwei Laufwerke in seinen DPX-1. Das große Laufwerk für 5 1/4 Zoll Disketten des Emulator II sowie ein Laufwerk für 3 1/2 Zoll Disketten der anderen genannten Sampler. Das 2,8 Zoll Format war 1987 bereits am aussterben – nur noch die Vorläufer des AKAI S900, der AKAI S612 und AKAI S700 nutzen noch dieses Format.
Und da kommen wir auch schon zu der Frage, ob der DPX-1 analoge Filter beherbergt.
Die Frage ist berechtigt und hier auch gleich die Antwort: JA – HAT ER.
Deshalb wird er übrigens von EMU II Usern sehr gerne als Ersatzteillager gekauft, quasi als kompaktes „Survival Kit“ zum Ausschlachten aufgrund der Filter und des Laufwerks. Das Leben ist hart.
Und wie klingt er nun?
Die A/B-Vergleiche zu den Originalen sind wirklich faszinierend. Der kleine DPX-1 ist ein echtes Chamäleon.
E-Mu Emulator II
- E-MU Emulator II
Sounds gibt er 1:1 sauber wieder. Der raue Klangcharakter bleibt erhalten.
Ensoniq Mirage
- ENSONIQ MIRAGE
Sounds klingen im DPX-1 sogar besser als im Original
Prophet 2000/2002
- PROPHET 2000/2002
Sounds klingen ebenfalls sehr nah am Original, nur die Filter packen im Pro 2000/2002 härter zu als im DPX-1 – vorausgesetzt, die Filter wurden im Original-Sound auch eingesetzt.
Akai S900/S950
- AKAI S900/S950
Die Hüllkurven des S900 sind eindeutig schneller. Das zeichnete den S900 damals auch besonders aus und machte ihn bei Drummern als Klangerzeuger für Drumsounds sehr beliebt.
Editing am Oberheim DPX-1
No way! Ja – das ist wirklich schade. Da lässt sich keine Hüllkurve verbiegen und keine Resonanz hochschrauben. Wurde kein Filterverlauf im Original produziert, ist er auch im DPX-1 nicht vorhanden. Ab System-Version 2.2 (EPROM gibt’s im Netz und müssen nur ausgetauscht werden), erlaubt der DPX-1 zumindest ein Verstellen der Cutoff-Frequenz mit den Pfeiltasten.
Auf vielen damaligen Sounddisketten wurden aber Samples grundsätzlich mit verschiedensten Edit-Parametern als eigenständige Sounds abgespeichert. So kann man sich also auch im DPX-1 durch die Programme zappen und evtl. das Passende finden.
SCSI, HD, Floppy Emulator?
Auch wenn es so aussehen mag, SCSI wurde für den DPX-1 leider nie angeboten – oder doch?
Auf Synrise.de findet sich der Hinweis, es handle sich um SCSI-Platten.
Unter der Bezeichnung HDX-20 erschien wenige Monate nach dem DPX-1 von Oberheim auch der dazu passende Massenspeicher (hüstl)!
Mit enormen 20 MB!!!! war es dank dieser 2 HE großen Rack-Einheit möglich, durch ein spezielles Anschlusskabel und optionalem Interface bis zu 20 verschiedene Disketten von der Festplatte abzurufen und in den DPX-1 zu laden.
Der Ladevorgang wird entweder am Gerät oder durch Program-Changes ausgelöst
Der hier abgebildete HDX-20 Massenspeicher hat leider wenige Wochen nach Erwerb seinen Geist aufgegeben. Auch nach tagelangen Foren-Scouting war keine Hilfe in Sicht. Ein Austausch mit einer 20 MB SCSI Platte könnte evtl. möglich sein, da aber der DPX keine Möglichkeit bietet, HDs zu formatieren und das Format noch dazu unklar zu sein scheint, schmachtet der HDX-20 also in der Raritätensammlung der Redaktion vor sich hin.
So lange der HDX-20 seinen Dienst tat, tat er diesen zwar schnell, aber EXTREM LAUT. Ich habe selten einen Lüfter und eine Festplatte gehört, die diesen Schallpegel erreichten. Kein Witz.
Also weinen Sie dem HDX-20 keine Träne nach, denn der DPX-1 lädt seine Disketten problemlos, schnell und leise.
Inzwischen gibt es diverse Anbieter, die nur einen fertig konfigurierten Floppy-Emulator anbieten, sondern den zugehörigen USB-Stick gleich mit unzähligen Librarys aus Mirage, Akai und E-Mu anbieten. Einen solchen habe ich mir vor einem Jahr gegönnt und bin hochzufrieden damit.
Bedienung
Diskette reinstecken, LOAD drücken, ENTER – fertig. Nach dem Ladevorgang (wird per LED angezeigt) LINKS- oder RECHTS-Taster betätigen, um verschiedene Presets anzusteuern. Auch das lässt sich über MIDI -Program-Change erledigen.
SAVE? Ja, gibt’s. EMU II Diskette rein, sichern auf 3 1/2 Zoll Diskette – bingo.
Das Ende vom Lied
Leider hat der DPX-1 gemeinsam mit dem Matrix-1000 den Untergang der Firma OBERHEIM nur verzögern, nicht aber aufhalten können. Wirklich schade!
Soundvergleich DPX-1 und Emulator II
Unser Leser atomicbull hat einen aufwendigen und ausgedehnten Soundvergleich der beiden Synthesizer angestellt. Das Ergebnis könnt ihr in seiner Leserstory hören, die ihr HIER findet.
Empfehle Plug-in Alternative
Das TAL Plug-in SAMPLER ist eine Reinkarnation der Sampler-Engines jener Epoche. Ich bin wirklich ein großer Fan dieses Plug-ins, da es sowohl klanglich als auch mit seiner Bedienoberfläche überzeugen kann.
Vor allem aber lassen sich Samplingrate und Bit-Auflösung frei wählen und nachträglich auf vorhandene Samples anwenden. Und auch bei den Filtermodellen steht alles bereit, was das Herz begehrt, um den Klangcharakter der 80er-Sampling-Legenden aufleben zu lassen. Gerade weil der TAL SAMPLER eben keine spezifische Emulation eines Emulator II oder eines Akai S900 enthält, sondern letztendlich doch etwas eigenständiges ist, übertrifft er seine Vorbilder natürlich bei Weitem.
Sehr geniale kleine Kiste. Kann ich bestätigen. Macht Spass und klingt einfach gut.
@swissdoc Hat heute mehr Spaßfaktor als damals :) Problem seinerzeit war die Ladezeit, denn für Live Gigs benutzen war das oft die Messlatte und jede Sekunde Zwangspause wurde auf die Goldwaage gelegt, ob zumutbar oder nicht. Da schon bald Roland mit der U-Serie ankam, war der DPX vom Tisch. Außer bei ein paar Studioleuten.
Danke für den schönen und atmosphärischen Artikel.
So langsam gehen Amazona die Vintage Geräte aus.
Zumindest ist dass mein Eindruck.
Vielleicht sollte man überlegen ob man sich den ganzen Vintage Geräten nicht nochmal auf eine ganz neue andere Art nähern kann und anders davon Berichten könnte.
Ansonsten hat mir dieser Artikel wieder Lust gemacht ins Studio zu gehen.
Und los geht’s :-)
@Anthony Rother Hi Anthony, solange hier ein Multimoog, ARP Solina, Wurlitzer 200 A, Yamaha CS70M oder PPG 360 noch nicht vorgestellt wurden, würde ich nicht sagen, dass Amazona die Vintage-Geräte ausgehen. Du musst nur erstmal jemanden finden, der so ein Teil hat und es für Fotos und Klangbeispiele zur Verfügung stellt.
Eine ganz neue Art der Annäherung an die Instrumente klingt ja durchaus spannend. Was könntest Du Dir vorstellen: mehr technische Details und Messprotokolle, oder zum Beispiel mehr Video-gestützt?
@Anthony Rother nene… da haben wir ganz viel noch nicht abgearbeitet, was vor allem aber daran liegt, dass wir keinen Zugriff auf alle alten Schätze haben. Aber wir bemühen uns. Nach und nach kriegen wir sie alle :)
Ich kann nicht für Emu 2 und Akai S 900 sprechen, aber die Sounds für den Prophet 2000, die ich seinerzeit mal im bandeigenen DPX abspielte, klangen ziemlich anders als das, was aus dem Prophet 2000 herauskam.
Kann es sein, daß der DPX nicht mit allen Samplegrößen (voll ausgebauter P2000) arbeiten kann oder das Mapping des Prophet nicht akurat übernimmt? Oder war damals der DPX einfach nicht 100%ig in Ordnung?
Nicht, daß es wichtig wäre. Der Prophet 2000 samt Sounds existiert ebensowenig noch wie die Band, in der der DPX mal kurz mitspielen durfte.
Die Konvertierungen funktionierten mal wer mal weniger gut. Je nachdem wie umfangreich die jeweilige Nachbearbeitung war. Sauber erkannt wurden aber eigentlich die Multisamples und deren Looppunkte. Hingegen Layers und Soundedits wurden eher schlecht umgesetzt.
@Tyrell Genau, es waren ausschließlich Multisamples, über die Tastatur gemapped und verteilt.
Daran scheiterte es auch nicht, aber es klang so, als wären da Bits verlorengegangen aus den Klängen als solche.
Ich habe das Teil auch noch im Keller und dazu Emu II Disks… hm. Sollte ich mal wieder rausholen… Alleine um das 5 1/4 Zoll Disk tackern zu samplen ;-) Oder einen Vergleich mit nem Emax I machen, die Disks konnte man ja alle mit EMXP konvertieren.
@Soundreverend Hab gerade einige meiner Lieblings Emax und EII Sounds über EMXP konvertiert bekommen – und siehe da – genial !!!
Wäre es nicht mal Zeit, einen Artikel über den Mirage zu bringen..?
@Son of MooG Absolut. Nur woher nehmen und nicht stehlen? Wer also da draußen einen Mirage besitzt und uns diesen leihweise zur Verfügung stellen würde , dem wären wir auf ewig dankbar :)
Schöner Artikel!
Ja, der DPX-1 war damals ein feines Tool in vielen Studios.
In meinem Studio übernahm dann aber irgendwann immer mehr der Kurzweil K2000 dessen Aufgabe, der ebenfalls viele Formate (Akai, Roland, Ensoniq etc.) lesen konnte und darüberhinaus weitreichende Bearbeitungsmöglichkeiten bot.
Der DPX hängt bei mir auch seit Ewigkeiten im Rack. Hatte ihn aber nicht mehr benutzt seit…. Dank Eurem Artikel hab ich ihn soeben angeworfen – und siehe da er funktioniert immer noch wie am ersten Tag. Habe gerade richtig viel Spaß damit. Danke Amazona.