Verdienter Kult
Ab und zu stellt man als Redaktionsleiter fest, dass das eine oder andere Kultgerät im Laufe der Jahre der AMAZONA.de-Redaktion durch die Lappen gegangen ist. Speziell in Sachen Delay gibt es nicht wenige Pedale, die nicht ohne Grund die Bezeichnung Kult-Delay verdienen. Das Echorec von Catalinbread ist so ein Fall. Das Boss DM-2w. Nicht selten lässt man sich bei aktuellen Tests zu der Aussage hinreißen, dass das eine oder andere Gerät das Potential hat, Kult zu werden. (Ich bleibe dabei – das KMA Machines Cirrus ist so ein Kandidat.) Doch oft liegt man daneben und erst im Laufe der Jahre offenbart es sich dann – das eine oder andere Pedal hatte eben den berühmten Faktor X, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, einen interessanten, einzigartigen Ansatz oder Klangcharakter, der das Gerät zum Topseller machte.
Hätte man vor ein paar Jahren dem MXR Carbon Copy, als es rauskam, so einen kultigen Status prophezeit? Schwer zu sagen – aber ich würde fast wagen zu behaupten: eher nicht. Aber Tatsache ist: Das Carbon Copy Analog Delay ist eines der erfolgreichsten Delay-Pedale der letzten zehn Jahre – und das hat einen Grund. Dies soll zum einem Test sein – zum anderen der Versuch, herauszuarbeiten, weshalb das MXR Carbon Copy Delay so erfolgreich war und wie es in der heutigen Delay-Landschaft einzuordnen ist.
MXR Carbon Copy Analog Delay – Panel, Facts & Features
Nur ein paar Parameter als die Mini-Stomp-Boxen – wer auf das Panel des MXR Carbon Copy schaut, wird sich denken: Ist das alles? Mehr oder minder: ja. In einer Zeit, in der jedes zweite Delay-Pedal mindestens einen Anschluss für ein Expression-Pedal hat, wirkt der Umfang der Features beim Carbon Copy fast schon … altbacken.
Die Frage ist, ob das per se schlecht ist.
Das MXR Carbon Copy Analog Delay steht für einen anderen Ansatz. Es ist eine Sache für sich, acht Delay-Engines, MIDI, Firmware-Updates per USB und einen Anschluss über Expression-Pedal unter einen Hut zu bringen und vom Spieler die Zeit zu erwarten, sich in das Ganze einzuarbeiten. Das MXR M169 Carbon Copy Analog Delay hat solche Spielereien nicht nötig. Es geht nur um eins: den Sound. Doch der Reihe nach.
True-Bypass und analoger Signalweg – soviel zum Grundsätzlichen. Die Versorgung kann über ein 9-Volt-Netzteil oder eine Batterie gewährleistet werden. Der Lieferumfang ist gering – kein Netzteil, keine Batterie. Aber auch das ist nicht problematisch. Das einzig wahrlich Problematische beim MXR M169 Carbon Copy ist das Fehlen jeglicher Möglichkeit, ein Tap-Tempo zu programmieren. Durch das Fehlen von MIDI-Anschlüssen ist auch die Möglichkeit eines externen Schalters nicht gegeben. Also gleich vorweg: Die große Schwäche des MXR Carbon Copy ist das Fehlen des Tap-Tempos. Das hat das Pedal aber mit dem Catalinbread Echorec gemein – neben dem analogen, einzigartigen Sound, auf den wir später noch mal zu sprechen kommen.
Das Panel des MXR Carbon Copy besteht aus drei Reglern und einem MOD-Knopf. Der Mix-Regler erlaubt es, das Verhältnis von Dry- und Wet-Signal einzupegeln. Ein Full-Wet-Signal ist möglich, für Delay aber oftmals unnütz. Der Delay-Regler ist zuständig für die Delay-Zeit. Eine maximale Delay-Zeit von 600 Millisekunden ist genau an der Grenze des Brauchbaren. Auch wenn inzwischen vor allem digitale Delay-Stationen die 800 Millisekunden-Marke knacken, sind 600 Millisekunden völlig ausreichend. Der Regen-Regler ist für die Oszillation und das Feedback der Repeats zuständig – hier kommt der analoge Charakter des MXR Carbon Copy Analog Delay besonders zum Vorschein. Die Zersetzung der Repeats, ihre leichte Oszillation nimmt mit zunehmender Delay-Zeit zu, kann aber zu regelrechten Oszillationsorgien ausarten, wenn man mit dem Regen-Regler arbeitet. Der MOD-Schalter mischt den Repeats eine leichte Chorus-Modulation zu – nicht zu stark, nicht zu schwach. Mit Zunahme des Regen-Wertes wird auch die Chorus-Akzentuierung deutlicher sowie die Oszillation stärker.
MXR Carbon Copy Analog Delay – in der Praxis
Also – kein MIDI, kein USB, kein Tap-Tempo, keine Vielfalt in Sachen Engines und nur ein mickriger Knopf für ein bisschen Modulation – und das soll die 160,- Euro wert sein? Bei all dem, was es da draußen gibt, in Sachen Delay-Pedalen? In der Tat.
Ein Wort: Sound.
Nichts wird unter Delay-Enthusiasten so sehr diskutiert wie der Reaktion, die Sensitivität, die Klangfarbe und der Klangcharakter der Repeats. Pitch-Ice-Digital-Bending-Repeats sind eine Sache. Ein warmer, echter Analog-Sound ist etwas, was – vermeintlich – kein digitales Delay so wirklich hinkriegen will. Zumindest ist das die Theorie.
Und die wird hitzig diskutiert. Ich persönlich spiele seit Jahren den Strymon Timeline. Neben den digitalen und ausgefalleneren Delay-Engines besitzt der Strymon Timeline auch eine Engine für Analog-Delay. Sie klingt gut. Bisweilen großartig, wenn man sie mit ein bisschen Reverb garniert. Es ist immer wieder erstaunlich zu merken, dass Strymon so früh ein Gerät schaffen konnten, das bis heute den Test der Zeit besteht. Doch das Gleiche gilt für den MXR Carbon Copy Analog Delay. Es hat inzwischen über ein Jahrzehnt auf dem Buckel und ist – für den Preis – nach wie vor das am besten klingende analoge Delay, das es auf dem Markt gibt.
Unterschätze niemals die Qualität des Sounds – am Ende des Tages sind es oft solche bodenständige Aspekte, die über Kult oder Nicht-Kult entscheiden. Die Repeats des MXR Carbon Copy Analog Delay treffen die goldene Mitte zwischen Klarheit und Wärme. Sie sind nicht kalt und steril akzentuiert, sondern werden mit zunehmender Regeneration aufgelöster, wärmer und angemessen übersteuert. Es ist – meines Erachtens – zu berechenbar und trotzdem transparent, um wirklich als Vintage durchzugehen, die Klangfarbe ist dunkel, aber nicht dumpf und schaltet man die Modulation dazu, weitet sich der Sound spürbar aus. Doch was ist mit besagtem analogen X-Faktor? Der charakteristische Signalverlust der Eimerkettenspeicher, der zustande kommt, wenn das Signal im Rahmen des Schaltkreises durchgereicht und so verzögert wird, zeichnete die ersten Analog-Delays aus. Ihr Effekt ist oftmals mit dem Faktor X gemeint, der analoge von Tape- und Digital-Delays unterscheidet und ist in seiner Eigenart ein nicht einfach replizierbares Phänomen. Er ist für die Wärme des analogen Sounds verantwortlich. Das MXR Carbon Copy Analog Delay arbeitet mit Eimerkettenspeicher – und da muss man sich tatsächlich fragen, ob es nicht dieser „altmodischen“ Konstruktion des Schaltkreises geschuldet ist, dass das Carbon Copy zu solch einem Kult geworden ist.
Wir gehen soweit und arbeiten sowohl mit als auch ohne die beigemischte Modulation. In Beispiel 3 und 4 nutzen wir zusätzlich ein bisschen Hall, um zu sehen, wie das dem MXR Carbon Copy steht – ganz hervorragend, wie ich finde. In Beispiel 4 aktivieren wir zusätzlich die Modulation. Die Präsenz der Repeats atmet regelrecht. Auch mit Crunch-Sounds kommt der Carbon Copy bestens zurecht – besser als die digitalen Emulationen des Analog-Delays und auch besser als – das sage ich frei heraus – die analoge Engine des Strymon Timeline. Wir gehen weiter und entfesseln mithilfe des Regen- und Delay-Reglers den Oszillationswahnsinn, der in diesem kleinen Gerät steckt. Auch in der Hinsicht ist MXR etwas Zeitloses gelungen: Das Zusammenspiel beider Regler ist perfekt abgestimmt – es reißt aus, reagiert aber ohne Verzögerung und erweckt so das Gefühl, dass man es mit einem organischen Zusammenspiel der Klangebenen zu tun hat.
Ein weiteres Einsatzgebiet, das dem MXR Carbon Copy Analog Delay zu seinem Kultfaktor verholfen hat, ist zweifelsohne die Nutzung der kleinen Stompbox für Synthesizer. Das mag überraschen – durch fehlenden MIDI- oder USB-Anschluss fällt das Pedal eigentlich durch das Raster für viele Nutzer von Synthesizer. Doch immer wieder liest man von der Nutzung des MXR Carbon Copy Pedals in Kombination mit Synthesizern.
Wir haben sowohl den Malekko Manther als auch den Moog DFAM eine Runde durch das Carbon Copy gejagt – und müssen feststellen, dass zumindest diesen beiden Synthesizern der analoge Grundcharakter des MXR Carbon Copy vorzüglich steht. Die Wärme der Repeats mischt dem Sound eine Natürlichkeit bei. Durch das Fehlen von MIDI muss bei der Nutzung improvisiert werden – und wer das Gerät als erweitertes Delay-Panel nutzen möchte – die Simplizität der Nutzung lädt dazu ein. Ob man den goldenen Spot bei den Repeats einer simplen Melodie sucht oder durch die dunkle Klangfarbe der Repeats zusätzlich für ein bisschen Drone inspiriert wird, wie im Falle des Moog DFAM – der Charakter des MXR Carbon Copy arbeitet einem zu. Auch die Oszillation und die Ausreißer sind durch die Kontrollierbarkeit des Zusammenspiels von Regen und Delay einfach beherrschbar.
Inzwischen gibt es das Carbon Copy Deluxe, das zusätzlich eine Tap Tempo Funktion bietet sowie Modulation.
@NXN - analog X analog lustigerweise hat stefan das hier ja schon getestet…
Hi Dimi,
schön, dass du das so siehst, ein echtes Analog Delay klingt einfach besser wie die digitalen Emulationen. Daher sollten diese Geräte, die sich oft auch „analog“ nennen, auch entsprechend bezeichnet werden.
Leider gibt es nicht mehr allzu viele Vertreter der BBD Gattung. Malekko hat das gute EKKO 616 MKII, wobei der Vorgänger Echo 600 nach Soundbeispielen m.M. nach besser klang.
Am allerbesten fand ich immer das Ibanez AD 80, dass ich lange besaß.
Grüße Armin
@Armin Bauer Nicht zu vergessen das herrliche DOD Rubberneck, was auch über ein herrliches Eigenleben verfügen kann. Inkl. Tab Tempo. Neben meinem ollen Arion SAD-1 mein Lieblingsdelay…
Mxr ist sowieso die Marke meiner Wahl wenns um modulation etc. Geht. Das delay im matriarch ist ähnlich super
Der große chorus von ihnen ist auch hammer!