Volca Live-Act im Kraftwerk-Look
Wir möchten euch wieder mal Musiker aus unseren Leserreihen vorstellen. Heute geht es um einen interessanten Live-Act aus der Schweiz, die sich nicht ohne Grund Volca Massaker Orchester nennen.
Peter:
Hallo Franz, ihr seid uns durch eure Performance-Videos aufgefallen, bei denen ihr vor allem live mit Korg Volcas auftretet. Ich dachte immer, dass wäre so ein Ding der Generation Z, aber ihr haltet da stramm dagegen. Wie setzt sich eure Band zusammen?
Franz:
Tatsächlich, in diese Schublade passen wir nicht. Sagen wir es so, unsere Band ist ein Generationen übergreifendes Projekt, was sowohl die Zuhörenden betrifft als auch uns. Wir sind fünf Bandmitglieder: Maru Rieben (Bern ist überall), Annie Rüfenacht (Annie Aries), Daniel Wihler (Alphatronic), Nick Kellner (Digitalis) und Franz Neff.
Peter:
Was sind die Backgrounds eurer einzelnen Mitglieder?
Franz:
Annie ist musikalisch mit ihrem modularen Eurorack allein (Annie Aries) und manchmal mit anderen unterwegs. Sie unterrichtet an der Hochschule der Künste Sound Arts im Studiengang Sound Arts. Maru macht Theatermusik und Performance Projekte und unterrichtet Schlagzeug. Daniel ist als Alphatronic mit alten analogen, modularen Synthesizern unterwegs und beruflich Tontechniker. Nick, Master der Elektron Geräte, produziert Acid-Sound mit Digitalis. Er ist Informatiker. Ich bin auch im Jazz als Bassist daheim.
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Peter:
Der Technik-Nerd in der Gruppe bist aber du, korrekt?
Franz:
Hmm, das sind wir wohl alle und obschon heftig angesteckt, habe ich wohl am wenigsten Erfahrung. Wenn ich an Annies großartigen modularen Wunderkoffer denke oder die eindrücklichen Setups sehe, mit denen Daniel und Nick auftreten, könnte man schon neidisch werden. Aber ich kann viel von den anderen lernen. Wir sprechen bei den Proben regelmäßig über Synth-Neuheiten und wie wir mit unseren eigenen Geräten arbeiten. Dank eines solchen Hinweises konnte ich mir kürzlich gerade noch den Program Manager für meinen Buchla Easel ergattern, bevor er ausverkauft war.
Peter:
Wie kamt ihr zur elektronischen Musik?
Franz:
Daniel ist ein alter Electro-Punk, Nick ist ein alter Acid-Head, Annie verliebte sich während ihres Studiums in Doepfer A-100, Maru ist die Tanznudel und landete so beim Techno, ich als Jazz-Bassist als Spätzünder von den anderen angesteckt.
Peter:
Warum reduziert ihr euch auf die Korg Volcas? Oder ist der Bandname gar nicht Programm?
Franz:
Doch, doch, der Bandname ist schon Programm. Die Band wurde kurz nach der Markteinführung der Korg Volca Geräte (Beats, Bass, Keys) gegründet. Die Idee bestand darin, zusammen mit Leuten unterschiedlicher musikalischer Herkunft und Stilrichtungen mit den gleichen einfachen, nur mit einem 16-Step Sequencer ausgestatteten und günstigen Geräten zu jammen. Daniel lancierte damals eine Rundfrage unter elektronischen Musiker/innen in der Region Bern, die wie er beim Label Everest Records produzierten. Beim ersten Treffen waren ungefähr zwölf Leute dabei; zu acht nahm die Idee dann Fahrt auf.
Peter:
Wie viel von eurer Musik passiert wirklich live und wieviel davon sind vorab einprogrammierte Sequenzen?
Franz:
Alles passiert live, es ist nichts vorprogrammiert. Wir vereinbaren lediglich im Voraus die Tonart. Haben wir einmal einen Auftritt an einem ungewohnten Ort wie zum Beispiel in einer Kirche vorletztes Jahr für ein Adventskonzert, machen wir uns vorab auch Überlegungen über die Spielweise. Einerseits wegen der ungewohnten Zuhörerschaft, andererseits auch wegen der Akustik. Als wir aber sahen, wie in den Kirchenbänken die Beine zu wippen begannen, hatten wir schon noch einen Zahn zugelegt.
Peter:
Was macht wer in der Band?
Franz:
Es hatte ein paar Jahre gedauert, bis sich der Orchestergedanke umsetzte und die Zuteilung der Geräte fixiert hatte. Das hing auch von den verschiedenen Präferenzen und Vorstellungen der Bandmitgliedern ab. Auch unsere Band hat die bekannten «Forming, Storming, Norming, Performing» Phasen erlebt, was auch Wechsel in der Zusammensetzung ergab. Außerdem lancierte Korg ja nach und nach neue Volcas. Seit ein paar Jahren sind wir konstant unterwegs und sowohl von den Instrumenten als auch Rollen her gut definiert. Maru macht HiHat und Sample-Perkussion, Annie spielt Melodien mit dem Keys und Bass, Daniel sorgt mit Bassdrum, Snare, Subbass und Claps für den Groove, Nick kreiert Basslinien und Melodien, ich mache Pads und Leads mit dem Volca FM und schräge Klänge mit dem Modular.
Peter:
Euer Bühnenoutfit erinnert mich schwer an Kraftwerk. Das ist doch sicher kein Zufall, oder?
Franz:
Kraftwerk hat wohl alle elektronisch Musizierenden beeinflusst. Uns war es aber viel wichtiger, als Einheit aufzutreten. Zu Beginn hatten wir gelbe, plastifizierte Kleider aus der Chemie, ziemlich warm also. Darum hatten wir auf Arbeitsklamotten mit einer coolen Farbe gewechselt. Dieses Outfit macht uns als Band noch mehr zu einer Einheit. Das nimmt auch das Publikum wahr. Außerdem erkennen die wenigsten, wer in der Band nun was spielt. Nick meinte kürzlich, elektronische Musiker/innen seien im Gegensatz zu uns eher allein unterwegs. Für uns verstärken die Kleider das Wir-Gefühl.
Peter:
Habt ihr schon einen regionalen Bekanntheitsgrad und werdet automatisch gebucht oder müsst ihr aktiv selbst für eure Bookings sorgen.
Franz:
Ich denke schon, dass wir in der Region einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. So wurden wir zum Beispiel vom Café Kairo in Bern gleich am ersten Wochenende nach der Lockerung der Corona-Massnahmen zu einem weiteren Gig eingeladen und sahen da einige Zuhörende, die wir von früheren Konzerten kannten. Es ist auch schon vorgekommen, dass uns jemand an einem Konzert zuhörte und später engagiert hat. Meist entstehen Gigs dank Mund-zu-Mund-Propaganda und auf Grund persönlicher Bekanntschaften der Bandmitglieder. Wenn wir im letzten Herbst an einer Vernissage spielen, kommen wir auch mit Menschen in Kontakt, die wegen den Kunstobjekten kamen und dann von unserer Musik überrascht wurden. Gelegentlich werden wir auch für Clubnächte gebucht. Schließlich konnten wir auch schon am Festival «Les Digitales» mitspielen.
Peter:
Wie habt ihr die Corona-Zeit überstanden? Gab da Proben und Zusammenkünfte?
Franz:
Abgesehen von ersten Wochen mit dem Lockdown haben wir durchgehend wie üblich alle 14 Tage geprobt, einfach mit dem erforderlichen Schutz. Höhepunkt war zweifellos die Einladung von Korg Deutschland zu einem Live-Stream im Rahmen von «Run The World» im März 2021. Zuerst gab es ein Interview mit der Band, dann konnten wir 45 Minuten spielen.
Peter:
Wie muss man sich überhaupt eine Probe vorstellen von einer Gruppe, die vorwiegend mit Volcas arbeitet?
Franz:
Da wir auch jedes Mal die Technik, die Ständer und die Instrumente auf- und abbauen, ist die Situation schon sehr ähnlich wie ein Konzert, abgesehen vom üblichen Warten vor dem Auftritt. In der Regel dauern die Proben eineinhalb Stunden. Wir haben vorläufig noch ein Lokal im Dachstock eines ehemaligen Lagerhauses. Manchmal üben wir gezielt für einen Gig in einer bestimmten Umgebung. Also mal mehr Techno für den Auftritt im Club, mal mehr ambient-sphärisch, wenn nicht gerade das Tanzen Priorität hat. Ist eine Weile kein Auftritt in Sicht, genießen wir es einfach, miteinander Musik zu machen. Daniel beginnt meist mit einem Beat, nach und nach kommen die Elemente hinzu. Wir geben uns beim Spielen auch Hinweise wie «Ja, super, etwas lauter!» oder «Nimm das etwas zurück!» Dann üben wir mal, aus dem freien Spiel heraus nur mit visueller Kommunikation klare Breaks zu machen.
Peter:
Nun seid ihr Volca-Kenner. Welches sind deine Top-Module und welche hätte sich Korg deiner Meinung nach lieber sparen können?
Franz:
Wir probieren alle neuen Geräte aus. In der Band sind wir uns einig, dass unsere Favoriten der Volca Sample, FM, Keys, Bass und der Modular sind. Der attraktive Nu Bass passte nicht so gut ins Soundbild und bleibt jetzt in der Schachtel. Der Volca Drum nahm zu viel Platz ein, ist aber in einem anderen Kontext sicher absolut cool. Einzig den Volca Mix haben wir ignoriert. Drei Eingänge reichen uns nicht.
Peter:
Und welche Module würdest du dir für die Zukunft von Korg noch wünschen?
Franz:
Da lassen wir uns gern von Korg überraschen. Wir schätzen auch Verbesserungen der bisherigen Modelle, wie etwa kürzlich beim FM-2.
Peter:
Nach den Ankündigungen von Behringer zu urteilen, wird es wohl bald auch kleine Pocketsynthesizer von Behringer geben, die den Volcas sehr ähnlich sein werden. Wird dann gemischt oder bleibt ihr strickt bei den Volcas?
Franz:
Klingt «Behringer Massaker Orchester» nicht eher schräg? Die Beschränkung auf Volcas bleibt vorläufig unser Programm.
Peter:
Bedanke mich für dieses interessante Interview, Franz. Und euch allen noch viel Glück und Erfolg mit eurem schönen Orchester
Sehr cool! 👍
Die Idee ist charmant, die Umsetzung top!
Klingt tatsächlich nicht schlecht. Ich habe es mir LoFi-hafter vorgestellt. Die Live-Bedienung stelle ich mir aber doch etwas fummelig vor. Mit Wurstfingern eine Zweistunden-Performance abzuhalten ohne sich bei der Volca-Bedientastatur zu vertippen (kenne das Bedienfeld von der ‚Bass‘)? Ja, geht den das überhaupt? 😇
Hab gerade mal reingehört – das hat schon was meditatives, was die machen.
Sich mit den Volcas hinstellen und improvisieren.. Hut Ab!
Tolle Idee
Richtig tolles Konzept, und sehr schön umgesetzt. Allein waren mir die Volcas immer zu limitiert an allen Ecken und Enden – aber eine Band zu bilden, die nur diese Dinger nutzt, ist eine total knuffige Idee. 😀
@Eibensang Da kommen schöne Erinnerungen an den Auftritt beim Les Digitales in der Hardturm Brache Zürich hoch. Das Massaker war ein Highlight, Nick hat später mit Digitalis nicht weniger gerockt, dann hat Biosphere mit seinem Set dem Tag die Krone aufgesetzt. Schöne Zeiten.
Na endlich mal ein Feature über das Volca-Massaker-Orchester…bin schon lange ein insgeheimer Fan, finde ich ein super Konzept und auch gewissermaßen mutig sich mit den oftmals als Spielzeug verrufenen Volcas auf die Bühne zu stellen. Und was ich auch sehr erfreulich finde…dass dieses Orchester nicht nur aus Typen besteht :-)…
Hoffe ihr kommt mal nach Berlin…
Schön weitermachen…🎹😍🎹
Das klingt total klasse!
das macht richtig spass zuzuhören und wenn das tatsächlich live programmiert wird, ist das eine echte leistung…mit der namensgebenden programmatik nimmt man es wohl aber nicht ganz so genau; ich sehe da z.b. eine electribe 2, eins von den kaos pads und ein strymon…und wo ist eigentlich das mischpult?
@dilux Das ist wirklich alles live eigespielt.Vor beginn der Konzerte/probe legen wir nur die tonart/tonhöhe festThats it Improvisieren ist sankrodankt für uns!!
Den etribe verwende ich lediglich zur noteneigabe an meinen 2 keys und den bass über eine midi thru box den sequenzer oder audio vom etribe verwende ich nicht.
wir limitieren uns auch auf die 16 steps der volcas
Reduce to the max
Den strymon und das kaospad verwende ich als effekte fiur meine 2 keys und den bass
Wir haben ein kleine mischpult jeweils vor uns am boden ( software auf ipad)
@dilux @Dilux: „… und wo ist eigentlich das mischpult?“
Auf dem Proberaum-Foto ist jedenfalls ein Zoom LiveTrak zu sehen, schön mittig auf dem Boden. Ein nettes Mischpult, „und ein Multitrack-Recorder ist auch schon drin!“
Absolut klasse!
Mir bis dato völlig unbekannt. Der Track aus der Marta Bar aus Mai 2022 ist sowohl etwas meditativ als auch eine absolute Aufforderung zum tanzen.
Wann touren die in Spanien?
Und – das jammen muss unheimlich viel Spaß machen.
Da bin ich mal äußerst angenehm überrascht! Sehr Cool!
Der Sound ist echt klasse!!!
Hatten die Kraftwerker nicht rote Hemden und schwarze Bügelfaltenhosen an?
Meine Assoziation ist auch eher DEVO als Kraftwerk .
Die sind ja auch viel lustiger .
Klasse Interview und Spitze Idee. Die Schweizer Volca Devos: „whip it“ mit den Volcas spielen und auspeitschen wie Devo`s Mark Mothersbaugh es mit dem Minimoog tat….wär auch cool….
Kannte bisher nur Matellica aus Japan, der macht auch ziemlich abgefahrene Jams mit seinen Volcas zB Goldfrapp, Nitzer Ebb & Depeche Mode cover : Hier ein Goldfrapp Jam mit 6 Volcas ….
https://www.youtube.com/watch?v=uLDaVbXD3Uw
Hatte meine 3 Volcas (Samples/Keys & Bass) schon eingemottet….vielleicht erleben die ja jetzt auch eine Wertsteigerung wie der Minimoog ….
Donkamatic :-)
Schon irgendwie nett, aber ich habe auch fünf von den Teilen und nutze die eigentlich nicht, weil die so schrecklich rauschen (mehr als mein MS-20)
Verstehe nicht wie Mensch damit ein Konzert abhalten kann.
@Breity Vielleicht weil ein Bandmitglied ein Tontechniker ist? :)
Klingt alles interessant, hoffentlich dschändern die wenigstens nicht in der Musik. Habe schon gehofft, wenigstens apud Helvetos wäre diese Unsitte verpönt, die deutsche Sprache künstlich zu entstellen. Sonst sollten die sich schon gleich „Volcanende Massakrierende Ohne Ende“ nennen. Schade, sonst eine sympathische Musiker-Mix_Gruppe!
Der Ansatz ist prima. Uniform, gute Farbe. Wir haben’s mal mit weissen Overalls gemacht. Gut, um als lebende Leinwand mitzuspielen. Nur mit diesen Kisten spielen. Auch Tonart festlegen sonst nix. Die durchlaufende 4 on the floor Kick gibt dynamisch dann aber auch wenig Spielraum. Ein Akkordwechsel wird schwierig, ich muss mich auf die repetitiv hypnotische Wirkung verlassen. Aber wenn‘s funktioniert, y not?
Volca Massaker Orchester…
free live stream
28 Januar2024 21.00 -22.30 Uhr
The Great Sunday Night Disaster Show #1 –
https://disastershow.ch/index.php/veranstaltung/volca-massaker-orchester/
@Robin Fly Bitte in Events posten, da sehen es die Leser auch :)
@Tyrell hmm…hab ich eigentlich gemacht…allerdings ist der Anlass in Events nur ersichtlich, wenn ich eingeloggt bin…
Sehr coole Truppe!
Danke für den Hinweis.
Sehr cool, gerade erst drüber gestolpert, kann man sich mal merken