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Interview: John Bowen, Mister Solaris, Teil 2

(ID: 130133)

Klaus:
Wie ging es dann weiter?

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John:
Direkt nach der Messe nahm ich mir erstmal zwei Wochen Auszeit, um mich zu erholen. Als es dann mit dem Projekt weitergehen sollte, blieben unsere E-Mails an Antti unbeantwortet. Auch nach vielen weiteren Versuchen hörten wir nichts mehr von ihm. Ich machte mir natürlich ernstlich Sorgen, dass womöglich etwas passiert sei, aber dank verschiedener anderer Kanäle fand ich raus, dass er OK ist. Vielleicht war er lediglich überlastet. Aber bis heute habe ich nie mehr eine Reaktion von ihm bekommen, hat sich nicht mehr gemeldet. Obwohl ich ihn bis vor Kurzem immer wieder mal versucht habe zu erreichen.

Nun gut, so um Mai/Juni 2007 bekamen wir ein Lebenszeichen von Klaus Piehl, und dass er verfügbar wäre. Und am Solaris Projekt arbeiten wollte! Na, ich war natürlich froh, jetzt das ursprünglich geplante Team komplett zu haben. Sonic Core hat Klaus dann in jenem Sommer angeheuert. Eigentlich mussten wir da noch mal ganz von vorne anfangen, weil wir kaum eine Chance sahen, Anttis Codes verwenden zu können. Das bedeutete etwa ein Jahr Rückschritt. Aber wir fingen halt wieder neu an und bald hatte Klaus ein lauffähiges System. Wir beschlossen, dass er alle von uns benötigten Scope Codes neu schreiben sollte, da er in den vergangenen Jahren bis jetzt auf vielen Gebieten so viel dazugelernt hatte und wie er seine originalen Algorithmen deutlich verbessern könnte. Auch wollte ich, dass die Audio Qualität Priorität Nummer Eins haben sollte, daher musste er die Codes für 96 kHz spezifizieren, um sie auf optimalen Stand zu bringen.

Es war dann 2008, ich zeigte den neuen Prototyp auf der Winter NAMM, und von da an bekam ich die ersten Bestellungen. Ich änderte noch eine Reihe verschiedener Sachen und wie Parameter angesprochen würden, und Sonic Core musste nochmals einen guten Teil der Codes umschreiben. Aber am Ende hatten wir dann das System, wie Du es heute kennst. Es war ein langer Weg, aber ich bin glücklich darüber, was daraus wurde. Und ich bin auch sehr dankbar bei den Leuten von Sonic Core, für all deren Arbeitsleistung und Bemühungen, die sie in das Projekt gesteckt haben, um den Solaris Wirklichkeit werden zu lassen!

Klaus:
Lass uns mal über dich als Musiker sprechen. Du bist Bassist und hast mit der Nielsen Pearson Band, Billy Cobham, Herbie Hancock und anderen gearbeitet, richtig? Was ist eigentlich dein Musik Background und welche Erfahrungen hast Du mit diesen Projekten gemacht? Hast Du nach wie vor Live Gigs? Und verrate mir auch was über Deine Rolle als Synthesizerspieler.

John:
Ich begann mit Schlagzeug spielen, als ich zehn Jahre alt war. Klavierunterricht hatte ich ab zwölf, ja und den Bass entdeckte ich dann mit vierzehn. Ich war sehr gut an den Concert Drums, also Snare, Pauke, Xylophon und so. Aber in einem Drum Set zu sitzen, verschaffte mir irgendwie nicht das richtige Wohlbefinden. Kaum später bemerkte ich, dass es vielleicht daran lag, dass ich Linkshänder bin. Das Drum Set einfach umzustellen, darauf bin ich dann trotzdem nicht gekommen!

Ich verbrachte die am meisten prägenden Jahre mit dem Spielen orchestraler Musik, und zwar in der Percussion Section. Nach dem College aber hatte ich genug davon und wollte in Popmusik erfolgreich sein. Die Nielsen Pearson Band war meine erste Erfahrung, bei der das alles zusammenkam, denn da spielte ich sowohl Bass als auch Synthesizer. Wegen meiner Arbeit mit Moog und Sequential kam ich dann mit Billy Cobham und Herbie Hancock zusammen. Ich hatte alle vom Mahavishnu Orchestra getroffen, das war während eines Japan Trips mit Robert Moog. Wir waren alle im selben Hotel untergebracht und sie gaben ein Konzert im Budokan. Das war ganz in der Nähe von dem Ort, wo Dr. Moog unsere Demos machte. Das war also mein erstes Zusammentreffen mit Musikidolen und ich war ziemlich nervös und aufgeregt!

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Bassplayer JB (Live-Clip am Ende)

Bassplayer JB (Live-Clip am Ende)

Später dann bestellte Billy ein großes Moog System, ein Model 55, und er wollte von mir, dass ich ihm bei der Inbetriebnahme helfe, er brauchte das System für verschiedene Projekte. Da waren zunächst seine eigenen Alben sowie ein Song auf Stanley Clarks „School Days“ (Live Is Just A Game). Außerdem ein Pete & Sheila Escovedo Projekt (Solo Two), alles kam von diesem System. Und dann traf ich George Duke, was für ein humorvoller Typ! Herbie wiederum unterstützte ich bei seiner Arbeit mit dem Prophet-5. Er hatte gerade einen bekommen und ich machte etwas Custom Programming für ihn, und bediente auch die Pitch- und Modulation-Wheels, während er spielte! Es war sehr lehrreich, Herbie bei seiner Studioarbeit zuzuschauen. Welche Licks und Patterns er in den Overdubs spielte, also etwa wie bei den Synth und Clavinet Parts auf dem Mahal Album. Während des Playbacks musste der Engineer bestimmte Spuren mit den Mute Buttons an gewissen Songpositionen stummschalten und wieder freigeben, um damit Spannung aufzubauen und für Entwicklung im Songverlauf zu sorgen.

Noch etwas zum Live-Musik machen. Nachdem Nielsen Pearson 1982 auseinander ging, nahm ich ja den Fulltime Job bei Sequential an und hörte komplett mit Bass spielen auf. Meine einzigen Live-Performances waren dann die für die NAMM und Messe Shows und noch die Demos in Musikläden. Die letzen Live-Synth-Präsentationen habe ich auf der Musikmesse 1996 für das originale OASYS Keyboard gemacht, das auch bekannt ist als The Blue Meanie. Aber bis vor acht Jahren gab es keine anderen regulären Gigs. Damals bin ich nämlich umgezogen, und zwar in die Seattle Area. Ein Nachbar bat mich, an New Year’s Eve Bass zu spielen. Na ja, und hinterher fragte er mich, ob ich mich ihm anschließen wollte. So nahm ich meinen Bass nach 27 Jahren Pause dann wieder in die Hand! Die ersten sechs Monate verbringst Du dann damit, wieder Schwielen auf die Finger zu kriegen!

John Bowen live on Stage

John Bowen live on Stage (im Bild rechts)

John:
Allerdings war ich erst mal zurückhaltend beim Bass spielen. Doch jetzt kann ich sagen, dass es das beste Ding ist, was ich getan habe, denn ich fühle mich richtig erneuert bei der Interaktion mit dem Publikum während dieser Live-Situationen. Ich denke oft, dass sich viele Leute, die mit Laptop oder „in the box“ (ITB) Musik produzieren, einen wesentlichen Benefit vorenthalten. Auch die Freude an einer Live-Performance, speziell das interagieren mit anderen Musikern. Das gilt genauso für das gegenseitige Feedback mit dem Publikum. Sequencer oder Drum Machines benutze ich da nicht mehr, das ist alles Zeug, das ich in den 80ern hatte. Und daran habe ich kein Interesse mehr.

Es gibt da außerdem noch eine andere Sache, also wenn Du während der Arbeit an einem Synthesizer mit einem neuen Preset Sound ankommst und Du erforschst da zum Beispiel gerade eine bestimmte Richtung. Und da ist es der Sound, der Dich dazu bringt, ihn auf eine gewisse Weise zu spielen. Manchmal kommt da Musik raus und das ist dann sehr inspirierend. Aber meistens ist es ist leider unmöglich, solche Sachen für Sequencing oder Recording noch mal abzurufen, weil das alles „in the moment“ passiert. Na ja, ich meine schon, dass das ein weiterer Aspekt für „Live-Performance“ ist, an dem ich mich erfreuen kann.

Hohe Ansprüche an Klangqualität und Bespielbarkeit auch beim E-Bass: John Bowen spielt einen Roscoe Fretless Bass

Hohe Ansprüche an Klangqualität und Bespielbarkeit auch beim E-Bass: John Bowen spielt einen Roscoe Fretless Bass

Klaus:
John, vielen herzlichen Dank für dieses tolle Interview mit so vielen interessanten Geschichten. Ich schätze, die Musikerwelt hat Dir so einiges zu verdanken. Und es ist für mich besonders schön zu hören, welche Rolle für Dich neben Musikinstrumentenbau nach wie vor die Live-Performance spielt. Das merkt man allen Deinen Schöpfungen seit der Sequential Circuits Ara bis zum aktuellen Solaris nämlich an. Ich bin schon gespannt darauf, was Dir in der Zukunft noch so alles einfällt. Die Musiker werden ein Auge drauf haben, verlass Dich drauf. Daher: Danke für alles!

 

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Forum
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    iggy_pop AHU

    Ganz frühe Exemplare der Wavestation wurden tatsächlich mit dem Aufdruck WS(-1) ausgeliefert — womöglich Messe- und Demomodelle?

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      k.rausch AHU

      @iggy_pop Ah, interessantes Detail. Ich kannte ja nur diesen einen Prototyp, der beim Roundtable zu sehen war. Der war auch schon spielbereit. Die Korgies betonten, dass es endlich wieder ein richtiger Synthesizer wäre und die Jagd nach dem Klavier, wie beim M1, da nicht stattfinden würde. Nun, während des Mittagessens war ich kurz alleine mit diesem Instrument, hatte den Kopfhörer genommen und mal angespielt, weil mich ja keiner erwischen konnte. Und Überraschung: Es waren einige Presets mit Klavier Versuchen drin :)

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          TobyB RED

          @digital-synthologie Hallo digital-synthologie ,

          das gabs schon in der M1. Was halt die WS so besonders macht ist das Wave-Sequencing. Sie ist zwar nicht das Megamodulationsmonster, macht aber in Ambient und ähnlichen Genres noch Sinn und ist für mich klanglich interessant.

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            digital-synthologie AHU

            @TobyB Ich weiß, hatte selber lange eine Wavestation EX. Es ging mir nur um die Kehrtwende vom reinen Synthi zum Klavierabspieler, weil es damals gerfordert war.

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        TobyB RED

        @k.rausch Hallo Klaus,

        da hätte ich gerne mal dein überraschtes Gesicht gesehen ;-) Korg und Klaviere das ist so ein Thema. Ich musste mich zu der Zeit immer für die Klaviersounds meines M1 rechtfertigen. ProgRocker sind da so speziell. Aber davon ab, M1, T Serie und die Wavestations waren und sind sehr gute Instrumente. Für mich eigentlich auch „Klassiker“.

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          k.rausch AHU

          @TobyB Die Korgies wollten die Wavestation zuerst klar als puren Synthesizer vermarkten. In dieser Zeit übte allerdings die Kundschaft mit „und, wie ist das Klavier?“ bei jedem Instrument enormen Druck aus. Es folgte eine sanfte Kehrtwende mit PCM Cards, EX Version und sogar Werbung, wo die Wavestation den Tanzmusikern schmackhaft gemacht werden sollte. Heute lächelt man drüber :)

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            TobyB RED

            @k.rausch Hallo Klaus,

            ich denke als reiner Synthesizer ist das Killerfeature der Morph-Joystick. Bei den PCM Cards sind einige Sounds und Cards dabei, die wirklich Klasse sind und wo das Potential, der WS, M, T Korgs das Potentlal ausgelotet wird. Persönlicher Favorit Akira und die Synth 1+2 Karten. Die Klaviersounds/Orgelsound haben mich ja auch zum Kauf des M1 bewegt. Damals fand ich z.b. das Rolands LA Organ/Pad was fehlten. Ich konnte mich damals nicht zu einem D 70 entscheiden. Das waren damals schon komische Zeiten ;-)

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              k.rausch AHU

              @TobyB Und wie nachhaltig gelungen das zeitlose Wavevstation Konzept geraten ist, sehen wir ja 25 Jahre später an den Adaptionen in der Legacy und im Kronos. Trotz der Beschränkungen in der Filter Section, die John Bowen im Interview erwähnt hat. Tolle Sache!

              • Profilbild
                TobyB RED

                @k.rausch Hallo Klaus,

                dem kann ich nur zustimmen. Und wenn ich mich recht erinnere hatte Marko doch mal was geschrieben, wie man die begrenzten Filter etwas pimpen kann.

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                  digital-synthologie AHU

                  @TobyB Das Filter hatte ja keine Resonanz, aber es gab einen irgendeinen Effekt der Resonanz hatte. Die Filterfrequenz dieses Effekts konnte man z.B. per Modulationsrad in Echtzeit ändern. Vielleicht konnte man ihn auch von einer Hüllkurve ansteuern, um zumindesten für einen Monosound ein Resonanzfilter zu haben. Da ich einen Wavestation mehr habe, kann ich es nicht mehr überprüfen.

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                    k.rausch AHU

                    @digital-synthologie Ein Trick mittels Effects Section ist die Overdrive-Filter-EQ oder Distortion-Filter-EQ mit runtergeregeltem Edge und hoch aufgeregeltem Resonance Parameter. Je nach Waveform klingt das einigermaßen ähnlich. Während des Roundtables betonten die Korgies, dass man das mittels der Wave Slices erledigen solle, die extra für diesen Zweck vorhanden seien. Wie wir nun durch Johns Interview erfahren haben, war das aus der Not eine Tugend gemacht.

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    AMAZONA Archiv

    Tolles Interview, danke dafür. Es war schon immer mein Traum, an der Entwicklung eines Hardware-Synths mitzuwirken, und John hat das gleich mehrfach mit Erfolg getan, dazu noch mit vielen großartigen Leuten zusammengearbeitet und auch musikalisch sein Ding durchgezogen – besser kanns für einen Musiker wohl nicht laufen.

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    costello RED

    Vielen Dank für das sehr interessante Interview mit John Bowen. Es quillt vor Fakten ja nur so über; ich persönlich fand es schön, ein paar Hintergründe zu seiner Zeit bei Creamware/Sonic Core zu erfahren. Für Bowen scheint Scope ein wichtiger Schritt hin zu seinem umfassenderen Solaris-Konzept gewesen zu sein. Als reine Repliken der großen Vintage-Vorbilder liegen die ASB-Teile aber – mindestens was den Sound betrifft -immer noch ganz weit vorne.

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      k.rausch AHU

      @digital-synthologie Gut zu wissen. Vielleicht kriege ich John ja nochmal vor’s Mikro. Was würde dich denn ganz besonders interessieren?

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        digital-synthologie AHU

        @k.rausch Den Teil zur Wavestation fand ich enttäuschend kurz.
        Ausserden würde mich noch interessieren, wie er beim Design vorgeht. Hat er bestimmte Regeln, nach denen er vorgeht? Macht er das intuitiv? Welche Weisheiten hat er dazu im Laufe der Jahre gewonnen? Ist der Solaris schon sein Traumsynthi, den er schon immer machen wollte oder nur ein Schritt dahin?
        Und gerne noch mehr Anekdoten.

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Den Solaris als Scope plugin von Zarg John bowen ist so ein verrückter Synthesizer, als Hardware sicher noch verrückter. Ja das Interview könnte 20 mal so lange sein. Der Pro wave ist der handlichere Synthesizer und klingt einfach saugeil

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