Legendärer Kompressor im modernen Gewand
Der Rupert Neve Designs 5254 ist eine moderne Anlehnung an den berühmten 2254 Dioden-Brücken-Kompressor, der Ende der 60er Jahre erschien und fester Bestandteil jeder Konsole der legendären Neve 80 Serie war.
Nachdem Rupert Neve Designs (RND) bereits 2017 den Shelford Channel mit einer Mono-Version des 5254 bestückt hatte, folgte als nächstes das 535 Modul im API 500er Rackformat. Bei dem 5254 handelt es sich nun um eine Stereo-Ausführung im 19 Zoll Gehäuse mit einem überaus leistungsstarken Netzteil.
Rupert Neve Designs 5254 auf den ersten Blick
Schon beim ersten Betrachten macht der Dioden-Brücken-Kompressor einen sehr soliden und hochwertig verarbeiteten Eindruck. Sein Gewicht beträgt knapp 4 kg, für den Einbau in ein Rack bedarf es eine Höheneinheit und rund 21 cm Tiefe (ohne Kabel) an freiem Platz.
Gemäß dem Design der kompletten Shelford Serie ist die Front des 5254 Dioden-Brücken-Kompressors traditionell in „Royal Airforce Blue“ lackiert, einem dunkel-grau-blauen Farbton, der schon früher für die originalen Neve Mischpulte verwendet wurde. Auch die gelb unterlegten VU-Meter sorgen für einen schönen Vintage-Flair, während die Poti-Knöpfe aus Aluminium eine etwas modernere Optik haben.
Auf der Vorderseite befinden sich links und rechts die Bedienelemente der zwei Kanäle, deren Regler identisch angeordnet sind und folgende Möglichkeiten bieten:
Ratio (1,5:1 bis 8:1), Threshold, Makeup-Gain, Timing für Attack und Release, eine Blende für Parallelkompression und ein Sidechain-Hochpassfilter (20 bis 250 Hz), damit die tiefen Frequenzen den Signalpfad des Kompressors bei Bedarf unbearbeitet passieren können. Sämtliche Schaltregler und Potentiometer sind fest mit dem Gehäuse verschraubt, alle Potentiometer besitzen einen fein gerasterten Regelweg.
Auch die drei Drucktaster pro Kanal wirken recht robust, allerdings haben ihre Kappen etwas Spiel zu den Seiten. Sie dienen zum Verkürzen der Regelzeiten (Fastmodus) und zum Aktivieren des internen Sidechain-Filters. Zusätzlich ist der 5254 mit einem Sidechain-Insert ausgestattet, um zum Beispiel einen externen Equalizer für De-Essing-Anwendung zu nutzen.
In der Mitte sitzen die zwei VU-Meter, welche wahlweise das Maß der Dynamikreduktion oder des Ausgangspegels anzeigen. An dieser Stelle befindet sich auch ein weiterer Drucktaster zum Verlinken der Kanäle für Stereo-Anwendungen, sowie eine übergeordnete Bypass-Schaltung für beide Kanäle, was in Hinblick auf den Dual-Mono-Betrieb nicht so vorteilhaft ist.
Die Audioanschlüsse auf der Rückseite stammen aus dem Hause Neutrik. Während die Eingänge mit Kombi-Buchsen für XLR- und symmetrische Klinken-Stecker ausgestattet sind, lassen sich die Ausgänge nur mit XLR nutzen. Für die Verwendung der Sidechain-Funktion gibt es pro Kanal einen Send- und Return-Weg im 6,3 mm Klinkenformat.
Neben dem Netzschalter und dem Kaltgeräteanschluss befindet sich hier ebenfalls eine Groundlift-Schaltung, um gegebenenfalls Störgeräusche zu beheben.
Die Ein- und Ausregelzeiten
Eine große Einschränkung des Vintage-Neve 2254 war die festgelegte Attack von 5 ms und die vier, sehr gemächlichen, Release-Einstellungen – dagegen ist der 5254 wesentlich flexibler.
Insgesamt gibt es sechs Settings mit variablen Ein- und Ausregelzeiten, deren Verhalten durch die Beschaffenheit des Eingangsmaterials, der Ratio und des Thresholds bestimmt wird. Zusätzlich lassen sich mittels des Fast-Modus die Regelzeiten um ca. 70 Prozent beschleunigen.
Im normalen Betrieb gestalten sich die Zeitspannen der sechs Presets wie folgt:
- Fast Attack: 250 μs – 2 ms / Release: 100 ms – 200 ms
- MF (Medium Fast) Attack: 1 ms – 5 ms / Release: 100 ms – 200 ms
- MED (Medium) Attack: 3 ms – 18 ms / Release: 350 ms – 700 ms
- MS (Medium Slow) Attack: 5 ms – 40 ms / Release: 600 ms – 1 Sek.
- Slow Attack: 10 ms – 80 ms / Release: 800 ms – 1,5 Sek.
- Auto Attack: 5 ms – 40 ms / Release: 400 ms – 2 Sek.
Technische Details zum Dioden-Brücken-Kompressor
Die Dioden-Brücken-Schaltung des 5254 hat ihren Ursprung in den 60er Jahren, allerdings wurde sie von nur wenigen Herstellern verwendet. In der deutschen Rundfunktechnik gab es einige Exemplare von Firmen wie Siemens oder Tonographie Apparatebau (TAB), in England nutzte unter anderem EMI diese Bauweise für das eigens gefertigte Studioequipment. Die bekanntesten Exemplare sind jedoch der Neve 2254 oder sein Nachfolger aus den 80er Jahren, das Modell 33609.
Einfach umschrieben, erfolgt die Dynamikreduktion bei dieser Kompressorart über mehrere Dioden, die in einer Brückenschaltung angeordnet sind. Ihr Regelverhalten ist wesentlich schneller als bei einem Opto-Kompressor und der obertonreiche Klang wiederum deutlich gefärbter und charakteristischer als der eines VCA-Kompressors.
Das Eingangsignal muss vor der Dioden-Brücken-Schaltung drastisch gedämpft und anschließend wieder verstärkt werden, wodurch beim originalen 2254 ein nicht unerhebliches Rauschen entsteht. Dieses Problem haben die Class-A-Lineverstärker des 5254 nicht, selbst bei einer hohen Aufholverstärkung entstehen keine wahrnehmbaren Nebengeräusche.
Als Ersatz für die berühmten Marinair Transformatoren verwendet RND eigens gefertigte Ein- und Ausgangsübertrager. Eine weitere Besonderheit stellt das 48 V Netzteil dar, das im Vergleich zu der 24 V Stromversorgung des Originals doppelt so stark ist. Auch gegenüber dem API-500 Standard (+/- 16,5 V = 33 V) bietet es fast 50 Prozent mehr Leistung. Dadurch ergibt sich ein stattlicher Headroom von 26,7 dBu, bei dem 535 Modul beträgt er 23,5 dBu.
Rupert Neve Designs 5254 in der Praxis
Bei einem reinen Mono- oder Dual-Mono-Betrieb gestaltet sich die Bedienung sehr intuitiv, da kein exaktes Augenmaß beim Einstellen der Regler vonnöten ist. Sobald es allerdings um Stereo-Anwendungen geht, wird der Abgleich beider Kanäle recht unübersichtlich. Nicht nur die Beschriftung der Skalierung könnte detaillierter sein, vor allem fällt es schwer, exakte Positionen des HPF-, Treshold-, Gain- und Blend-Potentiometers auszumachen. Das Problem ist, dass die Potiknöpfe nur an ihren Köpfen mit einer Positionsangaben versehen sind und somit durch ihre Tiefe von 1,8 cm einen zu großen Abstand zur Skalierung haben. Die Lösung wäre eine durchgehende Markierung an den Seiten der Potiknöpfe, wodurch Stereo-Einstellungen mit dem 5254 deutlich vereinfacht werden würden.
Grundsätzlich brauch es zunächst auch ein bisschen Zeit, um sich an das Regelverhalten zu gewöhnen. Nicht immer ist nachvollziehbar, welche Parameter in welchem Maß gerade Einfluss auf die Attack und Release nehmen. Dadurch wird die Bedienung aber auch sehr musikalisch, da letztendlich das Gehör über das Resultat entscheiden muss.
Die variablen Regelzeiten bieten auf der einen Seite eine Flexibilität, die Nutzer des 2254 stets vermisst haben. Auf der anderen Seite ist es gerade das statische Verhalten dieser begrenzten Attack- und Release-Einstellungen, die den Klang des 2254 prägen.
Ähnlich ist der Unterschied auch im Vergleich zu dem AMS Neve 33609/N:
Seine Kompression ertönt deftiger und gefärbter, während der 5254 vielseitiger, neutraler und behutsamer wirkt. Ein 1:1-Vergleich ließe sich schon auf Grund der unterschiedlichen Regelzeiten nicht realisieren und würde auch beiden Geräten nicht gerecht werden.
Letztendlich hegt der 5254 nicht den Anspruch eine Vintage-Kopie zu sein, sondern er hebt die Technik seiner Ahnen auf ein modernes Level.
Anhand von vier verschiedenen Beispielen soll sein Können nun demonstriert werden. Alle Audiofiles sind wahlweise im WAVE-Format (44,1 kHz, 24 Bit) oder als MP3 (320 kBit/s) aufrufbar.
Klangbeispiele
Drum Bus
Los geht es mit einer Schlagzeugaufnahme, deren einzelne Spuren nachträglich durch den Manultec MT-E.8012 ORCA BAY Equalizer geschickt wurden. Die unkomprimierte Version klingt so:
Bei den folgenden beiden Durchgängen steht das Timing jeweils auf Medium-Fast. In der ersten Ausspielung beträgt die Ratio 2:1 und die maximale Pegelreduktion 3 dB, in der Zweiten wird die Ratio auf 3:1 und die Pegelreduktion auf 5 dB erhöht.
Beide Ergebnisse sind sehr moderat und behutsam. Das Lowend der Bass Drum fällt natürlich etwas geringer aus und die lautesten Schläge der Snare betten sich mehr im Kontext ein. Abhängig von der Intensität der Kompression treten die Transienten der Bass Drum und Snare stärker hervor, haben aber einen schönen vollmundigen Charakter, so wie man ihn von dem Vorbild kennt.
In den nächsten zwei Durchgängen soll der Kompressor nun deutlich stärker arbeiten. Für diesen Zweck wird die Ratio auf 4:1 gestellt und das interne Sidechain-Filter aktiviert, es greift bei ca. 100 Hz. Darüber hinaus ist die schnellste Regelzeit angewählt: Fast, plus den zusätzlichen Fast Modus.
Bei der ersten Version hat die Dynamikreduktion einen Umfang von 6 dB. Das Resultat sorgt für eine kräftige Verdichtung, die den Raumanteil mehr hervor hebt und die Transienten deutlich spitzer als zuvor freistellt.
Anschließend wird der Threshold drastisch verändert, so dass die Pegelreduktion bei etwa 20 dB liegt. Per Mix-Blende erhält das völlig überkomprimierte Signal einen Anteil von ca. 33 Prozent. Dadurch werden vor allem die Raummikrofone sehr stark betont, zeitgleich verschmelzen sie aber auch schön mit dem trockenen Signal.
Dieses Beispiel ist sicherlich für eine normale Produktion etwas extrem, zeigt aber sehr plakativ, zu welchen radikalen Ergebnissen der 5254 bei Bedarf fähig ist.
Vocal
Als nächstes soll eine rohe Gesangsaufnahme bearbeitet werden, die noch sehr dynamisch ist.
Die Ratio steht in beiden Bespielen auf 2:1, die maximale Pegelreduktion beträgt 5 dB. In der ersten Ausspielung arbeitet der 5254 im Auto-Timing, das sich sehr gelungen an das Tempo des Eingangsmaterials anpasst. Der Gesang wirkt daraufhin viel gleichmäßiger und trotzdem sehr natürlich. Durch das Hervorheben der Transienten hat das Vocal auch deutlich mehr Energie.
Eine Steigerung dessen stellt die zweite Ausspielung dar, da nun zusätzlich der Fast-Modus aktiv ist. Durch die schnelle Regelzeit wird das Vocal noch mehr nach vorne geholt, die Ansprache wirkt direkter, aber trotzdem hat das Ergebnis wieder einen sehr natürlichen und offenen Charakter.
Bass
Bei dem dritten Beispiel geht es um eine E-Bass-Aufnahme, die mit dem unmittelbaren Verwandten des 5254, dem Rupert Neve Designs Shelford Channel, erstellt wurde. Dabei kam lediglich der Preamp und nicht der Equalizer oder Kompressor des Channelstrips zum Einsatz.
Im ersten Durchgang steht die Ratio auf 6:1, während die Dynamikreduktion gerade mal
2 dB ausmacht. Als Regelzeit ist das Medium-Fast-Timing angewählt, zusätzlich ist das interne Sidechain-Filter bei 100 Hz aktiv.
Der Bass wirkt anschließend druckvoller, satter und wird abermals mehr in den Vordergrund gerückt. Anhand von diesem Beispiel lässt sich auch sehr gut die Färbung der Übertrager hören, die für einen warmen und vollmundigen Ton sorgen.
Im zweiten Durchgang soll der Anschlag des Basses mehr herausgekitzelt werden. Das Setting des 5254 sieht dabei wie folgt aus:
Ratio 8:1, Medium-Fast-Timing plus Fast-Modus, maximale Pegelreduktion 15 dB. Diese Einstellung wird dem trockenen Signal zu 50 Prozent hinzu gemischt.
Mix Bus
Zu guter Letzt soll der 5254 seine Qualitäten als Mix-Bus-Kompressor unter Beweis stellen. Als Quelle dient hierfür eine Sequenz, die mit dem L.E.P. Leploop V2 erstellt wurde.
Bei den beiden folgenden Beispielen arbeitet der Kompressor mit Auto-Timing und verkürzter Regelzeit. Damit die tiefen Bässe unkomprimiert bleiben, greift das interne Sidechain-Filter bei ca. 130 Hz.
Die erste Version hat eine Ratio von 2:1 und reduziert den Pegel um maximal 2 dB. Das Resultat ist wieder erstaunlich: Die Kontur der einzelne Instrumente wirkt plötzlich präziser und transparenter. Vor allem die perkussiven Elemente werden mehr nach vorne geholt, wodurch das Ergebnis natürlich etwas lauter und kraftvoller wirkt.
In der zweiten Version steht die Ratio auf 6:1 und die maximale Pegelreduktion liegt bei 10 dB. Diese extreme Einstellung soll selbstverständlich für eine Parallelkompression genutzt werden, der komprimierte Anteil macht ca. 25 Prozent aus.
Das Ergebnis wirkt etwas kraftvoller als zuvor, die Transienten der Bass Drum und Snare springen dazu weiter in den Vordergrund. Insgesamt wirkt die Aufnahme kompakter, trotzdem hat sie weiterhin einen transparenten und offenen Charakter.
Klangbeispiele
Drum Bus:
Schlagzeuger: Christoph Eggener
Schlagzeug: Pearl Masters Custom Maple Shell
Mikrofone:
Bass Drum: Electro-Voice RE 320 (Kick Drum Mode)
Snare: Shure SM 57
Overheads: 2 x Sennheiser MKH 40
Close Ambiance: 1 x Sennheiser MKH 40
Room: 2x Sennheiser MKH 40
Preamps: UnderToneAudio MPDI-4, UnderToneAudio MPEQ-1
Equalizer: Manultec MT-E.8012 ORCA BAY
Vocal:
Sängerin: Eva Werner
Mikrofon: Neumann U87
Vorverstärker: TritonAudio D2O Mono
E-Bass:
Bass: Bogart 5-String
Preamp: Rupert Neve Designs Shelford Channel
Mix Bus:
Groovebox: L.E.P. Leploop V2
Preamps: Studer 962
Audiointerface: RME Fireface 800, Lucid 88192
DAW: Logic Pro
Die Klangbeispiele sind unbearbeitet, nur die Lautstärken wurden angepasst.
Habe mir jetzt über zwei verschiedene Kopfhörer die Soundbeispiele angehört und muß sagen, hmmmm, also das haut mich jetzt echt nicht um und schon gar nicht für den Preis.
Da lohnt sich doch ev. ehr ein WES Audio ngBusComp. Der ist auch noch günstiger, man kann alle Einstellungen abspeichern, da er über USB mit dem Host verbunden wird.
@Tropfstein Hallo Tropfstein,
habe täglich den 535 (API 500 Version) im Einsatz als Tracking-Comp. Ich denke dafür ist er wie geschaffen. Er ist schnell einstellbar, hat eine Blend-Funktion und nimmt den Signal nichts weg und fügt auch nicht zu viel hinzu. Für mich ein unverzichtbares Tool, wenn man schnell zum Ziel kommen möchte.
Den ngBuscomp sehe ich auf ganz anderen Einsatzgebieten, obwohl er Dual-Mono kann. Für mich ein klassischer Bussprozessor mit tollen Funktionalitäten, die alle erstmal erlernt und zielgerichtet angewendet werden wollen.
Ich hätte sehr gerne einen guten Kompressor fürs Mastering und auch zum aufpolieren alter Aufnahmen. Aber bei den Preisen wird es wohl eher ein Traum bleiben.
@Synchead Das Angebot an Kompressoren ist erschlagend und es ist für jeden Geldbeutel was dabei. Lass Dich nicht vom Preis leiten. Ich hatte hier einen Buzz Audio DBC 20 stehen, der dem Konzept vom RND folgt, aber eigene Attack und Releasezeiten hat. Dieser färbt sehr und gibt digitalen Produktionen oftmals den Schub, den sie benötigen. Zum Mastering würde ich ihn nicht unbedingt verwenden bzw. wenn dann nur um gezielte Bereiche zu bearbeiten.
Danke für die Info. Was gibt es dann einen ganzen Mix auf Cd nachzubessern.
@Synchead Das ist eine schwierige Frage, da es auf deine individuellen Hörgewohnheiten und Vorstellungen ankommt. Wenn Kompression das Mittel der Wahl sein soll und Du möchtest Dich erst einmal ausprobieren und weißt noch nicht wo die Reise hingehen mag dann empfehle ich Dir gute Allroundkompressoren für das API 500 Format, die Du in der Bucht zu sehr guten Preisen erwerben und wieder veräußern kannst. Dazu zählt für mich der Great River PWM 501, der Rupert Neve Designs 543 und der Buzz Audio Essence. Alle drei haben einen verschiedenen Aufbau und sind sehr universell einsetzbar.
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