Tipps für Mikrofonauswahl für Drums
Live-Events betreue ich seit einer gefühlten Ewigkeit, Mikrofone sind eine meiner großen Leidenschaften, was liegt da näher, als einmal einen kleinen Guide aus meinem Erfahrungsschatz zu verfassen? Hier kommt meine Mikrofonauswahl für Drums in einem Workshop.
Der Standard
Bei vielen Verleihern, für die ich tätig war, ist die Mikrofonkiste erschreckend phantasielos bestückt. Das hängt natürlich zum einen mit der Raidertauglichkeit, zum anderen aber auch mit einem gewissen Kostendruck und Bequemlichkeit zusammen. Ein Shure SM57 wurde schon immer für die Snare verlangt, allzu teuer ist es auch nicht, also bleibt es da auch die nächsten zehn Jahre stehen. Newcomer-Bands schreiben den Raider der schon etablierteren Künstler ab, so entsteht eine gewisse Verfestigung der Materie.
Meine Herangehensweise bei der Mikrofonauswahl war schon immer etwas anders, ich möchte verschiedene Facetten herausarbeiten können und das klappt nur mit verschiedenen Werkzeugen. Deshalb gönne ich mir den Luxus bei meinen Jobs, immer einige Alternativen am Start zu haben. Diese möchte ich euch hier vorstellen.
Mikrofonauswahl für die Bühne – Drums
Klar habe auch ich mein Standardset und manche Wünsche lassen sich einfach nur schwerlich finanzieren. So hätte ich gern ein zweites Set für Chor- und Orchesterabnahme. Da reden wir dann aber von acht bis zwölf Miks zum Stückpreis von ca. 800 – 1500 Euro, das muss also noch etwas warten.
Aber starten wir für den ersten Teil des Workshops mit dem Instrument, das in der Regel die meisten Kanäle und Mikrofone auf der Bühne verbraucht: das Schlagzeug.
Kickdrum
Nr. 1, die Kickdrum. Hier habe ich einen ganz klaren Favoriten, den ich in den allermeisten Fällen einsetze: das Audio Technica ATM87R.
Die Grenzfläche ist recht klein und zierlich und lässt sich so sehr gut im Innern der Bassdrum verstauen. Ein großer Vorteil von Grenzflächen ist, dass kein Stativ gebraucht wird, je weniger auf der Bühne herumsteht, umso besser. Das Mikro hat eine leichte Anhebung bei ca. 3 kHz und eine stärkere, recht breitbandige um die 8 kHz. Dadurch klingt die Kickdrum sehr offen mit einem gewissen Klick. Ich mag das sehr gern, mit muffigen Sounds kann ich an dieser Stelle wenig anfangen. Das ATM87R ist mit einem Low Cut ausgestattet, der bei 80 Hz ansetzt. So ist es auch mit anderen Instrumenten gut einsetzbar, das Cajon ist da z.B. zu nennen. Ein Paar der Grenzflächen sind auch wunderbar zur Flügelabnahme geeignet. Gerade wenn der Deckel geschlossen bleiben soll, hat man kaum andere Möglichkeiten zur Mikrofonierung. Leider wird das ATM87R nicht mehr hergestellt, hier ist man also auf den Gebrauchtmarkt angewiesen. Dabei aber Obacht, nicht mit dem AT871R verwechseln, das hat zwar einen sehr ähnlichen Namen und dieselbe Grundform, ist aber deutlich größer und sollte mit seinem geringeren Schalldruck eher nicht in der Bassdrum landen.
Im Flügel hingegen macht auch diese Grenzfläche eine durchaus gute Figur.
Soll es punchiger und rockiger bei der Mikrofonauswahl sein, nehme ich ein Audio Technica ATM25.
Das dynamische Mikro mit Hypernieren-Charakteristik ist recht klein, hat die Klemme schon integriert und eignet sich für alles mit hohem Bassanteil, also auch Bassamp, Kontrabass, Standtom oder Tuba. Leider wird auch das ATM25 nicht mehr hergestellt, als Ersatz bietet Audio Technica hier das ATM250. Das habe ich noch nicht selbst getestet, ich habe allerdings das Zwei-Kapsel Modell ATM250DE besessen. Da fand ich das alte Mik druckvoller, aber vielleicht war ich auch einfach mit der permanenten Suche nach dem Optimalsound in der Mischung von dynamischer und Kondenserkapsel überfordert. Das ATM25 benutze ich auch, wenn ich es mit einer geschlossenen Bassdrum zu tun bekomme. Hier kommt es dann ans Schlagfell und lässt sich durch die kompakte Bauweise ordentlich platzieren.
In letzter Zeit nutze ich bei der Mikrofonauswahl auch ein Kondensator-Bassdrum-Mikro ganz gern, das X1D von sE Electronics.
Das Mikro spricht sehr schnell und sauber auch bei sehr dezenten Schlägen an, so dass ich es gern für Jobs der Sorte „Chor mit Bandbegleitung“ nehme, da hier der Drummer oft superleise zu spielen hat. Natürlich passt das Mikro am Cajon auch sehr gut und für Pauken ist es inzwischen mein Favorit.
Tom und Snare
Kommen wir nun zu den kleineren Trommeln. Für die Toms setze ich gerne das Audio Technica Pro35 Clipmikrofon ein.
Der aufmerksame Leser merkt es schon, ich scheine eine deutliche Affinität zu der japanischen Marke zu haben. Nun ja, die Firma macht einfach gute Produkte zu vernünftigen Preisen, die höherwertigen Serien werden auch immer noch in Japan hergestellt und haben lebenslange Garantie. Das Pro35 arbeitet mit Nierencharakteristik, ein Low Cut bei 80 Hz/18 dB ist im fest angebrachten Speiseteil vorhanden. Durch den flexiblen Schwanenhals lässt es sich gut platzieren. Der Sound ist sehr linear und spricht direkt an. Auch für Percussion und Bläser nehme ich das Pro35 gerne her, bei jazzigen oder Gala-Drumsets auch gerne für die Snare. An der Bodhran klingt der Clip auch klasse, hier hat man aber oft das Problem, dass der Halteclip nicht weit genug öffnet bzw. abrutscht. Da also bitte mit Gaffa sichern, insofern der Musiker das erlaubt.
Die teurere Variante des Clipmikros ist das ATM35.
Die Klangcharakteristik ist sehr ähnlich, hier im Höhenbereich noch etwas feiner aufgelöst. Das ATM35 hat ein separates Speiseteil in Form eines Funksenders und kann mit einem 9 Volt Block versorgt werden. Das Speiseteil hat einen Gürtelclip, deshalb verwende ich es sehr gern mit Bläsern, da liegt das dünne Anschlusskabel mit Speiseteil nicht auf der Bühne rum. Aber natürlich geht das ATM35 überall, wo auch das Pro35 zum Einsatz kommt und macht da seine Sache noch ein Quäntchen besser. Mit einem Klettband Violinenclip lassen sich beide Mikrofone auch, von der Klemme befreit, an der Geige einsetzen.
Das ATM35 ist leider auch „discontinued“, der Nachfolger ATM350 ist inzwischen in diversen Versionen mit verschiedenen Haltevorrichtungen erhältlich.
Soll es an den Drums härter zur Sache gehen, nehme ich für Toms und Snare die Audio Technica ATM23HE, die kleinere Variante des ATM25.
Das dynamische Mikro war ebenfalls lange nicht erhältlich, hat nun aber mit dem ATM230 einen Nachfolger gefunden. Durch den kurzen Korpus lassen sie sich sehr gut im Set integrieren.
Da es um die Snare herum gern mal etwas eng wird, verzichte ich da gern auf ein Stativ und nehme dafür die Mic Claw von LP Percussion.
Damit ist so gut wie jede Position erreichbar. Für die weniger kritischen Toms tun es meist auch die günstigen Halter von K&M oder die Audio Technica AT8665, die nun beim ATM230 mit beiliegen.
Gerne nutze ich für die Snare auch das D2 von Audix, ebenfalls ein kurz gebautes, in der Größe mit dem ATM23HE vergleichbares Mikro.
Das D2 klingt etwas offener und direkter als das ATM23HE, weshalb ich es eher für hoch gestimmte Snares benutze. Eigentlich ist das D2 das Tom Mikro der Serie, für die Snare war ehemals das D3 und nun das i5 vorgesehen. Ich mag da aber das D2 sehr gern.
Und was nutze ich für die Snare von unten, am Snareteppich? Gar nichts, ich versuche immer mit so wenig Mikros wie möglich auszukommen, alles andere schafft meist, gerade in hektischen Livesituationen, mehr Ärger als dass es nützt. Wenn die Snare vom Schlagfell aus nicht vernünftig abgenommen werden kann, sollte sie neu getuned werden, meine Meinung als Tontechniker.
Overheads
Als Overheads dürfen es dann wieder Mikros von Audio Technica sein. Das AT4041 ist ein Nieren-Kleinmembranmikrofon mit einem schaltbaren Low Cut.
Der Sound ist in den tiefen Mitten eher schlank, die Höhen sind recht offen, werden aber nie zu schrill. Das AT4041 ist eines meiner Universalmiks für vielzahlige Anwendungen.
Soll es etwas intimer sein, nehme ich die JZ Microphones BT-201 aus ihren schönen Holzschatullen.
Sie klingen in den Höhen ein wenig cremiger, im unteren Bereich ist etwas mehr Fleisch vorhanden. So eignen sich die BT-201 auch ganz hervorragend für eine 3- (Kick, 2x OH) oder 4-Mikro (Kick, Snare, 2x OH) Abnahme. Dabei setze ich die Kleinmembraner dann gerne auf einer Stereoschiene in der ORTF-Technik ein, halte mich aber nicht sklavisch an den empfohlenen Öffnungswinkel von 110°, sondern bleibe eher etwas schmaler bei ca. 90°, also eher eine Mischung aus ORTF und A/B. Mit der X/Y-Stereoabnahme, die auch gern benutzt wird, bin ich irgendwie nie richtig warm geworden.
Die JZ Kleinmembranmikros besitze ich mit den drei Kapseln Niere, breite Niere und Kugel, so lassen sich da auch noch schnell Variationen ausprobieren.
Das Non Plus Ultra der Overhead-Mikrofonierung sind natürlich meine AKG C414B-ULS.
Sie liefern ein sehr hoch aufgelöstes Klangbild, das jeden Soundimpuls an genau der richtigen Stelle platziert. Aber die kommen nur zu besonderen Anlässen auf besonderen Wunsch und wenn es wirklich bezahlt wird aus dem Studio.
Hihat
Bleibt uns vom Drumset bei der Mikrofonauswahl noch die Hihat. Hier bietet sich natürlich auch ein Kleinmembraner an, in dem Fall wieder das Audio Technica AT4041. Meist habe ich aber meine Overheads höhenreich genug, sodass ich auf weiteres Gezischel gern verzichten kann. Deshalb ist mein Standardmikro an der Hi-Hat ein dynamisches. Das Beyerdynamic M88, auch bekannt als das Phil Collins Mikro (er nahm es zum Singen) kommt hier zum Einsatz.
Das M88 ist für ein dynamisches Mikro sehr spritzig mit schneller Ansprache und einem angenehmen seidenweichen Höhenbereich. Auf dem Foto sehen wir mit dem engmaschigen Kopf das alte Modell, von Beyerdynamic auf XLR Buchse umgearbeitet, darunter das M800 von Strässer. Dies ist nichts anderes als ein umgelabeltes M88, für den Gebrauchtkauf vielleicht durchaus eine interessante Info.
Vom Einsatzzweck her ähnelt das M88 dem MD 441 von Sennheiser, ist aber dezenter und nicht mal halb so teuer. Übrigens kann das Mikro auch prima in der Bassdrum eingesetzt werden, womit wir den Kreis wieder geschlossen hätten.
Das war’s dann auch für heute mit der Mikrofonauswahl, das nächste Mal nehmen wir uns diejenigen Musiker vor, die auf der Bühne i.d.R. vor dem Schlagzeug agieren.
Was ist Raider, Armin? Bei Google kommt da Twix, das hat mir nicht geholfen.
@Tai Erwischt!!!
http://www.ton-pg.de/tutorials/band-live/technische-anweisungen-technical-rider/
Sorry, aber mein Deutsch ist noch nicht so gut, bin erst seit 7 Jahren aus B-W (mit dem entsprechendem Dialekt) nach Hessen ausgewandert.
In 2 Monaten geht es zurück, macht euch auf was gefasst!
@Armin Bauer Danke, aber auch ohne a hatte ich das noch nie gehört
@Tai Sorry, aber dann hast du noch nie in dieser Branche gearbeitet?! Sogar als Musiker sollte man diesen Ausdruck kennen, nicht nur als Techniker… naja, wieder was gelernt ne ;)
@dRead Richtig. FOH gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen