Resynthetische Drums!
Mit Steinberg Backbone versprechen die Hamburger Entwickler nicht weniger als eine Neuheit: Ein Drum Re-Synthesizer, der das Erstellen von Drumsounds und Sounddesign-Elementen revolutionieren soll. Das klingt vielversprechend. Da werfen wir doch gerne einen Blick auf das gute Stück.
Der schnelle Blick
Der Download findet bei Steinberg Backbone wie immer über den hauseigenen Download-Manager statt. Klappt alles prima. Öffnen des Plugins im Host-Programm geht auch fix und Steinberg Backbone braucht nur wenig CPU-Ressourcen (solange man Resynth nicht exzessiv nutzt) – fein.
Leider gibt es zum Backbone keine Standalone-Version. Das fände ich aber gerade dann interessant, wenn man beim Kreieren von Sounds unabhängig von der DAW agieren und nicht immer eine Host-Applikation im Rücken haben möchte.
Die farbliche Absetzung der Module (Sample, Resynth, Pitch, Filter und Amp) ist simpel und stringent durchgezogen, sehr schön. Die Knöpfe finde ich allerdings nicht immer ganz übersichtlich. Bei Pitch ist der Key-Follow bspw. nicht an derselben Stelle wie bei Filter und Amp, die Beschriftung wirkt etwas unscheinbar und die unterschiedliche Größe der Knöpfe steigert meiner Ansicht nach nicht die Übersichtlichkeit, aber das sind Kleinigkeiten.
Auch schön ist, dass man nicht mit zig Fenstern „zugeballert“ wird. Die Sound-Library (Button „Load“) lässt sich bequem seitlich und die Effekt-Sektion wird unten angedockt. Für die einzelnen Module gibt es Detailansichten. Das ließe sich auch kaum anderes realisieren.
In der Anwendung
Steinberg Backbone ist nicht einfach nur ein weiterer Drum-Sampler wie Groove Agent oder Battery. Backbone zeigt sich weniger als Synthesizer, dafür als Drum-Sampler mit Extras und weitreichenden Editiermöglichkeiten. Es gibt auf dem Markt bereits etliche Drum-Sampler (wie Battery), auch welche mit Extras wie Decompose (Groove Agent), aber ein solches Tool, mit genau diesen Funktionen, dürfte eine längere Suche in Anspruch nehmen.
Steinberg Backbone bietet (wie bereits Groove Agent) die Möglichkeit, ein Sample mittels Decompose in seinen Geräuschanteil und seinen tonalen Anteil zu trennen. So kann man munter mischen und neue Drum-Sounds erzeugen. Auch die Gewichtung zwischen Geräusch und tonalem Anteil lässt sich neu ausrichten bzw. getrennt bearbeiten. Man kann sich so eine Bibliothek von Geräuschanteilen und tonalen Anteilen anlegen und bei Bedarf ins Spiel bringen. Dank der Layer-Möglichkeit lassen sich dazu unterschiedlichste Einzel-Samples übereinanderlegen.
Im Sample-Editor (in schickem Rosa) von Backbone lässt sich das Sample selbst kürzen, faden, umdrehen (reverse) und die Loop-Funktion steuern. Ein Hoch- und Tiefpass sind hier ebenso mit dabei (nicht alltäglich an dieser Stelle).
Interessant ist die Funktion, das Sample erst mit dem Note-off-Befehl zu triggern. Die Tonhöhe lässt sich ebenfalls analysieren … wäre das bei den anderen Samplern nur auch so verdammt einfach.
Das Resynth-Modul (in Blau) lässt sich im tonalen- oder Geräuschmodus betreiben. Es kann die Position innerhalb des Samples bestimmt werden (erinnert an die Granular-Synthese), auch Formantverschiebungen sind hier möglich. Die Resynthese-Funktion lässt sich auch noch beschleunigen oder verlangsamen, leider nicht umkehren (z. B. per Hüllkurve). Das entsprechende Sample vorausgesetzt, lassen sich hiermit interessante akustische Akzente erzeugen.
Die Tonhöhe (Pitch-Modul, in Rot dargestellt) lässt sich statisch oder in einer Hüllkurve ändern. Hier ist Steinberg Backbone eher traditionell von der Bedienung her. Ebenso ist die Filter-Sektion (in Gelb) ausgelegt.
Die Pegel-Hüllkurve (in einer Art Grün) ist im Amp-Modul zu finden. Auch hier ist die Bedienung eher traditionell. Es gibt eine Headroom-Funktion (wohl eher Margin, oder?) und die Möglichkeit, die Phase zu drehen.
Beim Gestalten der Hüllkurven ist der Anwender praktisch vollkommen frei. Das ADSR-Modell rückt eher in den Hintergrund, auch sehr schön. Es können frei Punkte zur Hüllkurve hinzugefügt werden.
Was in der Praxis etwas unkomfortabel ist: Backbone kann keine Drumkits erstellen. Wenn man Bass-Drum, Snare-Drum und HiHat erzeugt hat, braucht man drei Instanzen. Intuitives Einspielen geht so leider nicht. Auch das besondere Handling der HiHat (open, close …) ist so schwieriger. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, da man die Kreationen sehr leicht in jeden Drum-Sampler oder eine Audiospur exportieren kann: Einfach per Drag’n’Drop, so macht das Spaß. (Steinberg plant keine „Drumkit-Funktion“, wie auf Anfrage bekanntgegeben wurde.)
Platz zum Träumen … es gibt immer Wünsche
Die Effekt-Sektion ist mit acht Slots und einer Fülle von Effekten recht üppig ausgestattet. Die Effekte sind solide und klingen wirklich gut. Allerdings finde ich das Routing etwas unflexibel für ein solches Werkzeug. Mir ist klar, dass die meisten (Software-) Synthesizer ähnlich flexibel oder gar deutlich unflexibler sind (simples in Reihe schalten von Effekten), trotzdem hätte ich mir einen Feedback-Loop als Routing-Option gewünscht. Für manche Soundkreationen ist ein solches unumgänglich. Auch wären mehr gegenseitige Modulationsmöglichkeiten eine Idee für die 2.0-Version des „Rückgrats“.
Wirklich gewünscht hätte ich mir wie gesagt eine Standalone-Version. Ich arbeite beim Kreieren von Sounds lieber mit Standalone-Versionen, das scheint aber ein Trend zu werden, dass Standalone-Versionen nicht mehr mitgeliefert werden. Auch die Software-Spezialisten aus dem Hause Steinberg haben wohl die Idee diskutiert und verworfen.
Backbone ist nicht ein reiner Drum-Sampler, pardon Re-Synthesizer, sondern durchaus eine Werkstatt fürs Sounddesign in Film, TV, Game und Musik. Gerade im Zuge dessen wäre eine einfache Synthese (wie einst bei der Freeware Stomp) keine schlechte Sache. Immer erst einfache Wellenformen aus einem (Soft-) Synth zu exportieren, erscheint mir nicht gerade im Sinne eines guten Workflows. Auch der Support von Surround oder Immersive Audio ist (noch) nicht gegeben, wirklich schade.
Bei allen Luftschlössern und Wunschträumen, die ich hier baue, muss berücksichtigt werden: Steinberg Backbone ist für günstige 150,- Euro zu erstehen. Weitere Features würden Geld kosten, daher: Das ist keine Kritik an Backbone, eher eine Wunschliste. Wünschen kann man ja mal …
Groove Agent reicht doch eigentlich, oder?
Die große Frage: Reichen denn Groove Agent oder Halion nicht aus und man könnte sich Steinberg Backbone dann sparen? Klare Antwort: nein!
Groove Agent ist was anderes, obwohl der groovige Agent in seiner letzten Inkarnation durchaus den tonalen vom geräuschhaften Teil zu trennen weiß, so fehlt ihm die Bedienbarkeit und die Layer-Technik von Backbone. Selbst wenn man ähnliche Ergebnisse mit Groove Agent erreichen könnte, der Aufwand (und der Preis) liegen deutlich höher (Letzteres gilt auch für Halion).
Um es klar zu sagen: Backbone ist von der Bedienung und der Oberfläche her deutlich einfacher und übersichtlicher als Halion und Groove Agent. Das Plugin ist erfrischend schnörkellos – und das von Steinberg. Die Hamburger haben sich durchaus öfter den Vorwurf anhören müssen, Plugins mit Funktionen etwas zu überladen; es ist also ein guter Trend, der sich da abzeichnet.
Schade ist, dass sich Round Robin (durch Samples oder auch als „Fake“ in den Parametern) nicht realisieren lässt. Man müsste quasi händisch einzelne Samples exportieren und diese dann bspw. als Round Robin in Groove Agent (oder Battery etc.) exportieren. Leider bleiben Besonderheiten, die durch Spielparameter (Velocity, Key-Follow …) erzeugt werden, beim Wave-Export auf der Strecke. Ob es da mal einen gezielten Export zu Groove Agent (ReDrum, Drumrack, Battery …) oder wenigstens Halion geben wird? Wie gesagt: bei dem Preis und der Qualität der Software wirklich kein Kritikpunkt, nur wieder ein Wunsch.
Ich habe Backbone mittlerweile als recht praktisches Designer-Werkzeug im Gebrauch liebgewonnen. Bisher habe ich mir für Groove Agent persönliche FX-Kits zusammengestellt, aber auch für Make Noise Morphagene interessante Abläufe erstellt. Für mich hat sich die Anschaffung wirklich gelohnt. Allerdings würde auch ich mir eine Standalone-Version wünschen.
Meines erachtens nach wuerde sich Backbone durchaus besser verkaufen wenn es auf den Sound Design markt anstelle des Musik marktes fokussiert waere; dann waere das mit der fehlenden multitimbralitaet kein problem.
Die fehlende Standalone version ist mir eigentlich schnuppe seitdem ich die Cubendo media bay als meinen sound browser verwende, ansonsten ist fuer Windows user mit SAVIHost das auch gar kein problem ueber das man sich beschweren sollte.
Das sehe ich ähnlich! Auf dem SD_Markt wäre das Tool fast besser aufgehoben!
LG
F
Ganz klar Sound Design mit Fokus auf Perkussives, was aber in keinem Fall kein Muss ist.
wie gesagt, FX-Sounds, Drones… ist auch was hübsches!
„Ganz klar Sound Design mit Fokus auf Perkussives, was aber in keinem Fall kein Muss ist.“
Entschuldigung, da war ein „k“ zuviel dabei, soll heißen „was aber in keinem Fall EIN Muss ist.“
Die Filter, die Effekte und Decompress stammen aus dem Halion-Groove-Agent-Baukasten. Da ich den beides besitze, hätte ich mir ein Crossgradepreis gewünscht, da ich 149 als zu viel empfinde. Backbone ist übersichtlich gestaltet, bietet einen leichten Einstieg und regt die Kreativität an. Eine eigene Klangerzeugung hätte ihm gut getan.
Ich hoffe die Resynthese landet im Sampler track von nächsten Cubase update
Die Frage ist, ob die Hersteller von Backbone auch aus dem Halion-/Groove Agent-Umfeld kommen und überhaupt Zugriff auf solche Bausteine haben. Ich denke, dass Backbone von Steinberg vertrieben wird, wie Spectral Layer auch, aber das Entwicklungsteam könnte ein ganz anderes sein. Aber ich weiß es nicht.
Ich denke schon, die Filter haben die selben Drivetypen, die Effekte kommen mir auch bekannt vor. Ist ja auch nicht schlimm, bewerte“Bauteile“ innerhalb der Familie wieder zu verwenden.
Gehörbererter würde ich auch sagen, dass das „alles“ aus dem GrooveAgent (und der allgemeinen Werkzeugkiste) ist. Ich sehe da auch nix schlimmes dran!
LG
F
„und das von Steinberg“. Besser kann man es nicht sagen : )
Ich habe zwei Fragen zum Test:
Was bedeutet „round robin“?
Der Steinberg-Seite entnehme ich zudem, dass zum Betrieb am M1-Mac Rosetta2 notwendig ist.
Muss ich damit rechnen, dass das Plugin mir Logic komplett ausbremst weil es nicht nativ auf Apfelsilicon läuft?
beste Grüsse und Dank,
arne
Moin Arne,
zum M1 kann ich nix sagen. Ich gehe nicht davon aus, dass BB Dir Logic „zerschießt“.
Round Robin meint, dass von gleichen Sound mehrere Samples vorliegen und diese abwechselnd gespielt werden: Du hast die Snare Drum quasi mehr als einmal und der Sampler spielt die Samples abwechselnd hintereinander um den „Machine Gun“ Effekt zu verhindern.
LG
Florian
Nachdem dieser Test mir den letzten Entscheidungsschub gegeben hat, hab ich mir Backbone gerade mit Rabatt geschossen und muss sagen, ich habe mich gleich verliebt. Was man schon aus einem einfachen selbst aufgenommenen Klatschen herausholen kann ist fantastisch!
Ich denke ich werde den morgigen Samstag damit verbringen, sehr viel und ausgiebig zu experimentieren. 😉😂
Das klingt gut! Lass mal was hören 🙂
LG
Florian
Gerne, jetzt bin ich noch dabei fleißig zu experimentieren und mir die Möglichkeiten von Backbone zu erarbeiten und dann denke ich daran ein Drum-Kit für Groove-Agent zu erstellen, dann bastele ich gerne auch mal eine kleine Demo zusammen.
Kann man denn hier bei Amazona auch im Chat oder so was hochladen, oder muss das über einen externen Link laufen?
Ciao :-)
Richard
Hallo zusammen (mein erster Kommentar bei amazona),
was ich bei Backbone vermisse ist die Funktion die Einstellungen als Batch auf einen Ordner mit Ausgangssamples anzuwenden (oder gibt es die Funktion und ich kann sie nicht finden?). Ansonsten ist es tatsächlich sehr gut und vor allem sehr übersichtlich aufgebaut.
Gruß Christian