Ein Mikrofon-Klassiker wird 25 Jahre alt
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Die Firma Neumann stellt seit Jahrzehnten erstklassige Mikrofone für den professionellen Studiobereich her. Die wohl bekanntesten Neumann-Klassiker sind das Neumann U47 und das Neumann U87. Mit dem Neumann TLM 103 Großmembranmikrofon führte Neumann 1997 eine erschwingliche Alternative zum Neumann U87 ein, die sich zu einem absoluten Verkaufsschlager entwickelte und heute selbst schon eine kleine Legende ist.
Wir haben uns den jungen Klassiker deshalb nochmals genau angesehen und das Neumann TL 103 Studioset schicken schicken lassen, bestehend aus dem Großmembranmikrofon TLM 103 und der dazugehörigen Spinne EA 1. Das Set kostet derzeit im Handel 1.099,- Euro.
Verpackung, Aufbewahrung
Das Studioset kommt in einem gut gepolsterten Pappkarton – und nicht wie sonst üblich in dieser Preisklasse, in einer kleinen Holzkiste oder einem Alu-Koffer.
Wer unbedingt aus repräsentativen Gründen im Studio lieber eine schmucke Holzkiste hat, bestellt dann am besten das TLM 103 einzeln, HIER ZU BEKOMMEN, für 1039,- Euro. In diesem Angebot ist zwar dann die begehrte Holzkiste dabei, aber keine Spinne. Die Spinne würde dann separat mit 259,- Euro zu Buche schlagen und wäre HIER ERHÄLTLICH.
Uns fiel die Entscheidung daher leicht, denn letztendlich geht es um Sound im Studio und nicht um Optik. Das Studioset sieht im geöffneten Zustand wie folgt aus:
Wie man sieht, befindet sich im unteren Viertel ein kleiner, integrierter Karton. Dieser ist im Lieferzustand leer, bietet aber Platz für ein geeignetes XLR-Mikrofonkabel. Da der zweiwandige Karton wirklich einen stabilen Eindruck macht, wäre das Set inklusive Kabel dann sauber verstaut. Ein kleines, aber feines Detail. Gefällt mir.
Haptik und Verarbeitung
Auch heute noch werden sämtliche Neumann Mikrofone in Wedemark bei Hannover unter besten Bedingungen in besonders sauberen Räumen (Reinstraum) gefertigt.
Die hochwertige Verarbeitung merkt man dem Mikrofon sofort an. Hier gibt es keine überstehenden Grate oder wackeligen Teile. Und auch das untere Ende des Mikrofons mündet nicht einfach in einem Mikrofonkabel-Anschluss, sondern verfügt über ein Schraubgewinde für die dazugehörige Spinne EA-1. Gerade bei preisgünstigen Großmembranmikrofonen werden Spinne und Mikrofon nur ineinander gesteckt.
Rauschverhalten
Neumann hat sich genauso wie Brauner, AKG und Sennheiser gegenüber der Schwemme an Fernost-Mikrofonen durchzusetzen. So wird stets kräftig weiterentwickelt, um den technologischen Vorsprung beizugehalten. Bei seinem Erscheinen im Jahr 1997 galt das Neumann TLM 103 als Meisterwerk und als rauschärmstes Großmembran-Mikrofon weltweit.
Bei hochsensiblen Aufnahmen, beispielsweise beim Sampling eines Flügels oder anderen sehr leise gespielten Instrumenten, ist es unabdingbar, so wenig Rauschen wie möglich aufzuzeichnen, damit auch bei der späteren Nachbearbeitung genügend Dynamik zur Verfügung steht. Somit wird man hier also zu einem sehr rauscharmen Mikrofon, PreAmp und Wandler greifen wollen. Ein stark vereinfachtes Beispiel: Der Dynamikumfang eines Orchesters ist mit ca. 70 dB angegeben. Dies ist aber nicht die Dynamik, die für eine gute rauscharme Aufnahme benötigt wird. Gehen wir davon aus, dass ein einzelnes Soloinstrument eines Orchesters die untere Marke von 70 dB ist, so brauchen wir zusätzlich ca. 40-60 dB Dynamik, um auch dieses Instrument tontechnisch ordentlich abbilden zu können. Addieren wir diese beiden Dynamikbereiche, kommen wir auf 130 dB, was dem Dynamikumfang des durchschnittlichen menschlichen Ohres entspricht. Und da dies das Maß aller Dinge ist, sehen wir, wie wichtig ein möglichst großer Dynamikumfang bei gleichzeitig gerigem Eigenrauschen ist, wenn man wirklich hochwertige Aufnahmen machen möchte. Bei der Aufnahme eines Soloinstruments kann oft auch mit geringerem Dynamikumfang gearbeitet werden, da man hier das Rauschen in den Pausen mit einem ordentlichen Noisegate manchmal klanglich unauffällig entfernen kann. Während das Instrument spielt, wird das Rauschen durch den Maskierungseffekt (Psychoakustik) jedoch nicht hörbar sein.
In unserem Aufnahmeraum erreichten wir mit 30 dB Gain stolze -86 dBFS (rms).
Vor einigen Jahren hat unser (leider inzwischen verstorbener Autor Torsten Walther) folgenden Vergleich angestellt:
Zum Vergleich haben wir ein AKG C3000b mit ganzen 8 dB höherem Rauschen (also -78 dBFS(rms)) gemessen, wobei auch das AKG für seine Rauscharmut bekannt ist. Als Vorverstärker diente ein RME Fireface 400, das die gleichen PreAmps besitzt wie der große RME Micstacy. Ob man diese Rauschwerte auch im eigenen Studio erreicht hängt dabei auch von der Schallisolation des Aufnahmeraumes ab. Liegt das Studio beispielsweise an einer Stark befahrenen Straße, so muss schon eine Raum-In-Raum Konstruktion her, um solch niedrige Pegel über den gesamten Frequenzbereich zu ermöglichen.
Denn bei hochsensiblen Aufnahmen sind sonst die Straßengeräusche auf der Aufnahme deutlich hörbar, diese muss man als Rauschen hinzurechnen. Auch normale Wände oder Schallisolationsfenster lassen immer noch genug Schall passieren, der bei solchen Aufnahmen störend wirken kann.
Technischen Werte und Mikrofonkapsel nach K87
Das TLM 103 verfügt über ein kleines und robustes vernickeltes Metallgehäuse, in dem eine aufwendige und moderne Elektronik um eine K87 Kapselvariante, der K103, verbaut ist. Die Kapsel des U87, die K67 bzw. K87 genannt wird, besteht aus zwei Membranen, einer Vorder- und einer Rückseite, mit denen sich auch andere Richtcharakteristiken (Kugel, Acht) abbilden lassen. Das TLM 103 nutzt hingegen nur die Vorderseite der K67/87 und ist daher auf die Nierencharakteristik festgelegt. Das wiederum macht das TLM 103 kleiner und günstiger, jedoch durch eine ausgeklügelte elektronische Symmetrierung keineswegs die technischen Werte verschlechtert, sondern sogar verbessert. Natürlich muss auch das TLM 103 über eine 48 V Phantomspeisung mit Strom versorgt werden.
Die Richtcharakteristik ist auf eine Niere beschränkt, was für die meisten Anwendungsbereiche ideal ist. Der Frequenzgang ist nicht linear, sondern mit einer Anhebung ab 5 kHz mit ca. 4 dB etwas höhenbetont, was bei den meisten Aufnahmen der Präsenzbetonung zugute kommt. Der Ersatzgeräuschpegel ist nach CCIR mit 17,5 dB und 7 dB(A) angegeben. Etwas aussagekräfitger ist der Signal-Rausch-Wert von 87 dB (A) relativ zu 94 dB SPL. Das TLM 103 kann Pegel bis 138 dB unverzerrt übertragen und besitzt einen Dynamikumfang von 131 dB (A).
Das TLM 103 bietet keinerlei Schalter zur Veränderung der Charakteristik an. Interessant ist jedoch, dass die neueren Modelle des TLM 103 intern überarbeitet wurden. Zum einen wird ein neues Keramik-Platinenmaterial eingesetzt, das einen Keramik-SMD-Hybrid Aufbau ermöglicht. Die Vorteile liegen hierbei laut den Neumann Technikern in der Möglichkeit, die Keramikwiderstände mit einem Laser trimmen zu können und so für eine hochgenaue Schaltung zu sorgen.
Ein hidden Feature bei älteren TLM 103 Versionen
Für die meisten Anweder dürfte interessanter sein, dass einige ältere Modelle des TLM 103 über eine versteckte Möglichkeit eines schaltbaren Low-Cuts und -10 dB Pad verfügen.
Hierzu muss man die kleine Schraube an der Seite der XLR-Buchse lösen und diese vorsichtig herausziehen. An der Platine des XLR-Steckers befinden sich zwei DIP-Schalter, mit denen der Low-Cut und das Pad aktivert werden können. Sicherlich ist dies nicht für den täglichen Gebrauch gedacht, aber es ist schön, dass es dieses (wenn auch undokumentierte) Feature gibt.
Die neuen Ausgaben des TLM 103 haben diese kleine Schraube am XLR-Gehäuse nicht.
Praxistest dern Neumann TLM 103
Ich konnte das Neumann TLM 103 bei mir im Studio mit meinem eigenen Gesang testen. Als Mikrofonverstärker nutzte ich einen Kanal des Joemeek twin Q2 Optimal Kompressors mit integrierten Equalizer. Dieses Setup ist mir in Verbindung mit dem OC818 wohl vertraut.
Meine etwas tiefer Stimmlage wurde nicht nur sehr transparent aufgelöst wiedergegeben, sondern erlaubte auch eine harmonische Integration in bestehende Mischungen. Leises Wispern bis hin zu sehr laut gesungenen Passagen nahm das Neumann TLM 103 ohne Probleme hervorragend auf. Tatsächlich empfand ich den Klang meiner Stimme durch das Neumann TLM 103 ein wenig „angenehmer“ als durch das OC818. Aber das ist am Ende Geschmacksache. Vor allem in den lauten Passagen klang das Neumann in meinen Ohren nicht so „harsch“ wie das OC818. Ich war jedenfalls mit dem Ergebnis wirklich sehr zufrieden. Und die Unterschiede sind keine Herabsetzung der Qualität des OC818, sondern beziehen sich wirklich auf den Sound. Ich werde auf jeden Fall beide Mikrofone behalten :)
Mitbewerber
Als echte Alternative hat sich während meines Tests mein Haus- und Hofmikrofon Austrian Audio OC818 herausgestellt. Das OC818, angelehnt an das AKG 4C12 / C14, sind konzeptionell etwas anders aufgebaut, liegt aber preislich im gleichen Bereich wie das TLM 103. Das OC818 verfügt aber über mehr Features und einen breiteren Anwendungsbereich (siehe verlinkten Test).
Grundsätzlich klingen aber beide Mikrofone relativ unterschiedlich, was den Frequenzgang und die Richtcharakteristik angeht. Empfehlenswert sind sie auf jeden Fall beide.
Wer sich aber den klassischen Neumann Sound ins ambitionierte Homerecording-Studio holen möchte und nicht bereit ist, 2.500,- Euro (U87) oder 3.800,- Euro (U47) dafür auszugeben, der wird mit dem TLM 103 ganz sicher glücklich werden.
Das Neumann TLM 103 on YouTube
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Hallo, Danke fuer den schoenen Test.
Auf der amerikanischen MikrofonTuner Site „micparts“ wird uebrigens eine Austauschkapsel fuer USD 159,- angeboten um den Klang zu verbessern:
https://microphone-parts.com/pages/neumann-tlm103-mods
Beste Gruesse,
Vielen Dank für den Testbericht.
Ich hatte mich vor Jahren mal auf die Suche nach einem Mikrofon für meine Gesangsstimme gemacht. Ein Freund hat mit mir ein kleines Shootout in seinem Tonstudio gemacht. Wir haben das AKG C214 mit dem Brauner Phantom und dem TLM 103 verglichen. Das C214 konnte nicht mithalten, war vielleicht auch ein unfairer Vergleich. Der Freund fand das TLM 103 am Besten, ich hatte mich aber für das Phantom entschieden. Der klare Klang hat mich einfach umgehauen. Nach nun vielen Aufnahmen mit dem Phantom würde ich aus heutiger Sicht dem TLM 103 den Vortritt lassen. Meine Gesangsaufnahmen mache ich seit ein paar Monaten in meinem inzwischen akustisch optimierten Homestudio allerdings über ein U87 Ai. Zusammen mit den Akustik-Elementen eine meiner besten Investitionen.
Beeindruckend!
Das ist Hi Tech.