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Velvet Box: Wurlitzer 200A, Vintage E-Piano

Das Supertramp-Piano

25. März 2023
Velvet Box: Wurlitzer 200A, Vintage E-Piano

Velvet Box: Wurlitzer 200A, Vintage E-Piano

Wurlitzer 200A oder Rhodes Mk I bzw. das ab 1979 erhältliche Mk II  – diese Wahl musste ein Keyboarder Ende der 70er-Jahre treffen. Die meisten entschieden sich für das Rhodes, das für Jazz, Jazzrock, Fusion und auch Pop der Favorit war, mit seinem weicheren, leicht glockigen Klang. Beim Funk besitzen beide Instrumente ihre Vorzüge. Bei Rock’n’Roll, Soul und Country dagegen hat für mich eindeutig das Wurlitzer 200A die Nase vorne. Es klingt bissiger, rockiger – übrigens auch „klavieriger“. Rick Wright von Pink Floyd hat beide Instrumente sehr differenziert eingesetzt. Das jazzige Intro von Sheep auf Animals spielt er auf dem Rhodes. Bei Money (The Dark Side of the Moon) benutzt er ein Wurlitzer. Ebenso bei Have a cigar auf Wish you were here, wo das Wurlitzer die funky Chords des Hohner Clavinet akzentuiert. 

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Wurlitzer E-Pianos – Heute rare Instrumente

Echte Wurlitzer-Fans würden sicher auch Ray Charles als Kronzeugen aufführen, der 1959 seine Blues- und Gospelhymne „What’d I Say“ auf einem Ahnen des 200A spielte – dem 120. Ein phantastisches Instrument, über das die Tastronauten schreiben: „Das Wurlitzer 120 hat eine Tastatur, die dem 200A ähnlich ist, aber sensibler und feiner akzentuierbar. Der Vorverstärker ist ein Röhrenvorverstärker, was sich sehr positiv auf den Klang auswirkt. Das 120er klingt sanft gespielt glockiger als andere Wurlitzer. Stark angeschlagen klingt es deutlich aggressiver. Der Klang ist aber insgesamt sehr warm und voll.“ Das Wurlitzer 120 ist ultrarar. Aber auch die Wurlitzer-Modelle 200 (ab 1968) und 200A, wobei Letzteres von 1974 bis zum Ende der Produktion 1984 in größeren Stückzahlen gefertigt wurde, sind im Vergleich zum Rhodes heute eher selten zu finden. Verkaufsanzeigen erscheinen im Verhältnis 1 zu 5 würde ich über den Daumen schätzen.

Und während ein Rhodes ab und an noch unter 3000,- Euro angeboten wird, geht es beim Wurlitzer erst ab 4.000,- Euro überhaupt los. Grundsätzlich können von den Beinen, über das Sustainpedal bis zu den Klangzungen heute wieder viele Ersatzteile bei spezialisierten Firmen nachbestellt werden. Trotzdem sollte gerade ein Wurlitzer nur nach persönlichem Anspielen gekauft werden. Diese Instrumente haben mehr als 40 Jahre auf dem Buckel und können auch durch unsachgemäße Lagerung kaputtgehen. Also selbst in Augenschein nehmen, ob zum Beispiel die Tasten nach dem Anschlag von alleine wieder nach oben kommen. Und lauschen, ob Intonation und Stimmung halbwegs okay sind oder auch, ob es störende Brummgeräusche gibt. Fast alles lässt sich irgendwie reparieren, aber es wird dann halt sehr schnell richtig teuer. Und ein Wurlitzer komplett selbst durchstimmen – das kommt Höllenqualen schon sehr nahe.

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Mein Wurlitzer 200A im Übungsraum am Paul-Lincke-Ufer in Berlin-Kreuzberg. Hier hatte ich die Orgel schon durch den Korg Polysix ersetzt. Am Bass: Cherno Jobatey. (Foto: Stefan Deubel)

Sound and Vision: Wurlitzer Vintage Keyboard

Zum Fender Rhodes gibt es einen ausgezeichneten Artikel von Martin Andersson, jetzt ist es an der Zeit auch dem Wurlitzer – oder Wurli, wie es von seinen Besitzern fast zärtlich genannt wird – eine Velvet Box auf AMAZONA.de zu spendieren. Wobei ich auch ein wenig über die Geschichte der Firma Wurlitzer erzählen möchte. Die unglaubliche Erfolgsstory eines deutschen Auswanderers im Land der unbegrenzten Möglichkeiten endete erst vor wenigen Jahren mit der Insolvenz des deutschen Zweigs des Wurlitzer-Unternehmens. Für mich mischt sich in diesen Report ein kleiner Wermutstropfen, befand sich doch ein Wurlitzer 200A 25 Jahre lang in meinem Besitz. 2005 habe ich es verkauft und das ist in der Rückschau ein echter Verlust, den kein Kurzweil und auch kein Clavia Nord Grand ausgleichen kann. Obwohl beide Instrumente relativ gute Wurli-Sounds an Bord haben.

Velvet Box - Wurlitzer 200A

Das Wurlitzer E-Piano hat mit seinem ikonischen Sound unzählige Songs geprägt (Foto mit freundlicher Genehmigung von Morriwienc0)

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei Morris, der mir schon für meinen Supertramp-Artikel seine Wurlitzer-Fotos zur Verfügung gestellt hatte. Dieses wunderschöne, sehr gepflegte E-Piano in Beige ist das frühere Model 200. Neben der cremefarbenen Version war dieses E-Piano auch in Tannengrün, Rot und Schwarz erhältlich. Das spätere Modell 200A wurde dagegen fast ausschließlich in Schwarz ausgeliefert. Es soll aber auch eine Variante in Avocadogrün gegeben haben.

Für Klangbeispiele konnte ich einige YouTube-Videos einbeziehen. Ich habe aber auch noch mal die alten Kassetten rausgekramt mit Live-Mitschnitten und Demos aus dem Übungsraum – so klang mein Wurli damals Anfang der 80er. Das Intro zu Rockstar, die ruhige Ballade Sens de la vie und Zukunft, eine Abgehnummer, bei der sich das Wurlitzer gegen Gitarren behaupten muss.

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Mit dem Wurlitzer 1982 live im Quartier Latin in der Potsdamer Straße, von 1974 bis 1989 Hotspot für Konzerte in der Mauerstadt. Mitstreiter bei Nieswurz: Gitarrist Stefan Kühne, Bassist Karsten Nubel und Sängerin Karen Bartsch. (Foto: Andreas „Stavros“ Heise)

Unterschiede zwischen Wurlitzer 200 und 200A

Das 200A bekam eine bessere Abschirmung gegen Brummgeräusche und einen überarbeiteten Verstärker, der mehr Dampf machte. Während die mechanischen Teile wie Hämmer, Dämpfer, Tasten und Klangzungen praktisch identisch und damit austauschbar bei beiden Pianos sind, gibt es einige weitere Unterschiede, etwa bei Erzeugung des Tremoloeffekts (der im 200 ist etwas weicher) und beim Aux Output (das 200A besitzt dafür einen eigenen Schaltkreis mit zwei Transistoren, um das Signal zu boosten). Auch die verwendeten Lautsprecher sind unterschiedlich. Die Alnico-Lautsprecher im Modell 200 sind direkt an der Verstärkerschiene befestigt und damit ultrastabil – da klappert nichts. Im Gegensatz dazu wurden beim 200a die Keramik-Lautsprecher mit vier Schrauben direkt auf dem Kunststoffgehäuse befestigt. Wenn mit der Zeit sich die Schrauben lockern, kann das zu unschönen rasselnden Geräuschen führen. Beim Abnehmen des Deckels muss man beim 200A sehr vorsichtig vorgehen, um die empfindlichen Lautsprecherkabel nicht versehentlich zu beschädigen. Und auch beim Sound gibt es Unterschiede: „Alnico-Lautsprecher haben einen weicheren Klang und eine natürliche Kompression, wenn sie bei hoher Lautstärke gespielt werden. Dies verleiht dem 200er einen Hauch mehr Wärme.“ (tropicalfishvintage)

Velvet Box: Wurlitzer200 und 200A

Das Wurlitzer 200 bzw. 200A besitzt eine aufwändige Mechanik (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Wurlitzer 200A: Reeds statt Tines

Ein Blick ins Wurlitzer zeigt die sehr aufwändige Mechanik, die stark an ein  herkömmliches Klavier erinnert und sogar eine Auslösung besitzt. Ein befilzter Hammerkopf schlägt auf eine gestimmte Metallzunge (Reed), die Schwingung wird durch ein elektrostatisches Tonabnehmersystem aus Kondensatorplatten abgenommen und verstärkt. Das Prinzip hatte der US-amerikanische Radioingenieur Benjamin Franklin Miessner erfunden. Miessner hatte den Ehrgeiz, alles zu elektrifizieren: Geigen, Celli, Orgeln und Klaviere. Miessner baute in ein normales Upright-Piano mit Saiten Tonabnehmer ein. Die Firma Wurlitzer kaufte das Patent für die elektrostatische Tonabnahme, das dann von Chefkonstrukteur Cliff Anderson weiterentwickelt wurde. Er ersetzte – um das Instrument handlicher zu machen – die Klaviersaiten durch Metallzungen. Beim Rhodes werden dagegen die Stimmstäbe (Tines) durch eine insgesamt einfacher gehaltene Prellmechanik zum Schwingen gebracht.  Jim Allen zitiert in seinem Artikel The Wild World of Wurlitzer Electric Pianos Peter Holsapple, Multiinstrumentalist und Mitgründer der dB’s: „Ich habe sowohl Rhodes- als auch Wurlitzer-Pianos gespielt. Die Mechanik des Wurlitzer ist für mich besser. Der Klang ist angenehmer für das Ohr. Er ist weniger steril. Ich habe das Gefühl, dass das Rhodes eine gewisse Sterilität hat. Ich würde für alles, was ich aufnehme, ein Wurlitzer bevorzugen.“

Klangzungen für das Wurlitzer E-Piano mit der charakteristischen Zinnpyramide. Für jeden einzelnen der 64 Töne gibt es eine eigene Klangzunge. (Bildquelle: Vintage Vibe)

Mit Feile und Lötkolben:

Ein Wurlitzer stimmen, ist nicht lustig

Allerdings müssen Wurlitzer-Spieler für diese Vorteile der Mechanik mit einem schwerwiegenden Nachteil bezahlen. Das Stimmen der Klangzungen ist gelinde gesagt eine Strafe. Beim Rhodes ist das ganz simpel gehalten: Auf den Schwingstäben sitzen kleine Federn, die hin- und hergeschoben werden, bis der Ton passt. Werden sie Richtung Tastatur bewegt, wird der Ton höher, schiebt man sie Richtung Rückseite, wird der Ton tiefer. Beim Wurlitzer besitzen die Klangzungen an ihrem Ende kleine Pyramiden aus Lötzinn. Zerschießt man beim Spielen eine der Klangzungen, was nun nicht täglich passiert, aber bei mir im Laufe der Jahre doch ein paar Mal vorgekommen ist, beginnt eine echte Plackerei. Der kleine Zinnhügel der Ersatzzunge muss mit einer Nagelfeile solange bearbeitet werden, bis der Ton die richtige Stimmung hat. Da bei offenem Gerät an einigen Stellen durchaus Netzspannung anliegt, bin ich hier immer sehr vorsichtig vorgegangen. Ich habe das Wurlitzer immer wieder ausgeschaltet, um die Klangzunge auszubauen und zu befeilen. Dann gilt es, sie wieder einzubauen und solange zu probieren, bis es passt. Das worst case Szenario ist bei mir zum Glück nie eingetreten: Dass ich im Eifer des Gefechts zu viel Zinn abgeraspelt hätte. Denn dann hilft nur eins: mit dem Lötkolben neues Zinn auftragen und der ganze Spaß beginnt von vorne. Wie groß die Arbeit ist, zeigt dieses Preisbeispiel: Bei Vintage Vibe kostet eine Klangzunge 18,99 USD. Es gibt aber noch eine spezielle Option. „Wir bieten eine Vorstimmung an, wenn Sie es vorziehen, dass wir Ihre Stimmzungen für Sie feilen und stimmen.“ Dann kostet die einzelne Klangzunge freilich 34,99 USD. Vielleicht hilft das bei der Einschätzung, was die Restaurierung eines Wurlitzer-Pianos allein schon mit Blick auf eventuell auszutauschende Klangzungen für Summen verschlingen kann.

Bei Live-Konzerten mit mehreren Bands wurde ich damals manchmal von anderen Keyboardern angesprochen, ob sie mein Wurlitzer mitbenutzen könnten. Um die Umbaupausen zu verkürzen. Doch da sind sie bei mir auf Granit gebissen. No way! Ich habe manchen genervten Blick geerntet und Sprüche gehört wie: „Mit der Solidarität unter Musikern ist es ja auch nicht mehr weit her!“ Aber das war mir ehrlich gesagt komplett egal. Von den lieben Kollegen hätte ja auch niemand die Feile schwingen müssen.

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Nach Abnahme der Kunststoffhaube des Wurlitzer 200 kommen die Lautsprecher des E-Pianos und die Elektronik ans Licht. (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Eingebaute Lautsprecher und Tremolo-Effekt

Nach diesem Innenblick schauen wir uns das Instrument einmal genauer von außen an: Das Wurlitzer 200 und das 200A besitzen ein Kunststoffgehäuse und verfügen über eine Holztastatur mit 64 Tasten. Der Tonumfang ist ähnlich wie bei einem Flügel mit 88 Tasten, nur dass die unterste und oberste Oktave gestrichen wurde – er reicht also also vom Kontra-A bis zum C4. Ein Rhodes-Piano besitzt in der Regel 73 Tasten, es gibt auch Versionen mit 88 Tasten. Im Vergleich müssen sich Wurlitzer-Spieler also etwas beschränken. Dafür ist ein Wurlitzer auch um einiges leichter als ein Rhodes. Im Gehäuseoberteil des Wurlitzers entdecken wir zur Linken und Rechten Perforationen. Diese sind keine Verzierung und dienen auch nicht der Kühlung. Dahinter sitzt ein Paar Lautsprecher, die von einem eingebauten Verstärker betrieben werden. Die Firma Wurlitzer hat eine lange Tradition in der Herstellung von Schulinstrumenten. Zu Hause üben zu können, ohne externes Equipment nutzen zu müssen, entsprach der Unternehmensphilosophie. Sobald der Monoklinkenausgang des Instruments belegt ist, werden die eingebauten Lautsprecher stummgeschaltet.

Zwischen den Lautsprechern ist eine silberne Blende angebracht. Die beiden Knöpfe auf der linken Seite unterstreichen das wunderbare Retro-Feeling des ganzen Instruments. Der linke Knopf ist mit Volume beschriftet. Dreht man den Knopf nach rechts, gibt es einen kleinen Widerstand, damit wird das E-Piano eingeschaltet und die kleine Leuchtdiode daneben leuchtet. Der weitere Reglerweg des Potis bestimmt die Lautstärke. Der rechte Knopf ist mit Vibrato beschriftet, was etwas missverständlich ist. Denn ein Vibratoeffekt bezieht sich auf die Veränderung der Tonhöhe. Tatsächlich handelt es sich hier aber um ein Tremolo, bei dem die Lautstärke moduliert wird. Regelbar ist lediglich die Stärke des Effekt, nicht die Geschwindigkeit.

Ein früher Klassiker mit Wurli-Sound: Lazy Sunday Afternoon von The Small Faces. Ob die Zuschauer des Beatclubs damals mitbekommen haben, dass zwar ein Wurlitzer zu hören ist, Keyboarder Ian McLagan aber die Tasten einer Hammondorgel drückt?

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Schokoriegelablage und Notenständer

Wer das Wurli öffnen möchte, um an das Innenleben zu kommen, wundert sich vielleicht. Wir  lösen diverse Schrauben am Unterboden und trotzdem klemmt der Deckel. Alles klar – wir haben vergessen, die beiden Köpfe vorher abzuziehen. Das geht schon, auch wenn sie manchmal etwas schwergängig sind. Auf der rechten Seite befindet sich ein sehr mittelalterlich anmutendes heraldisches Logo und der Namenszug Wurlitzer, bei dem auch das T groß geschrieben wird. Darunter steht electronic piano, wobei es sich genau genommen beim Wurlitzer um ein elektromechanisches Instrument handelt. Oberhalb dieser Blende hat das Instrument eine längliche Einbuchtung. Sehr praktisch um dort – je nach persönlicher Vorliebe – Schokoriegel oder Zigarettenschachteln zu deponieren. Und natürlich Bleistifte und anderes Schreibgerät wegrollsicher schnell zur Hand zu haben, wenn es gilt, einen Fingersatz zu notieren oder eine Melodie in Noten festzuhalten. Oben im Gehäuse befinden sich zwei Löcher, wo der mitgelieferte Notenständer eingesteckt und montiert werden kann. Die Gehäusedecke ist leicht gewölbt, wodurch ein weiteres Instrument nur schwer aufgelegt werden kann. Ich hatte damals eine Selbstbaukonstruktion aus Metallprofilen, die es ermöglichte, die Crumar-Orgel sicher auf dem E-Piano abzustützen.

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200 A

Das Wurlitzer 200 wurde in verschiedenen Farben ausgeliefert. Neben Beige war es auch in Waldgrün, Rot und Schwarz lieferbar. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Morriwienc0)

Wo sind denn die Anschlüsse versteckt?

Gehen wir um das Instrument herum, befinden sich dort noch mal der repräsentative Namenszug und drei Scharniere, um das obere Gehäuse aufzuklappen oder gänzlich abzunehmen. Hier entdecken wir nun auch den ersten Anschluss – von hinten gesehen rechts – für den Anschluss des Stromkabels. Auf der Höhe des mittleren Scharniers können wir im Klavierboden das Sustainpedal einschrauben, das mittels eines Bowdenzugs funktioniert. Auch der Klinkenanschluss für einen externen Verstärker befindet sich an der Unterseite des Pianos, die aus Holz besteht. Ich fand es ehrlich gesagt immer etwas merkwürdig, dass beim Rhodes der Ausgang unmittelbar über der Tastatur liegt. Bei einem Kabelschaden braucht man immer ein Ersatzkabel mit Winkelklinke. Das ist beim Wurlitzer besser gelöst. Auf der Unterseite können auch die vier Beine mittels eines Schraubgewindes befestigt werden.

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Die Rückseite des Wurlitzer 200 mit dem Firmennamen. Hier befindet sich lediglich ein Anschluss für das Stromkabel. Gut zu erkennen ist das abnehmbare Sustainpedal, das über einen Bowdenzug die Dämpferpedale aufhebt. (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Mein Wurlitzer 200A: Der Supertramp-Sound gab den Ausschlag

Ich hatte mich 1979 für das Wurlitzer 200A entschieden. Damals suchte ich eine Ergänzung zu meiner einmanualigen Orgel – dem Crumar Organizer T1. Als Genesis- und Tony Banks-Fan sah ich mich tatsächlich zunächst nach einem RMI Electra 368X um. Doch das ließ sich damals in Berlin nicht auftreiben. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, zum Glück. Das RMI war nicht anschlagdynamisch spielbar, sehr schwer und in der Instandhaltung aufwändig. „Die 68 Tasten sind mit einem enormen elektronischen Aufwand mit je einem eigenen Tongenerator ausgestattet, deren Verstärkung von Germanium-Transistoren geregelt wird, die für den warmen Klang des Instrumentes sorgen“. (Vintage Keys wernbo.de)  

Im Musikhaus Fechner wurde mir damals als Alternative ein Crumar Roadrunner vorgesetzt. Das hätte schließlich auch eine elektronische Klangerzeugung. Aber das Crumar E-Piano sagte mir nicht sonderlich zu. Als ich dann beim Berliner Sound & Drumland erst das Rhodes ausprobierte (sicher mit Riders on the storm) und anschließend dann das Wurlitzer 200A , machte es klick. Diesen Sound kannte ich von einer anderen meiner Lieblingsbands – Supertramp. 

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Das Wurlitzer 200A klingt auch ohne Röhrenverstärker

Aber noch etwas anderes nahm mich für das Wurlitzer ein. Der Sound eines Rhodes lebt auch von der Verstärkung. Ob es nun der Dyno-Mod-Preamp von Chuck Monte war, der die Durchsetzungskraft des Rhodes-Klang verbesserte oder ob das E-Piano über einen Fender Twin Reverb oder auch einen Roland Jazz Chorus läuft. Das trägt zum Klang schon ganz erheblich bei. Bei mir waren dagegen die Messen bezüglich der Keyboardverstärkung bereits gelesen. Ich besaß einen Dynacord Gigant Gesangsverstärker (Röhrentechnik) und eine große JBL-PA-Box mit Hochtöner, einem K130 und passiver Tieftonmembran. Ein Extra-Gitarrenverstärker fürs E-Piano war da nicht drin. Es zeigte sich aber, dass das Wurlitzer über diese Kombi sehr gut klang. Allerdings habe ich den Klang doch noch etwas getweakt. Dafür kamen drei Effekte von Boss zum Einsatz: Der GE-6 Graphik-Equalizer machte den Klang noch bissiger und durchsetzungsfähiger. Der Chorus CE-2 sorgte für schöne Schwebungen (und verschleierte etwas die latente  Verstimmung mancher Töne des Instruments). Und das Noise-Gate NF-1 machte den Kanal zu, wenn ich nicht gerade in Tasten haute – weil es sonst durch den Equalizer doch etwas gezischelt hätte. Einen sehr naheliegenden Effekt für das Wurlitzer – vor allem wenn es wie bei Supertramp klingen soll – hatte ich damals überhaupt nicht auf dem Schirm: einen Kompressor.

Bei Lonely Hearts wechselt sich das Wurlitzer mit einer Orgel vom Korg Polysix ab, die sehr schön zum NDW-Flair dieses Songs passt. Das Ende des Stücks bringt übrigens den phantastischen Sync-Sound des Moog Prodigy zu Gehör. Bei der Liveaufnahme Kälter als Neonlicht habe ich die E-Pianopassagen, die lautstärkemäßig gegen die übrigen Instrumente etwas abfielen, noch einmal nachgespielt: mit dem Wurlitzer im Nord Grand. Für ein möglichst authentisches Ergebnis habe ich den Klang mono aufgenommen, meinen alten Boss-Chorus und eine Speaker-Simulation benutzt. Das klingt schon nach Wurlitzer, aber für meinen Geschmack insgesamt zu sauber.

Velvet Box_Wurlitzer 200 und 200A

Mit dem Wurlitzer auf der Bühne des bekannten Musikclubs SO36 in der Oranienstraße in Kreuzberg. Gut zu erkennen die Ständerkonstruktion, um die Orgel abzustützen. Ein Mikroständer stabilisierte den Synthesizer – hier ein Yamaha CS40M. Im Hintergrund ist meine große JBL-Box zu sehen (Foto: Andreas „Stavros“ Heise)

Fragiler Transport und Aufbau

Das Wurlitzer besitzt keinen Deckel, um die Tastatur zu schützen. Ich hatte damals auch kein Case für das E-Piano. Es wurde in mehrere Schichten Luftpolsterfolie eingewickelt und mit Gafferband gesichert und ich achtete genau darauf, dass es im VW-Bus immer oben lag. Am Auftrittsort wurde es dann vorsichtig ausgepackt, auf den Rücken gelegt, um die vier Beine verwindungsfrei einzudrehen und das Sustainpedal anzuschließen. Da lag es dann wehrlos auf dem Boden, so wie einst Gregor Samsa als Riesenkäfer in Kafkas Verwandlung. Dann galt es, das Piano schön vorsichtig mit Unterstützung eines Mitspielers hochzuheben und auf die Beine stellen. Jetzt musste ich das Metallgestänge ausrichten, um die Orgel auflegen zu können. Und schließlich noch den Galgen eines Mikroständers so justieren, dass der Synthesizer on top auch noch abgestützt wurde. Eine abenteuerliche Konstruktion, aber es funktionierte. Und dann begann die Verkabelungsorgie – drei Effekte fürs E-Piano, dazu Phaser, Verzerrer und Allsound Hallspirale für die Orgel und das Roland Space-Echo für den Synthesizer. So ein Nord Stage hat heute schon auch seine Vorzüge …

Hier Where it’s at vom US-amerikanischen Alternative-Rockstar der 90er – Beck. Der Song findet sich auf Odelay, Becks fünftem Album, das 1996 erschien. Das Wurlitzer fremdelt in der Umgebung der mit Sprachsamples angereicherten HipHop-Beats keineswegs:

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Die Wurlitzer-Story: Ein Sachse in Amerika

Rudolph Wurlitzer war 1831 in Schöneck im sächsischen Vogtland geboren worden und 1853 nach Amerika ausgewandert. Dass er sich in der neuen Welt auf die Produktion von Instrumenten verlegte, war kein Zufall. Die Familie Wurlitzer besaß darin bereits eine lange Tradition. Bereits Mitte des 17. Jahrhunderts hatte Nicholas Wurlitzer Lauten hergestellt. Im 19. Jahrhundert hatten Instrumente aus dem Vogtland einen ausgezeichneten Namen und wurden sogar in die USA exportiert. Für Rudolph Wurlitzer war es möglich, an diese Erfolgsgeschichte anzuknüpfen. Er schickte seinem Vater in Deutschland Geld, der ihm dafür vor allem Holzblasinstrumente lieferte. Diese konnte Rudolf mit 1.500 Dollar Profit an einen Musikalienhändler in Cincinatti verkaufen. Das war der Startschuss für eine glänzende Karriere. Wurlitzer schloss mit der US-Armee einen Vertrag ab. Im amerikanischen Bürgerkrieg marschierten die Union-Soldaten zum Klang von Wurlitzers Trommeln und Trompeten gegen die Konföderierten.

Wurlitzer Versandhandel für die USA

1872 kam Rudolphs Bruder Anton als Partner dazu, der inzwischen auch in die USA eingewandert war. Als das Unternehmen 1906 sein 50-jähriges Jubiläum feierte, residierte die Firma in einem sechsstöckigen Gebäude. „Die Ausstellungsräume im ersten Stock waren mit Glastheken, hohen Vitrinen, schallisolierten Vorführräumen und Klavierausstellungsräumen ausgestattet. Die Bibliothek der Wurlitzer Player Pianos war sorgfältig organisiert und katalogisiert, Tausende von Titeln waren an den Wänden aufgereiht. Einzelne Phonographen-Hörräume waren ebenfalls vorhanden.“ (Immigrant entrepreneurship)

Wurlitzers Verkaufsschlager: Das Players Piano

Was hat es mit den Players Pianos auf sich? Nun, wenn damals in einem Saloon leicht verstimmte Klaviertöne durch die Tabakschwaden drangen, stammten die zumeist nicht mehr von einem Pianisten, der – wie im Lucky Luke-Comic – vor den blauen Bohnen der Dalton-Brüder hinter seinem Instrument Schutz suchen musste. Stattdessen steckte ein Cowboy oder – in den großen Städten – ein Mitarbeiter von Wells Fargo oder Western Union beim Feierabendbier eine kleine Münze in den Schlitz des gerade erwähnten Players Pianos. Eine elektrische betriebene Klangwalze lief an und brachte die neuesten Schlager zu Gehör. So berichtete die New York Sum um 1900: „Im beliebtesten Restaurant am Washington Square steht seit Neuestem ein elektrisch betriebenes Piano im Hauptspeisesaal. Die Gäste kommen in Scharen, und von mittags bis abends ist Musik zu hören.“  br-klassik

An dieser Stelle eine kurze musikalische Verschnaufpause mit Adeles Chasing Pavements von ihrem ersten Studioalbum 19 aus dem Jahr 2008. Bis heute für mich eines ihrer besten Lieder. Und zugleich ein schönes Beispiel dafür, wie ein Wurlitzer einem sehr emotionalen Song ganz spezielle Vibes hinzufügen kann, dabei aber nie Gefahr läuft, ihn zuzukleistern.

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Mit dem telefonbuchdicken Verkaufskatalog der Firma Wurlitzer ausgestattet, konnten Musikliebhaber aus den ganzen USA ihre Bestellungen aufgeben: „Vom Akkordeon bis zur Zither, von der Bassklarinette bis hin zum Klavierhocker – bei Wurlitzer bekommt man alles, was sich per Post verschicken lässt.“ br-klassik Wie es damals mit den Retouren gehandhabt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch die Qualitätskontrolle wurde großgeschrieben, wie es im Katalog der Firma nachzulesen ist: „Kein Instrument verlässt unser Haus, bevor es nicht von einem Künstler aufs Gründlichste geprüft wurde, den wir nur zu diesem Zwecke eingestellt haben.“ br-klassik

Kinoorgeln und blubbernde Jukeboxen

Firmengründer Rudolph Wurlitzer starb 1913, aber sein Unternehmen lebte fort. Kurz vor seinem Tod hatte Rudolph 1910 einen insolventen Orgelhersteller übernommen. Wurlitzer wurde so zu einem der führenden Hersteller von großen Kinoorgeln. Als der Ton- den Stummfilm ablöste,  bedeutete das gleichzeitig das Ende für die Ära der großen Kinoorgeln.

Die Idee des Selbstspieler-Klaviers fand in den dreißiger Jahren eine logische Entsprechung in den berühmten Jukeboxen der Firma. Diese waren mit ihrem chromglänzenden Art Deco-Design echte Hingucker und sind heute begehrte Sammlerstücke. Das Foto zeigt einen „Bubbler“: Der Name spielt auf Gasblasen an, die in den durchsichtigen Röhren aufsteigen.

1941 wurde der Firmensitz von Cincinatti nach Chicago verlegt. Nach Ende des 2. Weltkriegs wurden in den Wurlitzer-Fabriken elektronische Orgeln und elektromechanische Klaviere hergestellt.

Eine der berühmten Wurlitzer Juke Boxen im Art Deco Stil: Hier das Modell 1015 «bubbler» von 1946, Design Paul M. Fuller (Bildlizenz: Arnaud 25_Memphis Coffee_Creative_Attribution-ShareAlike 3.0 Unported Commons)

Überblick über die Wurlitzer E-Piano-Modelle

Nachdem Wurlitzer von Benjamin Miessner das Patent für das elektrostatische Pickup-System übernommen hatte, kam 1954 das erste E-Piano E-110 auf den Markt. Bis Sommer 1956 folgten das 111, 112 und 112 A. Steve Espinola der als Doc Wurly alte Wurlitzer-Klaviere restauriert und als einer der besten Kenner der Materie gilt, urteilt über die frühen Modelle: „Die 112er und die zwei früheren Varianten sind bei der Wartung (Tuning und Regulierung) eine echte Qual. Das Unternehmen hat sie einfach noch nicht mit Blick auf die laufende Wartung entwickelt, und deshalb dauert die Reparatur 4 bis 6 Mal länger. Wie bei allen Modellen aus den 1950er-Jahren, sollte man dies berücksichtigen, bevor man in sie investiert. Natürlich sind sie fantastisch, wenn sie einmal gewartet wurden. Sie werden nie das Gefühl eines Modells nach 1961 haben, und das sollte man auch nicht von ihnen erwarten. Die Konzeption ist viel primitiver. Der Klang und das Spielgefühl sind jedoch einzigartig, und das kann reizvoll sein.“

Das Modell 120 kam 1956 heraus und stellt ebenfalls noch einen „Alptraum für Wartung und Reparatur“ dar. Doch das 120 ist das Modell, auf dem Ray Charles 1959 den Hit What’d I Say spielte. Interessanterweise wurde als Zubehör ein „tone cabinet“ angeboten, das einen Tremoloeffekt mit drei Geschwindigkeiten lieferte. Mit dem Modell 140 war nun ab 1962 der bekannte Vibrato-Effekt (eigentlich ein Tremolo) direkt ins Piano integriert. Das Model 140 ist auf einer ganzen Reihe von bekannten Songs verewigt: Spooner Oldham spielt es auf Aretha Franklins I Never Loved a Man (The Way I Love You) und Earl Van Dyke ist der Mann am Wurlitzer bei Marvin Gayes I Heard It Through the Grapevine. Auch Joe Zawinul benutzte bei seinem Hit Mercy, Mercy, Mercy! ein Wurlitzer 140.  Dazu später noch mehr. Das Modell 145B (1965) war das letzte, das einen Röhrenamp verwendete, danach stieg Wurlitzer auf Transistortechnik um. Dem Röhrenmodell sagt man einen etwas weicheren Sound nach, die Transistor-Wurlis klingen etwas aggressiver.

Nieswurz live 1981 im Cafe Theater Schalotte mit Caspar Engelbrecht (Querflöte), Stefan Kühne (Gitarre), Bernhard Kempf (Drums), Karen Bartsch  (Bass und Gesang) und Christian Uhlig (Keyboards). (Foto: Andreas „Stavros“ Heise)

An dieser Stelle noch zwei kurze Beispiele aus den Anfängen unserer Band, als wir noch unseren Flötisten dabei hatten, und es ein bisschen wie eine Mischung aus Traffic und Supertramp klang:

Wurlitzer 200 und 200A – Die amtlichen Modelle

Ab 1968 gab es dann das Modell 200. „Diese Serie stellt die größte Veränderung im Aussehen der Wurlitzer E-Pianos dar, die für den Rest der Serie beibehalten wird: Gewölbte Kunststoffabdeckungen, viel leichtere Konstruktion.“ Doc Wurly Es gibt nun auch zwei Lautsprecher. Die Modellvielfalt der Wurlitzer Pianos erschlägt einen und die Nummerierung ist ein Fall für die Kriminalistik. Wer sich dafür interessiert, sollte unbedingt die Website von Steve Espinola besuchen. Erwähnenswert ist, dass es mehrere Modelle speziell für Unterrichtszwecke gab: etwa das Konsolenmodell 206 für die Schüler und das Modell 207 für den Lehrer. An das Modell 207 konnten insgesamt bis zu 24 Schülerklaviere angeschlossen werden. Über ein komplexes Bedienfeld mit Umschaltern konnte der Lehrer jeden der Lernenden einzeln hören.

American Airlines gab für die Cocktail Lounges seiner Boeing 747 Jumbo Jets eine Spezialanfertigung in Auftrag: ein E-Piano, das wie ein kleiner Flügel aussah.

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Das Verstärker-Board des Wurlitzer 200. (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Beim Modell 200A, das ab 1974 ausgeliefert wurde, hatte Wurlitzer den Verstärker komplett überarbeitet. Der Output liefert ein deutlich lauteres Signal. Ebenfalls erfreulich: Durch eine Abdeckung für die Tonabnehmer konnten die Brummgeräusche reduziert werden. Das Modell  200 und der Nachfolger 200A waren in den 70er-Jahren sehr populär. Die Jahres-Produktion muss damals teilweise bei 10.000 Einheiten gelegen haben. Es wurden weitere Fabriken eröffnet, unter anderem auch im deutschen Hüllhorst (Nordrhein-Westfalen), wo ein Modell 201 gefertigt wurde, mit etwas anderer Elektronik und Lautsprecherbestückung.  

Aus diesen goldenen 70er-Jahren stammt auch Breakdown – ein US-Top 40 Hit  von Tom Petty and the Heartbreakers, der sich auf Tom Pettys Debütalbum aus dem Jahr 1976 befindet. Keyboarder Benmont Tench spielt ein ebenso simples wie geniales Motiv auf dem Wurlitzer. Nicht ungeduldig werden: Das Riff kommt bei 0:57. Bei Live-Auftritten verband Petty Breakdown gerne mit dem Ray Charles-Song Hit the Road Jack.

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Konkurrenz aus Fernost und der Niedergang von Wurlitzer

In den 80er-Jahren kam Wurlitzer in schweres Fahrwasser: „Das Unternehmen hatte jahrelang mit ausländischer Konkurrenz, hohen Zinsen und einer schwachen Wirtschaft zu kämpfen. Der Aufstieg der elektronischen Keyboard-Industrie, die von japanischen Unternehmen dominiert wurde, spielte ebenfalls eine erhebliche Rolle beim Niedergang des Unternehmens.“ (Immigrant entrepreneurship) 

Report Tony Banks, Yamaha DX-7

Yamahas DX7 läutete nicht nur das Ende der Ära der großen analogen Synthesizer ein. Auch die dynamisch spielbaren E-Pianosounds begeisterten damals viele Keyboarder. Vielleicht kein Zufall, dass nur ein Jahr nach der Markteinführung 1983 die Produktion des Wurlitzer 200A auslief.

Die neuen Platzherren hießen Yamaha, Roland, Kawai und Korg: „Japanische Importe verdrängten die amerikanischen Verkäufe von Klavieren und elektronischen Orgeln. Wurlitzer schloss seine Einzelhandelsgeschäfte und stellte die Produktion von Jukeboxen ein, mit Ausnahme von Deutschland.“ (mechanical-musicpress) Im Rahmen der Markt-Konsolidierung wurde Mitte der 80er-Jahre die schon arg geschrumpfte Firma Wurlitzer von dem konkurrierenden Klavierhersteller Baldwin aus Cincinnati aufgekauft. Und 2001 übernahm Gibson Musical Instrument Co. aus Nashville die Firma Wurlitzer. In Deutschland lebte der Name noch eine Weile fort, aber 2013 wurde die Produktion von Musikautomaten eingestellt und die Firma an eine Investorengruppe verkauft. Die wollte mit einer Idee durchstarten, die so gar nichts mit dem musikalischen Erbe der Firma zu tun hatte. Geplant war der Vertrieb von Verkaufsautomaten für Eis oder Grillfleisch. Im November 2015 kam der Betrieb zum Erliegen. 2016 eröffnete das Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren. 

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Die Plakette gibt Auskunft darüber, dass dieses Wurlitzer 200 im Werk in DeKalb in Illinois gefertigt wurde. Die Seriennummer habe ich unkenntlich gemacht. (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Berühmte Wurlitzer-Aufnahmen

Sun Ra, Joe Zawinul und Herbie Hancock

Die wohl früheste Aufnahme eines Wurlitzer Pianos stammt aus dem Jahr 1956. Der US-amerikanische Jazzmusiker Sun Ra setzt es beim Eröffnungstitel India auf seinem zweiten Studio-Album Super-Sonic Jazz ein. Übrigens ein legendäres Album, weil Sun Ra mit der Verwendung von E-Piano und E-Bass Mitte der 50er-Jahre viele orthodoxe Jazzfans vor den Kopf stieß. Das Wurlitzer  klingt hier ziemlich roh, auffällig ist auch, dass die frühen Modelle – Sun Ra spielte ein 110 – über relativ wenig Sustain verfügen.

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Joe Zawinul ist vor allem als Fender Rhodes-Spieler bekannt, wenn wir etwa an das wunderbare Titelstück In a silent way vom ersten Fusionalbum des Jazztrompeters Miles Davis denken. Aber eigentlich begann Zawinul seine Erkundungen auf dem E-Piano auf einem Wurlitzer 140, das Ray Charles gehörte. Mitte der 60er-Jahre spielte Joe Zawinul mit der Gruppe von Julian „Cannonball“ Adderley, den Titel Mercy, Mercy, Mercy! ein. Das Instrumental, veröffentlicht auf Mercy, Mercy, Mercy! Live at ‚The Club‘  wurde ein enorm populärer Hit. Das Stück erreichte Platz 11 in den Billboard Charts und wurde 1968 mit einem Grammy Award in der Kategorie Best Jazz Instrumental Performance ausgezeichnet.

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Auf dem Miles Davis Sampler Directions findet sich der Song Water on the Pond. Aufgenommen wurde er am 28. Dezember 1967 im Columbia Studio B in New York. Neben Miles Davis an der Trompete ist auch Wayne Shorter mit seinem Tenorsaxophon dabei sowie Joe Beck (Gitarre) Ron Carter (Bass) und Tony Williams am Schlagzeug. Am Wurlitzer sitzt Herbie Hancock, der bei dem Titel Water on the Pond auch ein RMI Electra spielt. Vom RMI stammt der Sound, der wie ein elektrisches Cembalo klingt. (Miles Ahead)

Freddie Mercury

Es ist winzig und schrecklich und ich mag es nicht

Bei Queen führte 1975 der Einsatz des Wurlitzer E-Pianos zu einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Sänger Freddie Mercury und Bassist John Deacon. Dieser hatte für das Album A Night at the Opera den Song You’re My Best Friend geschrieben. Das Wurlitzer ist prägend für den Klang der Pop-Ballade, die in den USA Platin holen sollte. Doch Freddie war davon zunächst nicht besonders begeistert: „Ich habe mich geweigert, dieses verdammte Ding zu spielen. Es ist winzig und schrecklich und ich mag es nicht. Warum sollte man so etwas spielen, wenn man ein schönes, großartiges Klavier hat.“ John Deacon reagierte diplomatisch: „Nun, Freddie mochte das E-Piano nicht, also nahm ich es mit nach Hause und fing an, es zu lernen. Im Grunde ist es das Lied, das entstand, als ich lernte, Klavier zu spielen. Es wurde auf diesem Instrument geschrieben und es klingt am besten darauf …“ (udiscover-music)

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Brian May erinnert sich, dass John insgesamt nur eine Handvoll Songs für Queen schrieb, wie zum Beispiel Another One Bites the Dust und I Want To Break Free: „Aber jeder einzelne von ihnen war ein Hit. You’re My Best Friend wurde einer der meistgespielten Songs im amerikanischen Radio. John war das sprichwörtliche stille Wasser und normalerweise ziemlich ruhig. Wir fragten ihn manchmal: ‘Hast du etwas für uns, John?’“ (udiscover-music) Wenigstens einmal hat Freddie Mercury You’re My Best Friend live tatsächlich auf dem Wurlitzer gespielt. Später benutzte er immer einen Flügel. Und auch im offiziellen Video sehen wir John Deacon an einem aufgeklappten Flügel, hören aber das Wurlitzer. Das kennen wir ja schon von den Small Faces. Hauptsache was mit Tasten – passt schon.

Making of: Supertramp - Breakfast in America

Supertramps Erfolgsalbum Breakfast in America ist stark vom Sound des Wurlitzer E-Pianos geprägt

Supertramp

Hammerhände attackieren das Wurlitzer

Wohl mit kaum einer anderen Band ist der Sound des Wurlitzer-Pianos so verbunden wie mit Supertramp. Die beiden Keyboarder und Sänger Roger Hodgson und Rick Davies hatten dabei einen durchaus unterschiedlichen Stil auf dem Wurlitzer. Die beiden Kauze, die ihrer Lebensphilosophie gegensätzlicher nicht sein können, unterscheiden sich auch in ihrem musikalischen Geschmack. Rick Davies ist im Jazz, Soul und R&B zu Hause. Das hört man etwa beim großartigen Intro zu Bloody well right auf dem Album Crime of the century:

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Die musikalische Heimat Roger Hodgson dagegen sind The Beatles, The Kinks, The Who und Traffic. Mit seinen repetitiven E-Pianofiguren hat Hodgson einen eigenen ikonischen Klang für das Wurlitzer geschaffen, der sofort wiedererkennbar ist. Von Dreamer bis The Logical Song. Dabei wird der Wurlitzer-Sound stark komprimiert und über ein  Boss Chorus CE-1 gespielt. Bei früheren Alben schickte die Band das E-Piano durch einen Roland Jazz Chorus, beim Hitalbum Breakfast in America (1979) nahm es Co-Produzent Peter Henderson über eine DI-Box auf und splittete den Klang. Ein Teil lief durch den Chorus, der andere blieb trocken. Kurioserweise sorgte ausgerechnet das, was den Logical Song so unverwechselbar macht nämlich Rogers Wurlitzerspiel – sowohl bei der Band als auch beim Produzenten für leichtes Kopfschütteln: „Roger ist ein natürlich begabter Musiker – alles fällt ihm sehr leicht – aber er hatte immer einen sehr schwerfälligen Stil für das Wurlitzer“, erzählt Henderson. John Helliwell, der Bläser der Band, hatte einen wenig schmeichelhaften Spitznamen für Roger Hodgson: „Hammerhände“. (Sound on Sound)

Der Boss Chorus CE-1 sorgte bei Supertramp für den fetten Sound des Wurlitzer E-Pianos (Foto: Costello)

Eddie van Halen

Wurlitzer über Marshall-Stack

Während der Arbeit am dritten Album der Van Halen-Band Women and Children First (1980) überraschte Eddie van Halen den Produzenten Ted Templeman, als er beim Song And the Cradle Will Rock …  ein Wurlitzer-Piano über seinen Marshall-Stack spielte. Er bemerkte später dazu, dass die Fans das nicht unbedingt mitbekommen würden, weil „es wie meine Gitarre klingt“. Ein Klavier in einen Song einzubauen, das man auf Anhieb gar nicht heraushört – das war eine späte Antwort auf den musikalischen Drill, den Eddie und Alex van Halen zu Hause erlebten. Der Vater, ein professioneller Saxophonist und Jazzklarinettist, legte großen Wert auf die musikalische Ausbildung seiner Söhne. Als die Familie aus den Niederlanden in die USA übersiedelte, hatte Eddie einen russischen Klavierlehrer, der zwar kein Wort englisch konnte, aber jeden falschen Ton streng ahndete: „Er saß einfach mit einem Lineal da und schlug mir ins Gesicht, wenn ich einen Fehler machte.“ Eddie gewann einige Klavierwettbewerbe in Los Angeles und Umgebung. Doch später in der Band stießen seine Versuche, Keyboards einzusetzen auf wenig Gegenliebe. „Das war meine erste Erfahrung mit der Band, die nicht wollte, dass ich Keyboards spiele – als wir den Song (And the Cradle Will Rock …) live aufführten, spielte Mike ihn. Sie wollten keinen ‚Gitarrenhelden‘, der Keyboards spielt, und das erklärt auch, warum sie auch später ‚Jump‘ nicht wollten.“ ultimate classic rock

Velvet Box: Wurlitzer 200 und 200A

Das Wurlitzer E-Piano wurde mit einem stabilen Notenständer ausgeliefert, der auch mal als Kophörerablage dienen kann (Foto mit freundlicher Genehmigung von morriwienc0)

Daft Punk, Norah Jones und Paul Weller

Eine Referenz an Supertramp findet sich auf Daft Punks Album Discovery aus dem Jahr 2001. Bei 2:20 gibt es eine Bridge, bei der man unwillkürlich an Roger Hodgson und Rick Davies denken muss. „Bei ‚Digital Love‘ bekommt man diesen Supertramp-Vibe in der Bridge“, erzählt Guy-Manuel de Homem-Christo. „Wir haben Supertramp nicht gesampelt, aber wir hatten das Original-Wurlitzer-Piano, das sie benutzt haben, also dachten wir, es würde mehr Spaß machen, das Originalinstrument zu haben und damit herumzuspielen. Wir verwenden hauptsächlich Vintage-Synthesizer, aber auch ältere E-Pianos wie das Rhodes, Wurlitzer, Clavinet.“ (equipboard)

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Aus jüngerer Zeit gibt es ein phantastisches Duett von Bonnie Raitt und Norah Jones: So subtil und gefühlvoll wie Norah beim Tennessee Waltz das Wurlitzer spielt – das besitzt schon Extraklasse. In Mixonline plaudern ihre Techniker Kelly Macauly und ‚Futz‘ über die Verstärkung ihrer E-Pianos. Ihr Wurlitzer 200 läuft durch ein SansAmp Classic-Pedal, um einen übersteuerten Röhrensound zu erzeugen. Das Signal wird dann durch ein Keeley-modifiziertes Ibanez Analog-Delay-Pedal zu ihrem Vox Pathfinder 15R-Verstärker geschickt: „Wir haben auch ein originales Wurlitzer 200A E-Piano aus den 70ern, das durch einen Boss BD-2 Blues Driver (für zusätzlichen Crunch) und ein Ibanez AD-9 Analog-Delay läuft, bevor es in den Bass-Eingang des Fender Bassman geht“.

Tech 21 Sansamp Classic Test

Eigentlich eine Röhrensimulation für Gitarristen, hat Norah Jones den  SansAmp Classic für ihr Wurlitzer benutzt, um den Sound schön crunchy zu machen. Das Bild zeigt die Neuauflage des ursprünglich Anfang der 90er Jahre erschienen Pedals.

Zum Schluss Carnation, ein Song von Paul Weller, den er 1981 für The Gift, das sechste und letzte Album von The Jam schrieb. Hier spielt er den Song zusammen mit Liam Gallagher und Steve Cradock. Erst dominieren noch die Gitarren, aber ab 1:20  kommt das Wurlitzer schön zur Geltung.

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Fazit

Das Wurlitzer 200A ist ein absoluter Klassiker – die früheren Modelle sind wohl eher etwas für Sammler – und es ist gleichzeitig alles andere als ein nostalgisches Relikt. Hört euch Billie Eilish und Finneas mit dem Song Sunny an, lauscht Chasing Pavements von Adele oder auch Instant Karma von John Lennon. Dieser Klang wird nie seine Faszination verlieren. Er ist zeitlos. Die Obertöne, die ein Wurlitzer produziert, erzeugen eine eigene besondere Magie. Ein gut eingestelltes Wurlitzer spielt sich ausgezeichnet und liefert „Vibes“, die kein Nord, Spectrasonics Keyscape, Scarbee Vintage Keys oder Modartt Pianoteq ersetzen kann. Deren Klang mag für eine Aufnahme völlig ausreichend sein. Aber auf einem echten Wurlitzer spielt man einfach anders. Das E-Piano führt ein Eigenleben: Jeder Hammer und jede Klangzunge reagieren ein wenig anders, was den Klang sehr lebendig macht. Ein Nord „wehrt sich nicht, es hat nicht das Spielgefühl eines Wurlitzers“, bringt es dB’s-Gründer Peter Holsapple auf den Punkt. Selbst wenn das Wurlitzer ausgestellt ist oder über Kopfhörer gespielt wird, liefern die Klangzungen einen Sound, der durch Wände dringt. Nicht vergessen, wenn man gerne die Nächte durchspielt. Ich habe beim Schreiben ein paar stille Tränen verdrückt, werde mir aber kein Wurlitzer mehr kaufen. Ich hatte meine Zeit mit diesem tollen E-Piano. Und manchmal habe ich es ja auch verflucht, wenn es wieder galt, eine zerschossene Klangzunge auszuwechseln. „Siehst du“, zwinkert mir mein Nord Grand nachsichtig zu, „ich habe vielleicht nicht das Charisma deines alten 200A, aber ich mache dir auch keine Probleme.“

Plus

  • ikonischer E-Piano-Klang
  • stilistisch vielseitig einsetzbar
  • eingebaute Lautsprecher
  • Tremoloeffekt
  • gut spielbare Tastatur

Minus

  • inzwischen rar und daher teuer
  • umständliches Stimmen und Wechseln der Metallzungen
  • teilweise Probleme mit Brummgeräuschen beim Modell 200

Preis

  • Preis: ab 5.000,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Bria

    Wow! Danke für diesen tiefen fachmännischen Einblick in dieses legendäre Instrument!

  2. Profilbild
    herw RED

    @lieber costello: ein genussvoller und gemütlicher verregneter Samstagmorgen. Wurlitzer pur! Vielen Dank für deine immer wieder tief recherchierten und lesenswerten Artikel aus der Kramkiste, die deine Liebe zu diesem Instrument ausdrücken.

  3. Profilbild
    SynthUndMetal

    Vielen Dank für diesen großartig, faszinierenden Artikel. Gleich ein guter Start in den Samstag. Der Sound vom Wurlitzer ist schon ziemlich beeindruckend!

  4. Profilbild
    Murano

    Oh, toller Bericht – da kommen Erinnerungen hoch. Mein Wurli habe vor weit über 20 Jahren als Zufallsfund in einem Brockenhaus abgestaubt (Schweizer Variante der deutschen Sozialkaufhäuser), ich weiss noch genau, wie ich das Teil auf den Parkplatz schleppte und in meinen altersschwachen Polo verfrachtete – mitsamt Füssen, auf die Idee, die abzuschrauben, war ich nicht gekommen… Dann stand es in der Küche meiner Studentenbude, später im Kinderzimmer und jetzt im Büro ;=)

    Mein Wurli scheint übrigens nicht made in USA sondern made in Germany zu sein (sofern das überhaupt sein kann…?). Angeschrieben ist es mit EP-201, auf dem Schild auf der Rückseite steht „Deutsche Wurlitzer GmbH Hüllhorst (Westf)“ und auf dem Frontschild fehlt dieses Logo neben dem „Wurlitzer“-Schriftzug, das man sonst auf den Fotos überall sieht. Auch die beiden Drehknöpfe sehen anders aus (wobei zumindest einer garantiert nicht original ist).

    Weiss da einer von Euch mehr?

    Alles andere ist typisch Wurli. Nachstimmen musste ich meins in den Jahrzehnten übrigens noch nie. Und ich liebe das Teil – Fläche oder Arpeggio vom Juno-6 dazu und Wurli darüber… herrlich…

    • Profilbild
      costello RED

      @Murano Lieber Murano, zu der Herkunft Deines Wurlitzers gibt es einen kleinen Abschnitt in meinem Artikel: „Es wurden weitere Fabriken eröffnet, unter anderem auch im deutschen Hüllhorst (Nordrhein-Westfalen), wo ein Modell 201 gefertigt wurde, mit etwas anderer Elektronik und Lautsprecherbestückung.“ Dein Wurli ist tatsächlich Made in Germany :) Wenn Du das so schreibst „Fläche oder Arpeggio vom Juno-6 dazu und Wurli darüber… herrlich…“ ist Dir schon klar, dass das bei mir alte Wunden aufreißt ;) Im Ernst: Ich wünsche Dir weiterhin ganz viel Spaß mit diesem tollen Instrument.

  5. Profilbild
    defrigge AHU

    Sehr schön geschriebener Artikel! Auch als Rhodes-Spieler, der das Rhodes immer bevorzugen würde, liebe ich den Wurlitzer-Sound und setzte ihn einfach in anderen Kontexten ein als das Rhodes.

    Einen Vorzug des Wurlitzer sehe ich darin, wie es sich besser in Band-Kontexten mit viel Mitten-Gedränge (Rock-Gitarren-Bands etc.) einfügt und durchsetzt. Ein Rhodes beansprucht schlicht mehr eigenen Platz im Band-Gefüge, um richtig zur Wirkung zu kommen – oder es wird zum bloß dezenten Hintergrund wie manche Pad-Sounds.

    Wenn man einem Rhodes allerdings den nötigen Freiraum verschafft, kann es definitiv mehr „abheben“ und im Keyboard-Spielfluss schwebend abgehen als jedes Wurlitzer – wie viele Keyboarder bewiesen haben, die es für solche Zwecke(!) weitgehend dem Wurlitzer vorgezogen haben und vorziehen: Herbie Hancock, Joe Zawinul, George Duke, Jan Hammer ebenso wie moderne Keyboarder wie Jamiroquais Toby Smith und Matt Johnson und viele aktuelle Keyboarder im Neo-Soul und Hip-Hop Bereich.

    Das nimmt dem sehr ansprechenden Wurlitzer aber nicht das geringste von seinem eigenen Zauber: sobald man eine Taste anschlägt, hat man ein lebendiges Keyboard-Gefühl und fühlt sich sofort eingeladen, ein Riff oder einen Song zu spielen, ungefähr so wie man spontan singt. Wie gut, dass es beide elektromechanische Keyboards (und als drittes das Hohner Clavinet) gibt! Ein wunderbares Instrument, und ein sehr schöner Überblick!

    • Profilbild
      costello RED

      @defrigge Hi defrigge, die Unterschiede zwischen Rhodes und Wurlitzer hast Du super herausgestellt. Ich bin übrigens auch großer Fan der von Dir genannten Keyboarder. Damals brauchte ich ein E-Piano, dass auch bei massiven Gitarren-Einsatz nicht sang- und klanglos untergeht. Vielleicht sollte ich es ja auf meine alten Tage nochmal mit einem Rhodes versuchen, um auch mal ein bisschen abheben zu können. 🙂

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        defrigge AHU

        @costello Hi costello – wie cool, dass Du genau verstehst, was ich meine! Zum Ausprobieren des Rhodes-Sounds muss man ja nicht gleich bei den aktuell absurden Preisen zuschlagen. Ich habe mein Mk 1 vor Jahren für 1400€ bekommen und für ca. 500€ in Top-Zustand bringen lassen. Zu heutigen Preisen würde ich mir einen Kauf vorerst verkneifen.

        Bei einem kleinen Gig heute abend habe ich aber zum ersten Mal alles mit Software und einem Kontrol S88Mk2 Keyboard gemacht und dabei Steinberg VST-Live (inzwischen ohne größere Probleme nutzbar) auf einem kleinen Surface Pro 8 benutzt. In der Setlist kamen unter anderem zum Einsatz:
        – ein super funktionierenden Scarbee-88 Rhodes
        – der NI Grandeur Flügel, der mein Lieblings-Piano-Plugin ist
        – und das Scarbee Wurlitzer 200A (das in einem rockig-mittigen Kontext wieder super funktioniert hat)

        Das ließ sich alles sehr gut spielen. Die Scarbee-Lösung (oder Vergleichbares) kann ich nur empfehlen (mit brauchbarer Tastatur, nicht zu leichtgewichtet): damit kriegst du ein ziemlich komplettes Rhodes-Feeling und einen erstklassigen Sound. Ich wünsche Dir jedenfalls viel Spass bei Deinem Vorhaben!

        Ein reales Wurlitzer würde ich bei normalen Preisen gern kaufen, aber eben nicht für 5000€ aufwärts…

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    Tomtom AHU 1

    „When I was young, it seemed that life was so wonderful. A miracle, oh, it was beautiful, magical…“

    Danke für diese faszinierende Lektüre! 👍👍

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      costello RED

      @Tomtom Hi Tomtom, und weil wir alle Musik machen und lieben, sind wir im Laufe der Jahre auch hoffentlich noch nicht zu „vegetables“ geworden. 🙂

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    DarthFader

    Wow! Auf der selben Kombi, Polysix auf Rhodes, habe ich Klavier/Keyboard gelernt. Danke für die Erinnerung. 😊

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      costello RED

      @DarthFader Hi DarthFader, das war doch auch eine unschlagbare Kombi: Ein schönes, dynamisch spielbares E-Piano und dazu Pads, Orgel, Brass, Strings vom Polysix. Nur beim Unisono-Solosound hat er mir manchmal etwas zu dick aufgetragen. Da habe ich dann noch den Moog Prodigy dazugekommen.

  8. Profilbild
    dilux AHU

    sich über die qualität deiner artikel zu äußern, hieße eulen nach athen zu tragen; mir fällt aber immer wieder auf, wieviele schnittpunkte wir in punkto musikgeschmack doch haben: supertramp (kleiner kritikpunkt: warum nicht dreamer? da trägt das wurli doch den ganzen song…), beck (der mit seinem genremix bei mir damals offene türen einrannte, obwohl ich mich doch immer als purist empfinde), daft punk, tom petty oder paul weller (besonders style council); das zeigt mir auch immer wieder, daß man als musikliebhaber einfach alle musik liebt oder zumindestens in aller musik etwas finden kann, das man liebt…

    • Profilbild
      costello RED

      @dilux Danke dilux! Ich bin auch immer wieder erschrocken, wie viel komplett unterschiedliche Musik ich eigentlich richtig gut finde. Und hier reden wir nur über Pop. Heute Abend ziehe ich mir Alexander Skrjabins
      ›Le poème de l’extase‹ und Alban Bergs Violinkonzert in der Philharmonie rein. Und das wird bestimmt auch toll.

      • Profilbild
        dilux AHU

        @costello also zu skrjabin musste ich erst einmal wikipedia befragen; sehr interessant…ich hab ja keine ahnung von musiktheorie – ich kann ja nicht mal noten lesen – ,aber der war ja mal engagiert, und ein synthesizer ist auch nach ihm benannt worden, und der klingt auch noch total spannend!

        • Profilbild
          costello RED

          @dilux Ja, das ist total abgefahren: Mursins ANS-Synthesizer, der u.a. für die Musik zu Tarkovskys Film Science Fiction-Film Solaris eingesetzt wurde. Komme gerade aus der Philharmonie und bin noch ganz geflasht – auch wenn da „nur“ ein normales Orchester gespielt hat.

  9. Profilbild
    TobyB RED

    Super Costello! Die Hüte sind zwischendrin ausgegangen. Auch wenn Team Tines bin, Reed Sound geht auch immer. Was mich an diesen Instrumenten immer wieder begeistert ist die Durchsetzungsfähigkeit in verschiedenen Genres. Man muss es nur richtig spielen.

    • Profilbild
      costello RED

      @TobyB Hi Toby, die Hüte sind mal ausgegangen und die Bartlängen wechselten. Team Reed grüßt ganz herzlich Team Tines 🙂

    • Profilbild
      hejasa AHU

      @TobyB genau so, aber wehe, wenn man braucht ein längeres Sustain, dann wird es mit dem Wurli kritisch, von daher habe ich das Rhodes immer vorgezogen, trotz langen Besitzes eines 200A. Trauere diesem wirklich nicht hinterher zumal ich mit Keyscapes sowohl das 140 als auch das 200A würdig vertreten sehe, gerade noch probiert und mit den Soundbeispielen hier verglichen soweit ohrmerkendtechnisch möglich.
      Aber trotzdem, sehr würdigender Artikel eines Instruments meiner Teeny Zeit, denke gerne an das Instrument und die damalige Zeit zurück! Danke Costello!

      Apropo: hatte vor dem Wurli ein RMI, welches ich sehr schnell gegen das Wurli getauscht habe wegen der fehlenden Anschlagsdynamik. Damals gingen solche Tausche und Probierphasen in Köln, immerhin mehrere Monate problemlos und ohne Preisnachlass, wenn das Instrument keine Schäden hatte. Ich glaube die großen Musikhäuser haben daraus bis heute gelernt! Das Rhodes, was ich dann nicht erwerben konnte war erinnerungsweise etwa 400 DM teurer als das Wurli, daher kam mein Kompromiss, konnte mir die Preisspanne als Student nicht leisten.

      • Profilbild
        TobyB RED

        @hejasa Es ist allerdings auch nicht einfach das Sustain des Rhodes im musikalischen Kontext zu nutzen. Ich hab eine Weile gebraucht. Also ein Selbstläufer war das nicht. Hinzukommt das die Art und Weise wie man das Rhodes abnimmt soundbestimmend ist. Das wird bei einem Wurli auch nicht viel anders sein. 😊

      • Profilbild
        costello RED

        @hejasa Hi Hejasa, das Sustain ist wirklich nicht sonderlich ausgeprägt beim Wurlitzer. Dieser Effekt, dass der Ton relativ schnell wegstirbt scheint mir bei den Nord-Samples sogar noch ausgeprägter zu sein, als beim Original. Vielleicht hat Roger Hodgson deshalb diesen repetitiven Stil entwickelt. Im Bandkontext ist das nicht so wichtig, da hört man ohnehin meistens nur die Attack-Phase des E-Pianos. Lustig, dass Du zunächst das RMI in den Blick genommen und es auch eine Weile gespielt hast. Der Sound ist schon ikonisch, aber die fehlende Dynamik wirkte damals bereits etwas dated. Mein Wurlitzer kostete damals knapp unter 2.000,- DM, das Rhodes vielleicht 200,– DM mehr. Das hat bei mir also nicht den Ausschlag gegeben.

        • Profilbild
          hejasa AHU

          @costello Hi costello,

          bei meinem Kawai MP 11 ist es umgekehrt, das Sustain ist im Preset eher zu lang, aber die Wurli Imitation knarzt trotzdem wunderbar. Das RMI war mein regelrechtes Hassinstrument, ich weiß nicht wie oft ich bei den Proben über die fehlende Anschlagsdynamik geflucht habe, und carpet crawler hatten wir nicht im Programm und als Jazz Rock Gang auch nicht im Sinn. Es gab dann irgendwann 1976 oder 1977 einen Preissturz beim Wurli auf 1900 DM. Der Händler hatte einen ganzen Schub davon ergattert und gab den günstigeren Einkaufspreis an die Kunden weiter.

  10. Profilbild
    0gravity

    Toller Artikel.
    Wenn ich die Wahl zwischen Wurlitzer und Rhodes hätte, würde ich mich immer für das Wurlitzer entscheiden.
    Am besten ist es natürlich wenn man beide hat ;-)

  11. Profilbild
    Sven Blau AHU

    Das Foto mit Cherno Jobatey am Bass ist ja mal cool.

    Spielt er heute immer noch Bass, habt ihr noch Kontakt?

    • Profilbild
      costello RED

      @Sven Blau Cherno ist musikalisch immer noch aktiv: Seine aktuelle Band heißt Cherno Jobatey & Groove Gangster GmbH. Cherno spielt da Gitarre. Von den 10 ehemaligen Nieswurz-Mitgliedern habe ich noch zu vieren Kontakt, inklusive Cherno. 😊

  12. Profilbild
    exTDRalf

    Hallo, Costello, wieder mal ein Artikel in ErsteSahneQualität!
    Besonders schön finde ich dass du so viele Soundbeispiele aus der eigenen Vergangenheit gefunden hast. So hört man nicht nur hochglanzpolierte Studioproduktionen, sondern auch wie sich das Instrument ganz real im rauen Bühnenbetrieb anhört. Ich wünschte ich hätte noch Aufnahmen aus der Zeit!
    Danke für die sicher höchst aufwändige Recherche. Sehr interessant auch für mich, der ein Wurlitzer niemals gespielt bzw. noch nicht mal aus der Nähe gesehen hat!
    Ich hatte zu jener Zeit ein Rhodes Piano, das ganz ladenneu schrecklich verarbeitet war. Aus heutiger Sicht eine Unverschämtheit. Wie war das beim Wurlitzer, gabs da auch solche Ausreißer?
    Beste Grüße Ralf

    • Profilbild
      costello RED

      @exTDRalf Hallo Ralf, danke für Dein nettes Feedback! Das Wurlitzer war einwandfrei verarbeitet und hat all die Jahre klaglos seinen Dienst versehen, obwohl es viel transportiert wurde. Dass ich die eine oder andere Klangzunge mal auswechseln musste, gehört dazu. Vor allem wenn man nicht Ballade pour Adeline spielt, sondern ordentlich in die Tasten haut. 😉

  13. Profilbild
    ach herrjemine

    Nun habe ichendlich die angemessene Ruhe gefunden den neuen costello Artikel zu geniessen.

    Es fällt mir schwer etwas hinzuzufügen was hier nicht schon kommentiert wurde.
    Egal: Super recherchiert, gekonnt mit Klangbeispielen gewürzt, kurzweilig geschrieben. Insbesondere Deine eigenen Bandaufnahmen machen Spass weil sie das Wurli mal in einem realistischen Live Kontext hörbar machen und nicht in einer aufpolierten (Home-)Studioproduktion.

    Das Lesen hat mir viel Freude bereitet. Danke für den Wurlitzer Bericht, costello!!👍

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