Apogees Einsteiger-Interface
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Das Apogee BOOM ist das neue Einsteiger-Audiointerface der Kalifornier von Apogee. Der Hersteller mit Sitz in Santa Monica ist in Studiokreisen bekannt für sehr hochwertige Audiointerfaces mit großartigen Wandlern und Preamps. Bisher war nach unten hin zunächst beim Symphony Desktop (1.649,- Euro) und beim Duet 3 (585,- Euro) Schluss. Jetzt möchte man offensichtlich im Einsteigerrevier von Universal Audio Volt, SSL 2(+) und Antelope ZEN Go jagen und mit einem großen Namen die Kunden anlocken. Und um nicht nur auf den Ruf zu vertrauen, hat man das Gerät noch in ein schickes violettes Gehäuse gepackt.
Wie bei den genannten Mitbewerbern ist die Devise: Die Technik der großen Modelle in ein Homestudio-Device packen. Bei diesen Drei hat das mal besser, mal schlechter geklappt. Und man muss sich auch klar sein, dass man den großen Namen auch von einem entsprechenden Preisschild begleitet wird. Wollen wir mal sehen, ob das beim Apogee BOOM funktioniert!
Apogee BOOM: Ausstattung und Technik
Das 2×2 Audiointerface verfügt über zwei Inputs. Klar, oder? Nun, nicht ganz, denn beim BOOM muss man sich mit einem Mikrofonvorverstärker und einem Line-Input zufriedengeben. Ich hatte mich schon gewundert, warum die beiden Interpreten im fancy Werbevideo in ein Mikro singen. Nun gut. Immerhin lassen sich beide auch als Instrument Input mit 3,2 kOhm (Pad on) oder 1 MOhm (Pad off) betreiben. Der Mikrofon-Preamp hat eine Impedanz von 2,4 kOhm und eine wirklich hohe Dynamik von 128 dB (ungewichtet, @62 dB, 150 Ohm Input). Über die Software kann Phantompower hinzugeschaltet werden. Es scheint sich also, von den technischen Daten her, um einen sehr hochwertigen Preamp zu handeln.
Auf der Rückseite findet man die Ausgänge: 2x TRS-Output (symmetrisch) für die Monitore und einen Kopfhörerausgang. Letzterer bietet 24 mWatt bei einer 30 Ohm Last, was etwas mickrig ist. Die USB-C-Buchse schließt die Anschlussmöglichkeiten ab. Bitte beachten: USB-C ist das Steckerformat und damit ist nicht geklärt, ob das Gerät intern mit USB-2 oder USB-3.x arbeitet. Wer meine Tests häufiger liest, der weiß, dass ich das durchaus für wichtig halte. Denn es ist ein entscheidender Unterschied, ob ein Preamp mit 48 V Phantomspeisung und einem hochohmigen Kopfhörer mit 0,5 Watt, 2,5 Watt oder sogar 100 Watt (USB 3.2 Gen 2) versorgt wird.
Apogee macht es einem nicht leicht herauszufinden, wie das Gerät intern arbeitet, aber in der „Declaration of Conformity“ steht es dann letztlich: Rating: 5 V 400 mA USB 2.0. Schade. Im Praxis-Bereich wird man sehen, was das BOOM kann. Sicher ist: Das Apogee ist bus-powered und kann nicht zur Unterstützung mit einem zusätzlichen USB-Netzteil versorgt werden.
Die Frontseite des BOOM besitzt noch einen Drück-/Drehschalter, mit dem man den Eingang (IN1/IN2/OUT) wählen kann (Drehen) und dann nach einem Drücken den Gain anpasst. Allerdings wird diese Anpassung am Gerät nicht als LED-Kette angezeigt. Dann haben wir noch ein eine kleine LED-Kette, bestehend aus jeweils vier grünen und einer roten LED für Ein- und Ausgangspegel und dazu noch 2 LEDs, die die Aktivierung des internen DSPs (Digital Signal Prozessor) für Input 1 oder 2 verdeutlichen.
DSP? Wow, das findet man bei der Konkurrenz nicht … obwohl. Es kommt drauf an. So befinden sich schon in den günstigen Steinberg Interfaces DSP-Prozessoren, die sowohl Effekte als auch Amps simulieren können. Bei Apogee steuert der DSP den Apogee Symphony ECS Channel-Strip, der aus einem Equalizer, einem Kompressor und einer Output-Sektion besteht. Diese Funktionen lassen sich zwar recht umfangreich steuern, aber mehr als den ECS Strip gibt es nicht. Eine freie Nutzung des DSPs mit mehreren Plug-ins, wie bei Universal Audio, gibt es hier nicht.
Laut Apogee hat der BOOM einen sehr guten Wandler verbaut: 192 kHz bei 24 Bit mit einem Dynamikumfang von bis zu 122 dB (A) sind ordentlich und auch die anderen technischen Daten sind aller Ehren wert. Doch haben wir gelernt, dass der Wandlerchip allein nicht den Klang macht: Er muss von einem schwingungsfreien, sauber getakteten Signal mit stabilem Strom versorgt werden.
Die Software des Apogee BOOM
Die Control 2 Software ist sehr gut aufgemacht und überaus intuitiv. Jede Funktion ist klar zu verstehen und alles wird sehr übersichtlich dargestellt. Übrigens auch, wenn man das BOOM an ein iPad Pro anschließt: Die iOS-App ist optisch an den Touchscreen angepasst – dabei verfügt sie über den gleichen Ausstattungsumfang.
Als besonderes Feature möchte ich die Loopback-Funktion erwähnen, die optimal Playback 1-2 oder Playback 3-4 zugewiesen werden können. So kann ich dem Mikrofonsignal gleich zwei verschiedene Quellen beisteuern. Alle weiteren Funktionen sind im Rahmen des Üblichen: Pad, Invertieren, Mono, FX, 48 V und Channel-Linking sind gut erreichbar und selbsterklärend.
Insgesamt freut man sich über ein umfassendes Ausstattungspaket: Ableton Live Lite, der Apogee Soft Limit und Neural DSP Tone King (60 Tage Trial) sind im Lieferumfang enthalten – wenn man sich und das Gerät auf der Apogee Seite registriert. Müßig darüber zu diskutieren: Es ist halt so. Immerhin bekommt man noch einen 50 % Rabattgutschein für den Apogee Software Shop.
Apogee BOOM: In der Praxis
Ein wenig enttäuscht war ich schon, als ich das BOOM in den Händen hielt. Zwar ist der Gehäuserahmen in Violett aus stabilem Metall – Vorder- und Rückseite wirken dagegen eher von einfacher Qualität und sind aus wenig hochwertig wirkendem Kunststoff. Der Dreh-/Drückregler wirkt sehr leichtgängig und hat einiges Spiel. Die Buchsen sind OK, aber das habe ich auch schon stabiler gesehen. Der USB-C Port ist wie bei vielen neuen Geräten ein Schwachpunkt und hat viel Spiel – eine Kabelsicherung gibt es nicht. Dafür immerhin eine Öffnung für das Kensigton-Lock gegen Diebstahl.
Insgesamt scheint das Gerät auch sehr für die Bedienung in der Software ausgelegt, denn in etwas Entfernung macht es schon einen schmucken Eindruck auf dem Studiotisch. Ein Universal Audio Volt ist dagegen wesentlich stabiler und aufwendiger gefertigt. Das SSL 2 (+) hat vielleicht nicht die präzisesten Schalter, dafür ist aber – ebenso wie bei UA – eine anständige Bedienung am Gerät mit guter Rückmeldung möglich. Bei Apogee verlässt man sich darauf, dass die Software die Arbeit verrichtet. Eine Aktivierung der 48 V ist beispielsweise nur über einen Mausklick möglich.
Kurzum: In der Praxis schließ man die Monitore, das Mikrofon und beispielsweise eine Gitarre an, öffnet die Software und kann dann gut und schnell arbeiten. Unter Mac wird kein Treiber benötigt, während man als Microsoft User (wie üblich) einen entsprechenden Download auf der Apogee Website findet.
Eine Funktion scheint die Studiogemeinde zu trennen, denn beim Einstecken eines Kopfhörers werden die Monitore stummgeschaltet. Finde ich das gut? Nun, ein kleiner Mute-Schalter wäre sicherlich besser gewesen, aber im Heimstudio ist das meist gängige Praxis. Wenn ich über Kopfhörer höre, dann brauche ich die Monitore nicht. Erst in einer „anständigen“ Studioumgebung (bitte nicht falsch verstehen), werden Headphone-Mixes parallel zum Monitorsignal gebraucht. Wie erwähnt: Ein kleiner Schalter hätte das Problem gelöst.
Wie klingt das Apogee BOOM?
Keine Frage – das Apogee BOOM ist ein sehr gut klingendes Audiointerface. Insbesondere die Wandler bzw. die Wiedergabe von Hi-Res Musikdateien ist wirklich gut. Sehr transparent, räumlich und ausgewogen macht das Apogee am Mac sowie auch am Windows Notebook viel Spaß. Stimmen werden sehr detailreich wiedergegeben und die Beurteilung des Klangmaterials fallen leicht.
Dynamisch fehlt es mir zwar etwas an Durchschlagskraft – besonders mein Apollo TWIN X Quad zeigt im Vergleich eine merklich höhere Dynamik. Bassreiches Material scheint ohne den direkten Vergleich saftig und kräftig zu tönen – bis man auf das Universal Audio umschaltet und sehr schnell spürt, dass das Apogee offensichtlich tiefe Töne ausreichend laut wiedergibt, aber ohne diese entsprechend auflösen zu können. Instrumenten, wie einem Kontrabass oder auch 80er Wave/Popmusik von Fischer-Z (Going Deaf for a Living, 1980) mit hohem Bassanteil merkt man an, dass der tiefe Klang mehr „Brumm“-Anteil hat als weitergehende Information. Das Schnarren der Saiten, das Slappen oder Anschlagen wirkt – im Vergleich – etwas substanzlos.
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Der Preamp des Apogee BOOM ist ebenfalls sehr solide und insgesamt gut klingend. Nur fehlen mir hier die Gain-Reserven etwas. So reicht es bei meiner Gibson Les Paul Standard vom Neck-Pickup (Humbucker) auf beide Pickups (Mittelposition) umzuschalten, um das Gerät ins Clipping zu bringen. Und dies, obwohl ich zunächst einiges an Reserven eingeplant hatte.
Klar – mit ausreichend Zeit bekommt man schon das passende Setting hin, aber dies haben Volt und SSL 2+ besser hinbekommen. Hier hatte ich immer genug Saft im System, um beim Spiel mit dem Pickup-Schalter keine bösen Überraschungen zu erleben. Bei einer Tele- oder Stratocaster mit Singlecoils ist der Effekt naturgemäß weniger aufgefallen.
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So hinterlässt der Apogee BOOM in diesem Kapitel ein etwas zwiespältiges Bild. Wenn Sie sich das Gerät kaufen oder zum Test holen, dann werden Sie ohne direkten Vergleich denken: „Was hat der Amazona-Typ da nur? Klingt doch bestens.“ Aber wenn Sie sich die aktuellen Mitbewerber im Vergleich anhören, dann wird man schon merken, dass es doch noch etwas besser geht. Mal abgesehen davon, dass UA und SSL besser ausgestattet und günstiger sind.
Kritik am BOOM-Audiointerface
Ob die Monitore nun verstummen, ob man den Kopfhörer einsteckt oder nicht, ist sicher Ansichtssache. Besser wäre, wie erwähnt ein ordentlicher MUTE-Schalter. Auch einen Ein/Aus-Schalter sucht man vergebens. Das Gerät wird einfach über das Stecken des USB-Kabels aktiviert.
Negativ auch, dass man die Einstellung des Input-Gains nicht optisch verifiziert bekommt und schließlich noch das technisch grundsätzlich völlig ausreichende USB-2, das aber für den aufgerufenen Preis und dazu noch im Jahr 2022 auch schon USB-3 sein könnte.
Die Verarbeitung ist leider auch nicht der Weisheit letzter Schluss – der schöne Schein des violetten Metallrahmens wird durch die eher billig wirkenden Kunststoffteile zerstört. Hier bieten – das muss man offen ansprechen – die Mitbewerber mehr Anfassqualität.
Mein wichtigster Kritikpunkt ist aber die Tatsache, dass ich mit dem BOOM nur einen vollwertigen Mikrofon-Preamp bekomme und der zweite Eingang nur Line Signale verarbeitet. Dafür ist das Gerät, das definitiv für Einsteiger und Heimstudios konzipiert ist, definitiv zu teuer. Auch die an sich gute Klangqualität macht das nicht wett, denn die haben die Mitbewerber auch.
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Was genau stört dich an „nicht USB3“? Von der Datenrate wird es definitiv nicht gebraucht, keinerlei Mehrwert. Ist es die etwas höhere Stromverorgung? Dann würde ich ehrlich gesagt eher den fehlenden externen Stromanschuss kritisieren.
Ich finde es auch zu teuer. Ich hatte das erste Duet und fand das ziemlich gut. Hier ist wenigstens, wenn ich den Test richtig verstanden habe, es möglich ein Stereosignal einzuspeisen, obwohl nur ein Mic Eingang da ist. Das sehe ich eindeutig als Vorteil. Ein Mic Eingang und ein Line Eingang ist indiskutabel. Es muss optional möglich sein, die zwei Eingänge für ein Stereosignal „gleich“ zu schalten. Dann ist mir ein Mic Eingang schnurz.
@Tai Der BOOM hat einen Mic/Line Kombi und einen Line. Die beiden Kanäle können als Stereoline In geschaltet werden. Stereo ist hier auch möglich.
Schade, bei der Kompaktheit eigentlich eine feine Sache.