Ist "Classic" noch kreativ?
Während der geschätzte Kollege Robert Biernat kürzlich einen großen Vergleichstest mit DAW Plug-ins abschließen konnte, sind bei mir fünf Emulationen klassischer Hardwaregeräte gelandet: die Universal Audio Classic Reverbs. Die Big Five wurden allesamt von Universal Audio für die eigenen DSPs detailgetreu nachgebildet. Da ich gleichzeitig meinen Workshop „Kreativer Einsatz von Halleffekten“ in der Mache hatte, war schnell die Idee geboren, neben einem herkömmlichen Test die alten Schlachtschiffe auch in Bezug auf diesen Einsatzzweck zu überprüfen. Viel Spaß!
AKG BX 20
Der Federhall wurde für professionelle Anwendungen entwickelt und kann deshalb auch mit einigen Features aufwarten, die ein simpler Gitarrenhall nicht bietet. Vorhanden ist eine einfache Klangregelung, die aus LowCut, Bass und Treble besteht. Auch ein Predelay kann von 0 – 250 ms eingestellt werden. Im UAD Plug-in sind zwei Halltanks verbaut, die etwas unterschiedlich klingen. Tank A ist dunkler, Tank B heller abgestimmt. Beide Tanks können stereo ausgegeben werden. Mit der Einstellung Tank A+B wird jeweils ein Tank einem Ausgangssignal zugeordnet. Diese Ausgangskanäle sind separat in Volume, Panorama und Halldauer einstellbar. Diese kann von 2 – 4,5 Sekunden gehen.
Der Grundklang der BX 20 ist erstaunlich organisch und homogen, wobei die Hallstruktur ab 3,5 sec schon recht metallisch wird. Mit der Klangregelung, die übrigens aus dem kleineren BX 10 übernommen wurde, lässt sich der Sound etwas anpassen. Auch die verschiedenen Tanks und die Mischung daraus lassen nur Veränderungen in Nuancen zu, mehr ist aber auch nicht beabsichtigt. Gut einsetzbar ist das Predelay und auch die Möglichkeit der Panoramaanpassung und damit auch die Erzeugung eines Monosignals sind gut nutzbar und verleihen Authentizität.
Zuerst hier ein Soundbeispiel mit Gitarre und verschiedenen Einstellungen.
Sound 1a Gitarre_dry
Sound 1b Gitarre_2,5sec_0ms_stereo
Sound 1c Gitarre_2,0sec_50ms_mono
Sound 1d Gitarre_4,0sec_150ms_stereo
Nun eine Orgel, erst ohne, dann mit Effekt.
Sound 2a Organ_dry
Sound 2b Organ_2,5sec_50ms_stereo
Und zum Schluss wird noch eine Stimme mit dem BX 20 veredelt. Ich habe hier auf eine Aufnahme aus unseren Livemikrofon-Tests zurück gegriffen, Akina wird uns zum besseren Vergleich durch alle Hallgeräte mit ähnlicher Einstellung begleiten.
Sound 3 Female Voice_2,8sec_0ms_stereo
Die Frage, ob die BX 20 als Spezialeffekt eingesetzt werden kann, stellt sich eigentlich nicht, da der Sound schon speziell genug ist. Traditionell verträgt er sich sehr gut mit Gitarre und Orgel, experimentierfreudige Musiker dürfen ihn aber auch gern auf anderen Signalen austesten, z.B. Gesang und Drums bieten sich da durchaus an.
Danke für detaillierten Erläuterungen, Armin, auch wenn diese mich nicht zum Kauf der Simulationen animieren können. Ich schätze, es gehört eine große Portion Nostalgie dazu, sich solcher Produkte zu bedienen. Was dies mit Kreativität zu tun haben könnte, wäre noch eine ganz andere Frage, besonders, falls man damit die Schaffung von Neuem anvisieren würde. Ich muss gestehen, mir fehlt ein Hang zu Nostalgischem – und nutze als Musiker weiterhin primär die mir zur Verfügung stehenden IRs des Lex 960 L.
@MidiDino Ein Lexicon Hall mit einer IR zu simulieren mag ja funktionieren, die spezielle und stilprägende Modulation im Hallsignal geht aber verloren. IRs sind für statische Reflektionsmuster geeignet, wie sie in Räumen auftreten, leider aber nicht adequat für die Simulation algorithmischer Reverbs.
@swissdoc Danke swissdoc, für den Einwand. Aber: Vermutlich möchte niemand, der IRs nutzt, algorithmische Reverbs simulieren, nicht einmal ein Lex 960 L ließe sich mit IRs hinreichend simulieren, berücksichtigte man die Vielzahl an Einstellungen, die möglich sind. Man ist auf die Auswahl an IRs angewiesen; für mich reicht die mir zur Verfügung stehende Auswahl vollkommen aus.
Weil Modulationen angesprochen worden sind: mich interessiert eine relative Natürlichlichkeit in Bezug auf Rauminformationen, in Abhängigkeit von der Musik, die im Zentrum steht. Ich weiß, dass andere Musiker andere Präferenzen haben. Mit Absicht sprach ich von mir. Ich habe dazu einen Leserartikel vorbereitet, der aktuell noch ‚in Prüfung‘ ist.
Hinsichtlich der besprochenen PlugIns bleibe ich dabei: ich halte sie für nostalgisch. Spaß kann man freilich auch damit haben, wenn man es drauf anlegt ;-)
@MidiDino Mir geht es um den bekannten und typischen Lexicon bigger-than-life Wölkchen-Wohlfühl-Hall, der eben von den Modulationen lebt und somit von einer IR nicht nachgebildet werden kann. Das ist etwas prinzipielles und hat mit modern oder nostalgisch erstmal nicht viel zu tun. Was man dann bevorzugt, ist Sache des persönlichen Geschmacks, wie Du schon richtig anmerkst.
@swissdoc Dieser „Lexicon bigger-than-life Wölkchen-Wohlfühl-Hall“ wurde von einigen Musikern ja bei den neueren Modellen vermisst, gerade auch beim 960 L gegenüber dem 480er, aber nicht von mir. Ich bin hingegen von der plastischen Natürlichkeit des 960-L-Klanges sehr angetan und nutze ihn für zeitgen. Jazz / zeitgen. Klassik. Und dann auch bislang nur die Chambers und relativ dezent.
UAD macht hier wirklich einen TopJob! Ich werde mir diesen XmasSale das EMT140 gönnen. Am letztjährlichen Kauf des Lexicon erfreue ich mich bei jedem Einsatz. Das AMS gewinnt hier folgend auch bei mir, ist mir aber für ein PlugIn noch zu teuer. Danke dir!!!
Hi tomk,
danke für dein Feedback, ist immer wichtig zu hören, dass mein Eindruck vom Produkt geteilt wird.
Bei dem AMS habe ich stark die Befürchtung, dass ich mich zu sehr daran gewöhne, solange meine Testlizenz noch läuft.
Mit dem EMT140 wirst du sicher deinen Spass haben.