Vibey, ätherisch, spacig
Gotharman aus Dänemark stellt mit der SpazeDrum einen Boutique-Drum-Synthesizer bzw. eine Groovebox vor, die sowohl analoge als auch digitale Klangerzeugung bereitstellt. Vorgestellt wurde das Projekt erstmals im April 2020. Jetzt ist gerade vor Kurzem ein großes Update mit vielen neuen Funktionen für das Gerät vorgestellt worden, da ist der Zeitpunkt gerade richtig für einen Test.
Auspacken & Eigenschaften
Das Testgerät kam dick in Plastikknallfolie verpackt an und außer dem Netzteil war sonst nichts in dem Karton enthalten. Die SpazeDrum hat eine Größe von 18 x 25 x 4 cm und ein Gewicht von 1,74 kg und besitzt einen Netzschalter, der das Gerät mit einem leichten, aber deutlichen Knacksen auf den Lautsprechern zum Leben erweckt. Auch beim Ausschalten sollte man vorsichtig sein, denn die SpazeDrum speichert nichts automatisch! Das muss alles manuell erledigt werden.
Das Gehäuse besteht aus Vollmetall, die Potis sind am Gehäuse verschraubt und laufen absolut rund. Leider wurde auch hier wieder der kurze Weg gegangen. Da die Drehregler viele menübasierte Funktionen ausführen, gibt es Parametersprünge beim Bedienen, von der ungünstigen Parameterskalierung mal ganz abgesehen. Auch wenn es sich hier um einen analogen Drumcomputer handelt, ist die Parameterskalierung ohnehin digital, wofür eigentlich Encoder immer das sinnvollste Eingabemedium darstellen.
Das ausschließlich englischsprachige und derzeit 593-seitige (!) umfassende PDF-Handbuch wird auf der Gotharman-Seite zum Download angeboten. Mit der recht groß gewählten Schrift ist der Leseumfang nicht ganz so umfangreich, aber die SpazeDrum ist und bleibt ein komplexes Gerät.
Die LED-beleuchteten Taster sind soweit okay, aber jetzt keine Offenbarung. Die Tasten haben zwar einen klar definierten Druckpunkt, aber die Kappen sind recht wacklig zu bedienen.
Die Menüführung der SpazeDrum geschieht zum größten Teil über den Touchscreen, der sehr flott agiert und außerdem noch als X/Y-Controller verwendet wird. Das ist schon iPad-Qualität, alle Touch-Eingaben erfolgen sicher und reaktiv. Hier wurde offensichtlich nicht gespart.
Die getestete Gotharman SpazeDrum Black mit dem dualen SS2140-Filter gibt es in der Grundausführung für 1.549,- Euro im Direktversand von Gotharman, wobei die Hälfte des Betrags sofort fällig ist, der Rest bei Lieferbarkeit.
Die Grundversion bietet zwei analoge Ausgänge. Als Optionen gibt es vier weitere analoge Ausgänge für 220,- Euro Aufpreis und blaue LEDs für weitere 100,- Euro. Die blaue SpazeDrum mit denselben Optionen und den dualen SSI2144-Filtern, aber ohne Touchdisplay gibt es ab 1.399,- Euro.
Features der Groovebox
An Eigenschaften bietet die Black SpazeDrum 16 Spuren (Parts) bei 8 Stimmen, von denen vier analog und die anderen vier digital erzeugt werden. Die 16 Parts sind in vier der vier Analog-Gruppen unterteilt und in jeder Gruppe können nur zwei Parts gleichzeitig erklingen. Die verbleibenden Parts können als MIDI-Spuren benutzt werden. Zur Klangerzeugung und -formung stehen pro Part die folgenden Sektionen zur Verfügung:
- DRUM OSC – analoge und digitale Oszillatoren
- VCF – analoge Filter
- DGF – digitale Filter
- EFX – 2 Insert-Effekte und 2 Ausgangseffekte
- VCA – Ausgangstufe mit Modulation
- ENV – je eine ADSR- und eine D-Hüllkurve
- LFO – 16 zuweisbare, synchronisiere und modulierbare LFOs, die in 511 Stufen zwischen den vier Grund- und diversen FM-Schwingungsformen übergeblendet werden können.
- ZONE*PRESET LEVEL – hier lassen sich MIDI-Zonen für ein angeschlossenes MIDI-Keyboard und den Sequener einstellen, transponieren oder auch nicht benötigte Parts abschalten, wobei die interne und externe Abschaltung für den MIDI-Port getrennt ist.
Da das einzelne Einstellen für 16 Parts etwas mühselig ist, gibt es ZONE MAGIC, die den verfügbaren Notenumfang zwischen den aktiven Parts gleichmäßig in Zonen beliebig einstellbarer Größe aufteilt. Das wären dann z. B. 5 Noten pro 16 Part bei 88 Noten Umfang.
Dazu kommen noch vier Zufallsgeneratoren, die mit jedem Triggern des Parts neu würfeln.
Zwischen den Parts wird im Übrigen mit den Tasten STEP/PART Halten und den Taten 1 bis 16 umgeschaltet.
Klangerzeugung
ANALOG Percussion-Synthese
Diese besteht aus einem dualen analogen sowie einem digitalen Oszillator. Die beiden Oszi-Modelle besitzen getrennte und unterschiedliche Parametersätze und anstelle des digitalen Oszis kann auch ein Sample vom internen Speicher oder von einem USB-Stick (max. 32 GB Größe) geladen werden. Die Samplebank kann max. 2.047 Samples bei einer Gesamtzeit von max. 18 Minuten verwalten.
Analog-Cymbal-Synthese
Es gelten hier die gleichen Spezifikationen wie im vorhergehenden Modell, aber die interne Verschaltung der Klangerzeugung ist anders und auch FM mit multiplen Rechteckschwingungen aus dem digitalen Oszillator andere Modulatoren mit besonderer Wertlegung auf metallische Sounds.
Analog-Clap-Synthese
Auch hier gelten die bisherigen Spezifikationen. Als FM-Quellen gibt es Rauschen und den digitalen Oszis, um vor allem rauschhafte Percussion-Sounds zu erzeugen.
Synthesizer
Hier kommen zwei digitale Oszis zum Tragen, die in zwei analogen Tiefpassfilter gespeist werden, mit jeweils eigenen Resonance- und Cutoff-Einstellungen. Als Schmankerl gibt es hier FM zwischen den Filtern und den digitalen Oszis sowie Crossfade und Sync zwischen den Oszis. Der Synthesizer hat die größte Klangbandbreite. Den Synthesizer wird denn auch am besten mit einem Sequencer-Noten-Track oder extern per MIDI gespielt.
Die einzelnen Unterseiten, 10 für die analogen Oszis, 6 für die digitalen, werden mit den vier Tastern und den vier unteren Potis unterhalb des Displays bedient. Der Touchscreen dient hier nur zur Menüauswahl. Schön ist die, wenn auch eher rudimentäre, Darstellung der Schwingungsformen.
Der Sound, der im Übrigen laut Gotharman nicht von der legendären EHX Super Space Drum inspiriert wurde, würde ich eher als „vibey“, denn als „punchy“ bezeichnen. Wer hier den harten Technoknaller oder Roland TR-Sound sucht, wird sicher sehr enttäuscht sein. Tatsächlich erinnert mich die SpazeDrum mehr an die elektronische Musik und an den leicht verqualmten Retro-Hifi-Charakter der 70er, als an alles andere, nur auf den Stand von heute – 50 Jahre später – gebracht: SpazeDrum liefert gediegenes Abspacen.
Sampling mit dem SpazeDrum
Sampeln kann die SpazeDrum zwar nicht von externen Quellen, aber zumindest das Signal am Hauptausgang kann abgegriffen werden. Das Sampler-Menü kann dabei verlassen werden, um mit den Reglern und Parametern zu spielen. Allerdings muss man auch wieder hier hin zurück, um die Aufnahme zu stoppen und abzuspeichern.
Anschließend kann das Sample editiert werden, wobei auch eine Autoschnittfunktion mit einstellbaren Erkennungsparametern zur Verfügung steht. Wer es genauer haben will, für die steht ein grafischer Sample-Editor bereit. Ist der Zuschnitt abgeschlossen, abspeichern bitte nicht vergessen. Da der Sample-Player im Oszillatormodell enthalten ist, stehen ihm auch alle weiteren Parameter zur Klangformung zur Verfügung. Auch sind die allermeisten Oszillator-Parameter modulierbar und es gibt FM mit dem digitalen Oszillator oder mit Rauschen als Modulatoren.
Effekte
VCF
Wenn die Drum-Oszis im Synthesizer-Modus sind, werden die digitalen Oszis (die ja für diesen Modus benötigt werden) in die zwei analoge Tiefpassfilter gespeist. Es kann aber auch nur ein D-Oszi 1 in den VCF 1 geroutet werden, der andere Oszi in den DGF 2.
Die VCFs sind nicht selbstresonanzfähig, haben dafür aber einen G-Ray-Modus – eine Erfindung von Gotharman. Hier wird eine Feedback-Schleife so aufgebaut, dass in drei Intensitätsstufen das Feedback eine zunehmende Intermodulation im Filter erzeugt, die zuletzt fast FM-Ästhetik erreicht. Für originale FM gibt es noch einen eigenen Modus. Natürlich können fast alle Parameter des Filters auch noch weiter moduliert werden: In der schwarzen SpazeDrum haben die dualen analogen Filter die Optionen von 18 dB/18 dB, 12 dB/18 dB, 18 dB/6 dB oder 12 dB/6 dB /Okt. Flankensteilheit, in der blauen gibt es nur 24 dB/Okt.
DGF
Die digitalen Filter bestehen aus den drei Gruppen: DGF sind die parallel geschaltete Filter und bieten diverse Typen von Tief-, Band- und Hochpassvarianten. Die SPF sind die Digital Spaze-Filter und bieten Tief- und Bandpass- und Röhrenemulationsfilter und haben generell eine stärkere Bassbetonung als die DGFs.
Zuletzt kommen die SVF, die „State Variable Filters“, die neutral klingende 12 dB/Okt Tief-, Hoch- und Bandpass sowie Bandsperren bieten. Insgesamt stehen 41 Filtertypen zur Auswahl.
Sequencer
Der Sequencer bietet pro Part einen Noten-Track mit maximal 64 Steps und vier Knob-Tracks für die Parametersteuerung. Die Notenauflösung ist dabei zwischen 1/1 und 1/64-Noten und die Geschwindigkeit zwischen 51 und 306 BPM einstellbar.
Für jeden Track kann der End-Step frei gewählt werden, womit auch systemische polyrhythmische Strukturen (das globale Taktmaß wird „angegriffen“) möglich sind. Denn auch die individuelle Track-Auflösung kann auf bis zu 1/64 eingestellt und dazu sogar moduliert werden. Es werden immer nur maximal 16 Steps auf einmal angezeigt und dann per Seitenansicht über den Touchscreen umgeschaltet. Ein Noten-Track besteht aus den Sub-Tracks
- NtV (Note-Value)
- GATE
- VELOCITY
- POSITION
- SUB (-Position)
- MOD1
- MOD2
Der Unterschied zwischen POS und SUB ist, dass beim ersten die ganze Notenposition im Raster verschoben wird, also z. B. Note 1 auf der Position von Note 9 erklingt, während SUB das Microtiming der Note bestimmt. Zwar nur in vier Stufen aber immerhin. Der Rest muss dann von der SWING-Funktion erledigt werden.
Zusammen mit den Zufallsgeneratoren wird die SpazeDrum wohl kaum langweilig werden. Meine kurze Darstellung zeigt wohl schon, wie mächtig der Sequencer ist und wie tief die Möglichkeiten gehen, wobei nur ganz wenige andere Hardware-Produkte hier mithalten können. Die Bedienung über den Touchscreen ist dabei zwar recht sensibel, aber besser so als anderes herum. Und oft genug lässt einem die SpazeDrum auch die Wahl ob die Eingaben per Touchscreen, Tasten oder Potis gemacht werden. Denn möchte man nicht mit dem Touchscreen locker improvisieren, sondern exakter arbeiten, sind die angezeigten 16 Steps in vier Gruppen unterteilt, die jeweils den vier Potis zugeordnet werden. Und Echtzeit-Recording per MIDI-Keyboard und Step-Recording sind natürlich auch eine Option.
Tracks und Klänge lassen sich obendrein noch mit dem beiden MIDI-CC-Morphing-Potis zwischen A- und B-Layer überblenden. Die Funktion der Potis folgt dabei der Anzeige auf dem Display.
Der Klang gefällt mir sehr! Genau mein Ding schön Organisch und nicht so der hau drauf aber bei 1500 für einen Klopfgeist da möchte ich doch nicht noch optionale Ausgänge… Die sollten bitte bei solch einen Preiß schon verbaut sein.
Ich schleiche schon seit dem deMOON um Gotharman-Instrumente rum, aber das hat mich in den letzten Jahren ziemlich frustriert, weil jedesmal, nachdem ich zu sparen angefangen und am Ende den Betrag für ein bestimmtes Gerät fast zusammenhatte, die Produktion schon wieder ausgelaufen war, das geht bei denen manchmal recht schnell. Auf dem Gebrauchtmarkt kriegt man die Dinger kaum.
Davon abgesehen finde ich die Drummachine hier wieder sehr interessant, mit den Gotharmans kann man in der Regel auch ungewöhnliche, noch nicht so abgehörte Sachen machen, die klangliche Bandbreite ist fast immer enorm.
Danke fuer den ausfuehrlichen Test. Top Klangbeispiele – aussagekraeftig und musikalisch!
Toller Bericht, danke Markus!
Auch von mir vielen lieben Dank für den Test. Da ich mich gerade für Drum-Machines mit integriertem Synthesizer interessiere, kommt das hier gerade recht. Und Gotharman ist immer spannend. Die komplexe Struktur finde ich sogar eher inspirierend denn abschreckend. Im Moment ziehe ich deshalb alles in Betracht: Digitakt, Analog Rytm MK II, TR-8S, Alpha Base, ein gebrauchtes Tempest, ein MPC One, sogar das aktuelle Circuit (wenn man es denn noch irgendwo bekommen sollte, scheint es aber nirgendwo mehr zu geben) und auch VSTs.
Bei den Sound-Beispielen sind mir zwei Dinge aufgefallen … und deswegen das Folgende bitte nicht als bösen Seitenhieb verstehen, sondern nur als interessiertes Nachfragen:
a) Stereo-Panorama
Meine Akustik-Sensoren verorten das Gebotene komplett über alle Beispiele in der Mitte, also Mono. Ist das Absicht gewesen oder gibt es da ein Problem?
b) Mittiger Sound
Die selben Waschlöffel signalisieren meinem Gehirn einen eher mittigen Klang. Auch hier über alle Soundbeispiele und zur Sicherheit auch noch mal über Kopfhörer und Monitore nachgeprüft. Britzelige Höhen oder Tritte in die Magengrube scheint das Ding nicht auszuspucken. Auch hier: Absicht oder hat das Teil da Defizite?
@Flowwater Falls du dir die Volca Drum noch nicht angesehen hast, wäre das meine Empfehlung. So ausgefuchst wie das Gotharman-Teil ist sie nicht, aber flexibel genug, um auch tonale Sachen machen zu können. Sehr ungewöhnliches und leistungsfähiges Teil, habe meine seit etwa einem halben Jahr und bin wachsend begeistert.
Vielen lieben Dank für den Tipp! Ist vor allem preislich auch eher im „Nehme ich mal mit“-Rahmen. 👍
@Flowwater @Henrik, ich benutzt die One, den Digitakt und den Rytm, haben alle extremes suchtpotential :)
Wenn ich jetzt nur eine Maschine für alles haben könne, wäre es die One, aber das ist ja bei dir wahrscheinlich auch nicht der Fall.
@Flowwater Ja, die beiden M’s (Mono, Mittig) sind mir auch aufgefallen. Dadurch klingt das für mich ein kleines bisschen in Richtung Pocket Operators (sorry). Trotzdem hat mich der Test neugierig auf die Spazedrum gemacht.
@Flowwater Hi Henrik,
Danke und Danke der Nachfrage :)
a) jeder der 16 Parts hat im VCA und den EFX einen Panning-Parameter, der auch moduliert werden kann und ja der wurde in den Demos wohl nicht genutzt. Genau genommen ist das ganze Konzept Dual-Mono und kein Stereo.
b) ja, wie ich geschrieben habe, der technoide Knaller ist das nicht. Richtig fette Bassdrums sind weinger drin. Das ist kein Defizit sondern Design. Die SpazeDrum ist eben icht der nächste TR-Clone sondern geht in eine ganz andere Richtung – eben „vibey, ätherisch, spacig“.
So ein bißchen wie die Volca Drum, wie lightman geschrieben hat.
:)
Dieses Konzept einer Rhythmusmaschine gefällt mir sehr , da vor allem Grooves möglich sind für die man normalerweise 2 bis 3 kleinere Geräte bräuchte und alle Parameter in the box hat, um sie gegenseitig zu modulieren. Die Soundbeispiele 2, 4 und 11 gefallen mir besonders gut und danke für den tollen Test zu diesem besonderen Gerät wie ich finde.