Analog Charismat
Als AMAZONA.de vor fast 10 Jahren den ersten Bericht zum ARP Axxe verfasste, fand man ARP Synthesizer noch regelmäßig auf einschlägigen Second-Hand-Webseiten. Einen ARP 2600 konnte man damals noch für gut 5.000 Euro ergattern, heute kostet er mindestens das Doppelte. ARPs berühmtestes Produkt, der ARP Odyssey, taucht zwar ab und zu noch auf, der Rest der Familie ist in freier Wildbahn aber kaum mehr anzutreffen. Ich denke, da wird auch der geplante KORG Clone zum ARP Odyssey nicht viel ändern.
Inhaltsverzeichnis
Weniger selten zu finden ist hingegen der ARP Axxe, der aber ganz den Soundcharakter der ARP-Familie in sich trägt und auch preislich noch lange nicht so überzogen ist wie viele der Vintage-Klassiker.
Ist der ARP Axxe ein halber ARP Odyssey?
1975 erstmals auf den Markt gebracht, ergänzte er den ARP Odyssey, der bereits seit drei Jahren erfolgreich vermarktet wurde, preislich nach „unten“. Ganze sechs Jahre umfasste der Produktionszyklus, bis das Unternehmen 1981 schließlich seine Tore schließen musste.
Auch wenn der ARP nur mit einem VCO auskommen muss, so ist er doch deutlich mehr als ein halber Odyssey. Ein „Dreiviertel-Odyssey“ würde es wohl besser treffen.
Die Entwickler des ARP Axxe haben mit wenigen Mitteln einen Synthesizer entworfen, der äußerst viel aus der verwendeten Hardware herausholt. Wer also denkt, der kleine ARP hätte nur Bass- und Leadsounds auf dem Kasten, der irrt sich gewaltig.
Klangaufbau und Bedienung
Dank seiner Minimal-Struktur (1 VCO, 1 VCF, 1 VCA), die nicht nur logisch angebracht ist, sondern dank der Fader auch deutlich übersichtlicher und visuell schneller zu erfassen ist als Drehregler, lässt sich der ARP Axxe extrem einfach bedienen.
Für meinen Geschmack gibt es kaum einen Synthesizer, der für Einsteiger besser geeignet ist als der APR Axxe. Und wie wir gleich sehen werden, ist trotz allem Minimalismus das Klangpotential deutlich größer als man zunächst von ihm erwarten würde.
Der ARP VCO
Schon der VCO macht deutlich, dass „Klang“ eben nicht nur im Filter entsteht, sondern bereits am Ursprung der Klangsynthese, beim VCO.
Analog-Liebhaber werden mir recht geben, wenn ich behaupte, ARPs VCO gehört zu den rundesten und wärmsten VCOs, die seinerzeit in Synthesizern zum Einsatz kamen.
Im Falle des ARP Axxe erlaubt der VCO die stufenlose Mischung zwischen Sägezahn, Rechteck/Puls und Rauschen. Das mag einen zweiten VCO zwar nicht ersetzen, steigert aber die Vielfalt der resultierenden Klänge doch erheblich. Ähnlich wurde auch im Roland Juno 60 bzw. im Roland SH-101 verfahren, um quasi mit einem VCO den Klang eines Synthesizers mit 2 Oszillatoren zu „imitieren“.
Gleich noch ein Satz zum Rechteck/Puls, der bei aktivierter Modulation eine wunderbare Färbung und Breite erhält und mich immer wieder ins Erstaunen versetzt, wie sehr bereits ein VCO zu gefallen weiß.
Das Tuning lässt sich über einen Schalter auf der linken Seite um 1 bis 2 Oktaven auf- bzw. abwärts trimmen. Das Fine-Tuning geschieht über einen kleinen Knopf oberhalb der Fader, mit denen man bestimmt, wie stark und von welchen Quellen der VCO moduliert wird.
Als Modulations-Quelle für den VCO steht zur Verfügung ein LFO (mit Sinus oder Rechteck), S&H über den Noise Generator oder die (leider einzige) ADSR-Hüllkurve.
ARP-Filter
Kommen wir zum klanglichen Highlight des ARP Axxe, dem Analogfilter mit einer Flankensteilheit von 24 dB. In diesem Punkt steht er seinen berühmten Geschwistern in nichts nach. Ja, der ARP Axxe kann genau so warm und smooth klingen wie ein ARP Odyssey oder ein ARP 2600. Anders gesagt: Eigentlich bekommt man heute den Original-klassichen-ARP-Sound nicht mehr günstiger in sein Studio, als mit einem gut erhaltenen ARP Axxe.
Als Modulationsquelle können neben LFO und ADSR-Hüllkurve auch ein extern anzuschließendes Pedal, Keyboard CV oder ebenfalls S&H Einfluss auf das Filter nehmen.
Die Möglichkeiten in dieser Sektion stehen dem ARP Odyssey kaum nach.
ADSR
Eine Hüllkurve, 4 Stufen – that’s it. Wenigstens eine zweite AR-Hüllkurve wie z.B. beim ARP Odyssey wäre wünschenswert gewesen, ist aber dem Rotstift zum Opfer gefallen.
Auf der anderen Seite sind dadurch Klänge schnell registriert und in vielen Fällen braucht man auch nicht unbedingt eine zweite Hüllkurve.
Die Hüllkurve des ARP Axxe gehört nicht zu den Schnellsten, kann aber trotzdem ordentlich zupacken, um auch perkussive Klänge zu erzeugen. Die Schnelligkeit eines Cwejman S1, um einfach ein Beispiel zu nennen, erreicht sie aber nicht.
ARP SCHWARZ ROT GOLD
Wie auch vom ARP Odyssey, existiert der ARP Axxe in verschiedenen Variationen. Die ältere Version mit schwarzem Gehäuse, goldenen Beschriftungen und Holzseitenteilen besaß noch einen Pitchbend-Knopf als Spielhilfe, während die spätere Variante mit schwarzem Gehäuse, orangenem Aufdruck und Seitenteilen bereits über die angenehm spielbaren PPC-Pads (Proportional Pitch Control) verfügte.
An meinem Axxe funktionieren diese Pads übrigens bis heute tadellos, lassen sich aber nicht so feinfühlig spielen wie ein echtes Pitch- oder Modulationsrad.
Mein hier abgebildetes Modell entspricht also der zweiten Generation (wurde von mir vor ca. 2 Jahren auch midifiziert – dazu weiter unten mehr). Ein klanglicher Unterschied (wie z.B. bei den unterschiedlichen Versionen des ARP Odysseys) ist mir nicht bekannt. Wer hierüber evtl. mehr weiß, sollte dies unbedingt im Anhang posten.
ANSCHLÜSSE
Der ARP Axxe bietet auch heute dank CV/GATE IN und OUT alles was man benötigt, um auch ihn auch heute noch – ohne große Umbauten – in ein bestehende Studio-Set-Up zu integrieren.
Das Audiosignal verlässt den ARP Axxe alternativ über zwei Klinkenbuchsen mit niedrigem oder hohem Pegel.
Der zusätzliche Pedal-Eingang erlaubt darüber hinaus das Einspeisen externer Steuersignale, um z.B. über einen anderen CV/Gate-Synthesizer oder Module das Filter modulieren zu können (Empfehlung: Doepfer Sequencer Dark Time ist in Verbindung mit dem ARP Axxe eine echte „Waffe“).
Und zum krönenden Abschluss, bietet der ARP Axxe einen Audio-Eingang. Über diesen lassen wunderbar externe Audiosignale mit der internen Signalverarbeitung verfremden.
MIDIFIZIERUNG
Ich habe meinen ARP Axxe vor drei Jahren mit einem SND MIDI-Interface nachrüsten lassen. Die Möglichkeiten dieses Interfaces sind enorm und kann es trotz der hohen Kosten nur absolut weiterempfehlen.
Wer dazu mehr wissen möchte, sollte unbedingt meinen Artikel zu diesem MIDI-Interface lesen – HIER:
ARP LITTLE BROTHER
Der ARP LITTLE BROTHER war ein kleiner, tastaturloser Expander, der den ARP AXXE um einen zusätzlichen Oszillator erweiterte. Das funktionierte nicht ganz so komfortabel wie heute, funktioniert aber nach Infos aus dem Netz trotzallem sehr gut.
Zwar verfügte diese Kombination nicht wie der ARP Odyssey über Oszillatoren Synchronisation und Ring Modulation, dennoch reicherte der zweite Oszillator den Klang ungemein an. Der Ausgang des Little Brothers wurde einfach mit den externen Audioeingang des AXXE und CV-Out des Axxe mit dem CV-In des Little Brother verbunden.
Das Besondere am ARP LITTLE BROTHER: Es lassen sich vier Tonanlagen einzeln oder gemeinsam triggern und auch die Schwingungsformen Sägezahn sowie Rechteck in drei verschiedenen Breiten lassen sich einzeln oder in beliebiger Kombination spielen – auf Wunsch sogar alle vier gleichzeitig.
Zusätzlich besitzt auch der Little Brother einen LFO, der allerdings nur für Vibrato genutzt werden kann.
Leider konnte ich das Gespann nie persönlich ausprobieren. Wer aber hier Erfahrungen gemacht hat, ist herzlich willkommen, ein Statement abzugeben.
SOUND / PRAXIS
Wer zunächst den ARP Axxe als minderwertigen Synthesizer betrachtet, der wird schnell eines Besseren belehrt.
Der ARP Axxe ist klingt nicht nur wie seine großen Brüder ARP Odyssey und ARP 2600, sondern ist klanglich auch noch sehr vielseitig.
In meinem Set-Up habe ich mir mit dem ARP AXXE den Traum erfüllt, jederzeit auf den wunderbaren und legendären ARP-Klang in Reinkultur zugreifen zu können.
Der ARP AXXE gibt jedem Song nochmals dieses ganz besondere Etwas an analoger Fülle und (auch wenn dieses Wort immer und immer wieder bemüht wird) Wärme. Ich möchte ihn jedenfalls nicht mehr missen und ich habe auch noch kein Plug-in gehört, das ihn auch nur annähernd klanglich ersetzen könnte.
Übrigens wurden seinerzeit zum ARP Axxe neben dem umfangreichen Handbuch auch zahlreiche Sound-Sheets (auf gedruckten Papier ;-) ausgeliefert, die mit wenigen Handgriffen immer wieder eine tolle Ausgangsbasis für eigene Klangkreationen sind.
Hier zum Abschluss noch ein YT-Video in welchem die klanglichen Qualitäten des ARP AXXE sehr gut demonstriert werden.
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Bei Deinem 2. Klangbeispiel ist es mir kalt den Rücken runtergelaufen… Das klingt ja schon richtig nach Kraftwerk, und das obwohl da nur ein Klangerzeuger am machen ist…
Schöne Beschreibung eines wirklich tollen Synthesizers…. Ich freu mich in dem Zusammenhang auch schon auf den Korg Odyssey mit der Hoffnung, dass er auch wirklich diesen Charakter ins Jetzt portieren kann…
Es scheint auch noch eine „anderthalbte“ Baureihe zu geben, sprich eine Modifikation, die wohl direkt von ARP zu beziehen war.
Mein Axxe ist einer der erste Baureihe, hat aber statt des Pitchreglers einen PPC in einer kleinen Box aufgesetzt, der über einen Schiebeschalter die Funktion eines der PPC der MK2 übernehmen kann. Da die Schrift und Schriftfarbe auf diesem kleinen AUfbau mit dem Rest identisch ist, gehe ich davon aus, dass es eine offizielle ARP-Erweiterung ist.
Bei Bedarf kann ich gerne Bilder hierzu liefern :)
Sehr gerne, immer her damit. Ich bau die Bilder am Ende des Artikels ein :-)
Wer auf den ARP VCO Klang steht, aber lieber ein Modularsystem verwendet, hat übrigens mit dem Corsynth C104 „Odyssey of Sound“ eine Alternative, die auf den ARP Schaltungen basiert. Einen Richtung ARP gehenden Filter gibt’s mit dem „Post-Lawsuit Lowpass Filter“ von STG Soundlabs.
Sind beide im MU (Moog Unit) Format, also die Größe, die auch Moog und synthesizers.com (Dotcom) verwenden.
Den STG Filter gibt es auch im Eurorack Format. Ansonsten gibt es noch die Klon Module von AMSynths im Eurorack Format.
Hallo,
Sehr schön geschrieben, da freut man sich doch auf die Reinkarnation vom Korg Odyssey :-)
Der ARP VCO hat eine extreme Power und zeichnet sich durch „Schönklang“ aus. Der Axxe ist ein toller Lead und Bass Synthesizer der zu Unrecht im Schatten des großen Bruders steht. Die unglaublich schönen, schneidenen Sync-Sounds des Oddy (Ultravox läßt grüßen) bleiben ihm natürlich konzeptionell verwehrt. Wer den „ARP-Sound“ sucht der bekommt mit dem Axxe schon eine Menge geboten.
Es gab wohl noch eine ganz frühe Serie des Axxe, die wie der Odyssey Mk. 1 oder der ganz frühe Pro-Soloist mit weißem Frontpanel kam. Ob sie serienmäßig hergestellt und in größeren Stückzahlen als einem Exemplar verkauft wurde, weiß ich nicht.
Tolle Teil! Hatte ich auch mal in den 90ern. Umso mehr bin ich auf die Odyssey – Reissues gespannt :)
Manchmal hilft ein wenig „googeln“: https://www.youtube.com/watch?v=kn3JTAPr7UQ
Dieses Video zeigt alles, was man über den ARP Little Brother wissen muss.