18. Februar 2012
Digitale Wellen mit analoger Verarbeitung
Unterschätzte Alternative – der DW-6000
Korg stellte 1985 als Nachfolger des Korg Poly-61 einen Hybrid-Synthesizer im mittleren Preissegment vor, der die Vorteile der digitalen Klangerzeugung mit denen von analogen Filtern verbinden sollte. Man wollte Yamahas Marktführerposition etwas entgegen setzen können und schickte den DW-6000 als kleinen Bruder des Korg DW-8000, gegen den Yamaha DX7 ins Rennen.
Recht schick sieht er aus, Korgs Hybrid-Synthie
Auffällig ist in erster Linie, dass der DW-6000 keine Drehregler für das direkte Verändern von Sounds besitzt, wie man es von einem (halb-) analogen Synthesizer erwarten könnte. Statt dessen geschieht dies über das Eintippen der aufgedruckten Parameter-Nummern und die Eingabe über den Value-Schieber bzw. den Up-/Down-Tasten in einer einfachen, logisch angeordneten Matrix. Neben dem Korg-typischen XY-Joystick, mit dem sich auch das analoge Filter modulieren lässt, fallen als weitere Besonderheiten die aufgedruckten sogenannten „DWGS“-Schwingungsformen der digitalen Oszillatoren auf, die die Schwinungsform-Struktur klassischer Instrumente nachbilden sollte.
Um den Überblick zu bewahren, gibt es noch zweistellige Ziffern-Anzeigen für die Programm- und Parameternummer sowie für den Parameterwert. Ein wirklich aussagekräftiges Display sucht man vergeblich, dennoch kann man sich gut an der aufgedruckten Parameter-Matrix orientieren.
61 ungewichtete Tasten fügen sich in das anthrazitfarbene Gehäuse ein. Leider sind diese weder anschlagdynamisch noch Aftertouch-fähig. Auf der Rückseite finden sich neben dem obligatorischen MIDI-Trio (nicht unwichtig für sie Einbindung in ein modernes Setup) zwei Klinkenausgänge (mono oder stereo), eine Kopfhörerbuchse sowie diverse Anschlüsse für Pedale. Nicht zu vergessen wäre das Kassetten-Interface zum Abspeichern der Klänge, das seinerzeit zum guten Ton (dieser Scherz sei mir bei einem reinen Speicher-Medium verziehen) gehörte, aus heutiger Sicht aber eher ein Schattendasein führt. So weit also alles vorhanden: Das Einzige, was man noch bemängeln könnte, wären die fehlenden Einzelausgänge. Hier sollte man jedoch den für damalige Verhältnisse relativ günstigen Preis nicht aus den Augen verlieren.
Was wäre der Korg DW-6000 ohne seine Synthese?
Die sechs Stimmen des DW verfügen jeweils über zwei digitale Oszillatoren, die in ihrer Intensität (Lautstärke) gesteuert werden können und lassen sich leicht gegeneinander verstimmen, um interessante Schwebungen zu erhalten. Ferner lässt sich der zweite Oszillator sowohl in Oktav-, als auch in Intervall-Abständen (+/- 5 Halbtöne) gegenüber dem ersten verstimmen. Zusätzlich gibt es noch einen Rauschgenerator, der in 31 Lautstärkeschritten hinzugemischt werden kann und die Klangmöglichkeiten nochmals deutlich aufwertet.
Die acht Schwingungsformen sind Zyklen, die additiv erzeugt werden und typische Obertonspektren von (Natur-) Instrumenten, wie z.B. (elektrischem) Klavier, Bläser, Geige und Glocken beinhalten. Authentisch klingen diese jedoch, vor allem heute, im Zeitalter von Disc Streaming und Elastic Audio sicher nicht. Damit, so wurde argumentiert, wäre man deutlich flexibler als bei den „klassischen“ analogen Oszillatoren. Hier wurde bestimmt auch auf die überaus erfolgreiche FM-Konkurrenz von Yamaha sowie diverse Konkurrenzprodukte geschielt. Gerade in dieser Zeit kam es in Mode, Naturinstrumente besonders gut reproduzieren zu wollen.
Das kraftvolle resonanzfähige analoge Tiefpassfilter mit wahlweise inversem Hüllkurvenverlauf und Möglichkeit der Rückkopplung bis zur Eigenschwingung, die analoge Verstärker-Sektion und der LFO ergänzen die Klangsektion. Außerdem kann man das Filter über Keytracking steuern und über den Joystick modulieren. Dem DW-6000 wurden sowohl eine Verstärkerhüllkurve, als auch eine regelbare Filterhüllkurve spendiert, die eine Besonderheit aufweisen: Neben der ADSR-Kurve wurde noch zwischen Decay und Sustain ein im Pegel regelbarer Break Point und eine zeitlich einstellbare Slope-Zeit hinzugefügt, sodass der Klang noch etwas nuancierter eingestellt werden kann. Zudem gibt es eine mehrstimmige Portamento-Funktion, die von kurzen Glide-Effekten bis hin zu langen Tonbeugungs-Orgien alles erlaubt.
Nun kann neben der Tonhöhe (Vibrato) und dem Zeitpunkt, an dem das Vibrato einsetzt, über den LFO (hier MG = Modulationsgenerator genannt) auch das Filter moduliert werden. Dieses wird hier im Korg-eigenen Jargon Wah-Wah Tiefe genannt.
Wichtig ist in der Praxis die stufenlose Filter-Cutoff-Modulation über den LFO (MG), da diese in der direkten Parameter-Sektion leider nur in 64 Schritten aufgelöst wird, was trotz Schiebereglers zu hörbaren Sprüngen führt. Allerdings steht der DW-6000 nicht alleine da. Auch andere Modelle der Konkurrenz kämpfen mit diesem Problem.
Ein Ringmodulator ist leider nicht an Bord. Der DW lässt sich für Lead-Sounds auch „unisono“ schalten, was durch Drücken einer Taste satte 12 Oszillatoren freisetzt und sie gegeneinander verstimmt. Gelungen ist außerdem noch der eingebaute Stereo-Chorus, der dem Sounds etwas „Wärme“ hinzufügt, auch wenn er hörbar rauscht.
So richtig „Moog-ish“ möchte der DW-6000 aber trotz analogen Filtern und Verstärkersektionen nicht klingen. Eines sei vorweg genommen: Wer ultratiefe, richtig dicke Bässe sucht, sollte sich eher woanders umschauen, dennoch sollte man das Bass-Potential nicht unterschätzen. Dazu aber später mehr.
Die MIDI-Implementation ist beim Korg DW-6000 recht umfangreich ausgefallen. So kann man über ein Parameter-Menü neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Tonhöhe und Note on/off auch weitere Parameter übertragen lassen. Außerdem – und das war zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich – können alle Parameter über SysEx gesteuert werden.
Die Bedienung dieses Synthesizers gestaltet sich trotz fehlender Echtzeit-Drehregler überaus praktisch. Einfach die Edit-Taste drücken, die logisch angeordneten Parameter verändern, Write-Taste drücken, fertig! Vor versehentlichen Überschreiben sorgt ein Schreibschutz-Schalter an der Rückseite des Geräts.
Unterschiede zum großen Bruder Korg DW-8000
Mit seinen 8 statt 6 Stimmen kann der DW-8000 (bzw. der Expander EX-8000) vor allem mit seiner Anschlagdynamik punkten, die man beim 6000er schmerzlich vermisst. Damit könnte man z.B. statt der Volume-Hüllkurve das Filter steuern. Ferner gibt es auch noch Aftertouch, mit dem man die Funktionen des Joysticks (z.B. die Tonhöhenmodulation) steuern könnte. Zusätzliche durchaus angenehme Features sind der Arpeggiator, der auch über MIDI-Clock steuerbar ist, das digitale Delay und der doppelte DWGS-Vorrat.
Das sind schon starke Argumente, weshalb man sich bei einigermaßen vergleichbaren Gebrauchtmarktpreis auch beim großen Bruder umschauen sollte.
Nun zur wichtigsten Frage
Wie klingt er denn? Typisch analoge Sounds, also fette, schmatzige Bässe und ultra-warme Streicher à la Oberheim gelingen ihm wie gesagt nicht hundertprozentig, auch wenn sich das analoge Filter positiv bemerkbar macht. Seine wahren Stärken liegen in kühlen, durchsetzungsfähigen und überaus eigenständigen Klängen, die man wunderbar für Arpeggios nutzen kann. Auch glockenartige, nasale und extrem modulierte, kranke Sounds stehen ihm durchaus gut.
Digitale Alternativen
Wer eine Alternative bei den aktuellen Korg-Geräten sucht, könnte sich die VA-Synthesizer Microkorg und Korg MS-2000 anschauen, welche die DWGS-Schwingungsformen enthalten und die erzeugten Klänge durch ein klassisches, modelliertes Analogfilter schicken.
Ebenfalls mit DWGS-Schwingungsformen ausgestttetist die Korg Wavestation sowie die Korg M3.
Wer allerdings dem Sound der DW-Serie am nähesten kommt, ist der Kawai K3, der zwar keine DWGS-Wellenformen enthält, ebenfalls aber einen Vorrate digitaler Wellenformen besitzt und das ganze mit einer analogen Nachbearbeitung veredelt.
Ich habe gehört es gibt Musiker, die das Gekrisple, das über das Casetteninterface ausgegeben wird, einfach auf eine Audiospur aufnehmen. Ist zumindest eine Alternative, wenn SysEx Dumps nicht gehen, oder Probleme machen.
Ich finde ihn auch ganz gut, wie natürlich auch den 8000er. Dürfte nicht allzu viele davon geben, der lag wie Blei in den Läden (oder gerade deswegen viele???). Es war wahrscheinlich die erste schmerzhafte Erfahrung KORGs, dass Entwicklungen auch mal in eine Sackgasse führen (nach dem sehr erfolgreichen PolySix) und haben die darauffolgende Annäherung an Yamaha eingeleitet.
Schöner Bericht zum Einstieg! Danke. Ja der kleine Bruder des DW/EX-8000. Für mich persönlich ist das größte Manko des 6000er immer das fehlende Digital Delay gewesen, denn gerade das trägt zum fantastischen, räumlichen Klang des großen Bruders bei. Dem DW-6000 wurde nämlich aus Kostengründen leider nur eine Chorus Sektion verpasst. Das ist wirklich Schade, denn mit den restlichen Handikaps könnte man noch ganz gut leben. Für den kleinen Geldbeutel (so um die 100-150€) ist der Synth allemal eine Bereicherung. Er klingt schon ziemlich eigen und hebt sich vom wohltuend vom Allerweltssound ab.
am schönsten fand ich damals die möglichkeit, cut- off aufs pitchbend zu legen und das dann über midi zu steuern. das war vor allem bei house- chords eine feine sache :)
auf dauer klang er mir dann aber doch zu brav.
Danke für Eure Kommentare und fürs aufbauende Lob zu meinem Amazona-Einstieg!
Das mit der Audiospur scheint ja auch wieder in Mode zu kommen (siehe Update Monotribe).
Das Delay ist ein großes Plus, und der XY-Stick ist fein, ohne Frage..! Ich freue mich immer über Euren kompetenten Kommentare und Erfahrungen, also bitte fleißig weiter posten :-)
Habe meinen in der gleichen Zeit gekauft, und gebe ihn nicht mehr her. Digital wollten wir damals alle, und der DW-6000 war bezahlbar. Bekommen habe ich eine unglaubliche Kiste. Die 8 Wellenformen sind sauber wie Chirugen-Besteck. Da ist nix mit analoger Wärme. Der Filter reißt es dann aber wieder raus. Auch die erweiterten Hüllkurven.
Ich habe ein paar sehr schöne Baß-Sounds mit dem Teil hinbekommen, ein paar feine Bläser und natürlich schöne Sequencer-Sounds. Was die Konkurrenz zum 8000er angeht, so höre ich bei Besitzern des DW-8000, das der DW-6000 einen mehr eigenständigen Klang hat. Der DW-8000 soll dagegen ein eher unscheinbar und etwas müde klingendes Gerät sein, weniger „Charakter“, was immer das auch ist.
Übrigens, schöner Artikel. Danke.
Endlich wird dieser Synth auch mal gewürdigt. Ich habe meinen DW-6000 für schlappe 30,-€ gekriegt und nehme da in Kauf, daß das MIDI und die Portamento-Funktion nicht mehr funktionieren. Besonders mag ich die Hüllkurven, und auch das Filter klingt schön. Hauptsächlich wird er für Flächen und Motion-Sounds genutzt. Mein MicroKORG kann da trotz mehr DWGS-Waves nicht mithalten…
Schön, daß endlich der DW6000 auch mal wieder aus seiner jahrelangen Versenkung heraus kommt. Über lange Zeit wurde er zu unrecht ignoriert und im Schatten seines natürlich etwas besser ausgestatteten, jüngeren Bruders DW8000 so gut wie nicht mehr wahrgenommen. Doch wie meine Vorredner hier auch schon bemerkt hatten: soundmäßig rockt die Kiste echt ab! Das erinnert alles irgendwie an PPG, oder an die Ensoniq ESQ Kisten — er hat ordentliche Filter…. kurzum wirklich qualitativ hochwertig. Aber das ist es eigentlich nicht alleine, warum ich auch diese 80er Jahre Kiste so lieb habe. Im Grunde ist es ebenso die total einfach zu bedienende Oberfläche, für die kein Mensch jemals eine Bedienungsanleitung lesen muss. So intuitiv kann es auch ohne Direktzugriff per Parameterpotis zugehen : aufgedruckte Parameterliste checken, Parameternummer eintippen, Änderung vornehmen — fertig. Keine zigfach verschachtelten Untermenüs, keine kryptischen Displayanzeigen — einfach strukturiert — Spaß pur — und wer doch Potis braucht, der kann auch per SyxEx in Echtzeit schrauben. In meinen Augen hat KORG damals mit dem geringen Preisunterschied und der relativ kurzen Zeitspanne, welche zwischen den Generationen DW6000-DW8000 lag, alle 6000er Kunden der ersten Stunde verprellt. Natürlich hat das den 6000er an sich physisch nicht schlechter gemacht, aber marketingtechnisch war das alles definitiv gefühllos und ist mit Sicherheit auch Ursache dass der DW6000 über die Zeit sozusagen zu einer Art ungeliebtes Kind mutierte. Preislich von vorneherein eine Ecke tiefer angesetzt wäre auch der 6000er ein echter Bringer gewesen, an mangelhafter Genstruktur hat es ihm jedenfalls nicht gefehlt!
Alles kann gehen aber mein DW6000 bleibt. Für 24 Euro an Neujahr gekauft. Sound und Filter sind super… Es macht Spaß damit zu spielen, auch wenn er keine Anschlagsdynamik hat. Fette Bässe bis Schrill alles geht mit dem Teil, ich liebe es.