Mehr aus dem Humbucker herausholen!
Humbucker produzieren einen generell fetten und voluminösen Klang. Für viele Einsatzzwecke ist dies genau das, was wir uns von unserem Pickup wünschen. Manchmal benötigen wir aber auch einen etwas dünneren bzw. höhenreicheren Klang, den unser Humbucker standardmäßig nicht zur Verfügung stellt. In diesem Amazona-Workshop wollen wir uns mit einigen Möglichkeiten beschäftigen, wie wir mit dem Coil Tapping noch weitere Sounds aus unserem Tonabnehmer herausholen können, ohne einen übermäßigen Aufwand zu betreiben.
Für die folgenden Modifikationen sollte man über einen Lötkolben und einiges Geschick im Umgang mit diesem verfügen. Wenn dem nicht so ist, überlasst diesen Job lieber einem Fachmann. Trotzdem wird das Weiterlesen auch für die Einsteiger in diesem Gebiet interessant sein, da der Artikel einige nützliche Tipps und Tricks im Umgang mit der Gitarrenelektronik beinhaltet.
Einige Humbucker im Singlecoil-Format verwenden sogenannte Dummy-Spulen. Diese besitzen aber keine Magneten, sondern dienen lediglich dazu, das Brummen der darüberliegenden Spule zu neutralisieren. Hier werden aber keine Signale durch die Saitenschwingung erzeugt, somit sind sie für uns nicht als Tonerzeuger zu verwenden. Anders gesagt: Für unsere Modifikation benötigen wir also Tonabnehmer, deren Spulen sich nebeneinander und nicht übereinander befinden. Auch aktive Pickups sind von einer hier beschriebenen Modifikation ausgeschlossen.
Eine weitere Voraussetzung für das Coil Tapping ist natürlich, dass unser(e) Humbucker über vier Kabel (ggf. zuzüglich einem weiteren für die Masse) verfügt. Die beiden Spulen mit jeweils einem Ein- und Ausgang sollten also separat zugänglich sein. Dies ist leider nicht bei allen Humbuckern der Fall!
Die meisten Anbieter von Tonabnehmern, wie z.B. DiMarzio oder Seymour Duncan, Gibson etc. sind entsprechend vorbereitet. Leider existiert hier kein einheitlicher Farbcode, sodass wir hier sicherheitshalber ein paar einfache Widerstandsmessungen durchführen müssen, um sicherzugehen, dass wir unsere Modifikationen zufriedenstellend ausführen werden und unsere Arbeit nicht doppelt erledigen müssen.
Für unsere Modifikation benötigen wie ein Multimessgerät, welches u.a. Widerstand messen kann. Diese sind heutzutage meist digital und darüber hinaus sehr kostengünstig. Für die Messung des Widerstands und sogar einer Phasenprüfung der Spulen kann auch ein altes analoges Zeigermessgerät von Vorteil sein. Hierzu später mehr!
Einige Möglichkeiten zur Erweiterung unseres Klangspektrums
Kommen wir nun zur Sache
Die üblichen Modifikationen ist das Coil-Tapping, d.h. wir benutzen nur eine Spule unseres Humbuckers (Singlecoil-Betrieb) oder Parallelschaltung der Spulen. Dadurch wird jeweils ein etwas dünnerer, höhenreicher Klang generiert.
Eine Parallelschaltung der Spulen hat den Vorteil, dass hier das typische Singlecoil-Brummen vermieden werden kann. Im reinen Singlecoil-Betrieb müssen wir bekanntermaßen mit dem nervigen Brummen leben. Um unseren zusätzlichen Klang zu schalten, benötigen wir ein Push-Push- bzw. Push-Pull-Poti, welches über einen 2 x Umschalter verfügt. Somit müssen wir keine neuen Löcher in unser geliebtes Instrument (Schlagbrett) bohren. Alternativ können aber auch kleine Minischalter (2 x Um) zum Einsatz kommen.
Natürlich sollten wir uns selbst nur an eine Modifikation wagen, wenn wir über etwas handwerkliches Geschick, technisches Know-how, einen Lötkolben, passendes Werkzeug, ein Messgerät und etwas Geduld verfügen. Im Zweifel überlässt man die Geschichte besser dem Fachmann.
Reiner Singlecoil-Betrieb
Der Singlecoil-Betrieb eines Humbuckers ist mit Humbuckern im „großen“ Format, aber auch für Humbucker im Singlecoil-Format anwendbar. Im Singlecoil-Betrieb wird nur eine Spule unseres „Doppelspulers“ genutzt. Hierfür sollte man sich im Klaren sein, welche den Job übernehmen soll. Die Spule, die sich näher am Steg befindet, produziert aufgrund ihrer Position etwas mehr höhere Frequenzen und einen etwas schärferen Klang. In vielen Strats wünschen wir uns sowohl einen fetten Klang für Solos, als auch einen Singlecoil-Sound, der in der Zwischenposition gut mit dem mittleren Tonabnehmer harmoniert.
Ich verwende in einer meiner Strats einen DiMarzio Chopper am Steg, der einen recht fetten Ton produziert, wenn er zugegebenermaßen auch nicht ganz an den Klang eines „richtigen“ Humbuckers herankommt. Um den typischen Stratsound zu erhalten, wird dieser mittels eines Push-Push-Potis gesplittet. Beide Klänge sind ein guter Kompromiss, um im Liveeinsatz flexibel zu bleiben.
Ich persönlich bevorzuge mittlerweile Push-Push-Potis, da das Umschalten schneller vonstattengeht. Die nervige Fummelei, schnell unter das Push-Pull-Poti zu gelangen, um dieses zu ziehen, gehört damit der Vergangenheit an. Die schaltbaren Potentiometer werden u.a. einem Widerstand von 250 k log bzw. 500 k log. angeboten. Ich habe mit den 250 k Potis gute Erfahrung gemacht, es mag aber den einen oder anderen geben, der auf 500 kOhm Potis schwört. Die persönliche Präferenz muss jeder selbst durch Experimentieren herausfinden.
Für unsere Coil Tapping Modifikation muss zunächst ermittelt werden, welche Kabel zu welcher Spule gehören. In der Anleitung des Pickups ist dieses wahrscheinlich dokumentiert. Um sicherzugehen, müssen wir die einzelnen Spulen mit dem Widerstandsmessgerät durchmessen, da wie gesagt kein einheitlicher Standard für die Beschriftung existiert. Eine Spule hat normalerweise einen Gleichstromwiderstand zwischen 5 kOhm und 15 kOhm.
Hier nun ein Schaltbild, wie die Drähte an das Poti angeschlossen werden:
Sofern wir das Coil Tapping von einem Poti erledigen lassen, wird im herausgezogenen Zustand nun eine Spule abgeschaltet bzw. mit der Masse kurzgeschlossen. Unser von der Saitenschwingung generierter Wechselstrom fließt also nur durch eine Spule unseres Humbuckers. Wenn wir Pech haben, läuft unsere Spule im Verbund mit den anderen Pickups „Out of Phase“, was sich durch einen sehr dünnen und bassarmem Klang bemerkbar macht. Als Phase bezeichnet man die Signalrichtung, die der Tonabnehmer induziert, wenn sich die Saite im Magnetfeld schwingt. In diesem Fall müssten wir die Drähte unseres „Singlecoils“ wieder „anders herum“, also phasengedreht anlöten.
Um diese Unsicherheit zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit, mit einem alten Drehspulenwiderstandsmessgerät, soweit wir noch über ein solches verfügen (diese werden schon lange nicht mehr gebaut, da sie vollständig durch die digitale Variante ersetzt wurden), die Phase vorher zu prüfen. Das funktioniert folgendermaßen:
Phasenprüfung der einzelnen Spulen
Wir schließen den Tonabnehmer bzw. die Anschlussdrähte unserer zu überprüfenden Spule des Steghumbuckers an unser Messgerät an. Nun halten wir z.B. eine schwingende Stimmkabel über die Magneten der Spule. Da die Stimmgabel heute fast ausgestorben ist und meist digitale Stimmgeräte zur Verwendung kommen, sofern ihr also keine Stimmgabel besitzt, könnt ihr auch eine Zange auf die Magneten legen und schlagartig „hochreißen“. Das erzeugt den gleichen Effekt, nämlich einen Ausschlag unseres Messgeräts. Unser Drehspuleninstrument wird dann in eine Richtung ausschlagen (sagen wir einmal nach rechts). Erzeugt der Mittelpickup unser Strat beim Nähern der Stimmgabel, einen Ausschlag in dieselbe Richtung, sind diese beiden Spulen in Phase. Ist das nicht der Fall, dann müssen wir die Phase eines (ggf. beider Singlecoils) tauschen, um wieder in Phase zu sein. Dieses Verfahren spart Zeit und beseitigt Unsicherheiten.
Wer kein Drehspuleninstrument auftreiben kann oder wem das jetzt Angst gemacht hat, der sollte lieber die Finger davon lassen bzw. diese Arbeit einem Fachmann überlassen.
Parallelschaltung beider Spulen eines Humbuckers
Der Vorteil einer Parallelschaltung beider Spulen eines Humbuckers besteht eindeutig in der Brummfreiheit. Klanglich ist das Resultat nicht ganz so „dünn“ wie beim reinen Singlecoil-Betrieb, wir erhalten mehr Höhen, aber verlieren nicht ganz so viele Bassfrequenzen. Hierzu werden die beiden Spulen unseres Humbuckers unter Zuhilfenahme des Push-Push (Pull) -Potis parallel geschaltet. Dadurch neutralisiert sich das äußere Magnetfeld und vermeidet so das lästige Brummen. Wie das Ganze verschaltet wird, kann man dem folgenden Diagramm entnehmen:
Für die Strat mit Humbuckern am Steg …
… empfiehlt sich in der Zwischenstellung 4, die den Steg- und Middlepickup zusammen erklingen lässt, eine Abschaltung einer Spule, so dass wir einen Strat-typischen Sound behalten. Hierfür ist nicht einmal ein Push-Pull-Poti notwendig, das sich diese Schaltung über die zweite Schaltebene unseres Fünfwegeschalters bewerkstelligen lässt.
Viele Gitarren mit H-S-H-Bestückung, hier speziell die Ibanez Modelle, nutzen ebenfalls dieses System, um in den Zwischenstellungen durch Coil Tapping einen „Stratklang“ zu erhalten. Hierbei wird im Parallelbetrieb zweier Pickups immer eine Spule des Humbuckers kurzgeschlossen, ohne dass wir hierfür einen weiteren Schalter haben müssen. Diese Arbeit verrichtet ausschließlich unser standardmäßig vorhandener Fünfwegeschalter („5-Way-Bladeswitch“).
Da dies somit automatisch geschieht, bezeichnet man diese Schaltung u.a. als „Autosplit“ Dies soll bedeuten, dass wir in der Stellung 4 des Fünfwegeschalters unserer Strat (Mittel- und Stegtonabnehmer), eine Spule unseres Humbuckers an Masse legen, um einen „authentischeren“ Stratsound zu hören, da dieser ja auch aus zwei echten Singlecoils gewonnen wird. Das muss nicht immer besser sein, als beide Spulen des Humbuckers zu benutzen. Man sollte hier mit Ruhe ausprobieren bzw. anhören. Hier entscheidet wie so oft der persönliche Geschmack.
Mit einem Klick auf diesen Link gelangt man auf ein PDF dieser speziellen Coil-Tapping-Schaltung. Weitere Schaltungen könnt ihr in der Verdrahtungsabteilung der Seymour Duncan Seite suchen. Grundsätzlich ist diese eine gute Adresse, sich gitarrenschaltungsmäßig fit zu machen, neue Ideen zu finden oder mehr aus euren Instrumenten herauszuholen. Habt ihr z.B. zwei Humbucker und in der Mitte einen Singlecoil, kann euch dort natürlich auch geholfen werden.
Ich würde mich freuen, wenn ihr aus diesem Artikel etwas Nützliches herausziehen konntet und das Thema Coil Tapping nun kein ganz Unbekanntes mehr ist. Keep on rockin‘!
Hier unsere Workshops auf einem Blick:
- Workshop E-Gitarre: Tonabnehmer, Humbucker, Singlecoils
- Tutorial E-Gitarre: Vibrato, Floyd Rose, Tremolo
- Workshop E-Gitarre: Oktavreinheit
- Workshop E-Gitarre: Saitenwechsel
- Ratgeber E-Gitarre: Rund ums Plektrum
- Tutorial E-Gitarre: Humbucker und Coil-Tapping
- Workshop E-Gitarre: Effektpedale richtig verkabeln
- Workshop E-Gitarre: Mikrofonierung von Amps
- Tutorial E-Gitarre: Rund ums Delay
- Workshop E-Gitarre: MIDI Für Gitarristen
- Tutorial E-Gitarre: Gitarrenpflege
- Workshop E-Gitarre: True Bypass oder Buffer
- Tutorial E-Gitarre: Overdrive, Fuzz und Distortion
- Workshop E-Gitarre: DIY Workshops
- Ratgeber E-Gitarre: Survival Guide für Bands
Hallo ein sehr schöner Artikel ! Sehr gut und verständlich geschrieben, die Schaltbilder sind zwar eine Zumutung aber wer in der Grundschule in Elektrotechnik aufgepasst hat kann trotzdem sehr viel lernen und selbst löten. Den Trick mit dem Messgerät finde ich richtig geil! DANKESCHÖN. Ich sag ja, die guten alten Sachen sind trotzdem nicht weg zu denken.
Sehr guter Artikel der die Zusammenhänge verständlich beschreibt. Nett finde ich auch die Phasenprüfung mit Analogmessgerät, da fühle ich mich gleich wieder in meine Elektrotechnikausbildung zurückversetzt :-) Einen Einwand hätte ich bzgl. der Bezeichnung der Methode: Nach meinem Verständnis handelt es sich hier um die coil-split-Option, nicht um coil-tapping. Beim coil-splitting wird, wie hier beschrieben, eine von zwei Spulen „deaktiviert“ um einen singlecoilartigen Sound zu erhalten, während beim coil-tapping eine Spule intern angezapft wird. Das bedeutet, dass coil-tapping bereits beim Wickeln des Pickups realisiert werden muss. Andernfalls müsste man die Spule des Pickups zum Teil (je nach Geschmack bis zu 50%) abwickeln, eine Anzapfung vornehmen und dann wieder wickeln. Das geht mit Sicherheit schief.