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Interview: Dr. Walker alias Ingmar Koch

(ID: 157776)

Peter:
Für AIR LIQUIDE habt ihr oben drauf auch noch euer eigenes Label BLUE gegündet. Wie muss man sich das damals von der wirtschaftlichen Seite vorstellen? Du warst Act und Label-Besitzer. Also Künstler und Vermarkter. Ging das gut zusammen?

Ingmar:
Auf jeden Fall. Man hat einfach größere künstlerische Freiheit. Haha! Man kann mehr wagen. Sachen machen, die sich andere Labels nicht trauen. Und schneller agieren/reagieren. Aber wir sollten nicht vergessen, dass wir immer experimentelle Musik gemacht haben. Wir haben etwaigen kommerziellen Erfolg immer im Keim erstickt. Das heißt, eigentlich waren wir immer pleite. Dazu kam, dass besonders die großen Labels im Ausland (bis auf ganz wenige Ausnahmen) uns eigentlich immer um den Großteil unserer Lizenzen … aeh … erleichtert haben. Mit vielen Label-Managern waren wir auch persönlich eng befreundet – da sind rechtliche Schritte dann natürlich auch flachgefallen.

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Air Liquid Buddys 1993 (Bild: yorck dertinger)

Air Liquid Buddys 1993 (Bild: yorck dertinger)

Peter:
Irgendwie glaubt man heute ja, damals hätte sich Techno verkauft wie geschnitten Brot. War das so?

Ingmar:
Klar waren die Umsätze größer und wir haben eigentlich von fast jeder 12“ 1.500 bis 5.000 Stück verdreht. Aber mehr auch nicht – zumindest nicht auf unseren eigenen Labels. Die Kohle, die rein kam, ging für Instrumente, Drogen, Partys und neue Plattenpressungen drauf.
Wie gesagt: Wir haben eine unfassbare Menge schräger und damit unverkäuflicher Platten rausgebracht, die alle natürlich Geld gekostet hatten. Das Schöne daran ist aber, dass bis zum heutigen Tag wöchentlich E-Mails kommen „Du bist der Grund, warum ich angefangen habe Musik zu machen….“ und dann werden in der Regel die schrägsten und kaputtesten Releases als Referenz genannt. Und dann denke ich mir, dass das die ganzen Tränen und das Leiden von damals gerechtfertigt.

Peter:
Was war das Reizvolle damals für dich an Techno?

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Ingmar:
Na ja. Ich glaube die Faszination von Techno damals und heute ist ein und dieselbe:
Auf der 909 Bassdrum durch Nebelschwaden durch die Nacht zu reiten, ist einfach ein unvergessliches „Naturerlebnis“! Das kann einen jahrelang in den Bann ziehen! Es gibt nur eine allumfassende Wahrheit und die wird mit der Bassdrum durch unser Gehirn gepeitscht. Nur über die BPMs kann Mensch sich streiten.

Peter:
Welche Einflüsse haben deinen damaligen Techno entscheidend geprägt?

Ingmar:
Wir kamen ja NICHT von Disco und House zum Techno. Sondern von ***hüstel*** Hiphop, Pop und Experimental Musik. Prägend für mich war vor allem die jahrelange Freundschaft mit Wolfgang Voigt aka Mike Ink und Jörg Burger aka The Modernist/The Bionaut, die beide viel deeper in der Techno- & Acidszene waren. Klar hab ich damals auch +8 und Probe und Telepathic und Dancemania und anderen Sound aus den Staaten gehört, aber unsere eigenen Produktionen waren doch sehr „deutsch“. Halt mit Einflüssen der Kölner Elektronikszene, des Krautrocks und natürlich der Neubauten.

Wir haben schon recht früh aufgehört so zu tun, als ob wir aus London, Paris oder Chicago kämen und uns zu unserem eigenen „echten“ Leben bekannt. Keine Fake-Künstlerstorys, sondern das, was uns im täglichen Leben passiert, als Soundtrack umgesetzt und auch exakt so promotet. Und so kann man sagen, dass das Leben selbst der wichtigste Einfluss auf den Sound damals und jetzt war/ist.

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Forum
  1. Profilbild
    costello RED

    DAW’s sehen aus wie ein Schlumpfbordell in Coney lsland. Selten so gelacht! Die Musik von Dr. Walker ist nicht so mein Fall, die Doggies ehrlich gesagt auch nicht – aber das Interview fand ich toll. Der Mann brodelt ja regelrecht. Vom mexikanischen Totenkult bis zur Kölner Technoszene. Da ist viel drin. Und zum Musikmachen braucht’s nur ein paar Basics: 808, Juppi 8 und nicht vergessen den 2600 für die Blubbersounds. Super!

    • Profilbild
      Tyrell RED

      @costello Genau aus dem Grund musste meine Maschine von NI und auch die TR-8 wieder gehen. Das Disco-Geflimmer ist für mich ein absolutes NoGo. Selbst bei der RYTM nervt mich das, aber dafür ist der Rest an der RYTM ziemlich cool.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Schade, dass da fast nur schlechte Promo-Fotos gezeigt werden. Dabei sind die „echten“ Bilder viel interessanter. Es wäre doch sehr spannend zu sehen, wie sein JP8 oder die geliebte MPC3000 aussehen nachdem er sie mit den Krallenringen bearbeitet hat :-)))

  3. Profilbild
    iggy_pop AHU

    Doktor Wackler schmeißt Bierflaschen auf Synton Syrinxe. Entsprechend werden Jupiter und MPC ausgesehen haben.

    Schlumpfbordell — super!

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Klasse Interview! Das Keyboards-Interview hab ich leider nie gelesen, obwohl ich ab 03/95 regelmäßig Keyboards las. Des Doktors Platten fand ich damals meist sehr interessant – In etwa so, wie eine völlig aus der Kontrolle geratene Kellerparty, mit einer Anlage kurz vor dem Exitus, nach dem Genuß von Designerleckereien. Irgendwann hatte ich mir mal die „Mission2sun“ Sample-CD zugelegt, in der Hoffnung, dass ich damit ein paar Sunsyn-Sounds in meine Tracks einbauen kann. Dazu kam es aber nie! Denn die Sounds sind 100 % Air-Liqude style! Einige der Drones und Sequenzen höre ich jetzt hin und wieder zum relaxen :D Schön das der Doktor noch aktiv ist!

  5. Profilbild
    TobyB RED

    Schlumpfbordell, gröhl… Ich hab besagte Keyboards noch im Keller. Gleich mal nachgekuckt. Klasse Interview!

  6. Profilbild
    Flying C (DeSanto)

    Danke für dieses Interwiev das einige Dekaden durchleuchtet. Air Liquide ist aus heutiger Sicht der Sound meiner Jugend, auch wenn ich die 20 zu jener Zeit bereits dezent überschritten hatte. Nicht von dieser Welt. „Was, die sind aus Deutschland?“ Wollte kaum einer für wahr haben. Deren Scheiben, im Delirium Frankfurt erworben, besitze ich bis heute.
    Ich will Herrn Koch nicht auf Air Liquide reduzieren, waren und sind ja einige Feuer am brennen wie zu lesen ist.
    Auf die Neuverfilmung von Liquid Sky bin ich gespannt…Eim a Tschörmen Seientist… ;)
    Die Aussage über aktuelle Controller-Modelle ist mal so auf den Punkt!

  7. Profilbild
    changeling AHU

    Ich erhebe nicht den Anspruch darauf, irgendwas zu können oder wissen oder gar besser zu können oder besser zu wissen.
    Habe ich 2006 auf Kreta irgendwie anders erlebt. Damals hatte ich das Gefühl ich bin als Lehrling irgendwo statt im Urlaub.

  8. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    sehr schönes interview. habe damals die blüte meiner jugend im kölner camouflage erlebt, das waren wirklich gute zeiten. besonders die jam sessions, bei denen jeder ein gerät mitgebracht hat, jemand gab ne midi clock aus und dann gings los… oder der zweite floor „kompressionskammer“ ganz unten im keller. mit 10 leuten war der floor voll und die party war IMMER gut :) hach…

    • Profilbild
      dr w

      die jams fuehren wir bis zum heutigen tag fort!
      jetzt nicht mehr im eigenen club sondern vorwiegend im berliner maze – einem der schoensten clubs von berlin, meiner meinung nach.
      vorbeikommen – mitspielen!
      :)

  9. Profilbild
    acidnoid

    Danke für das schöne Interview – mein 2. Wohnzimmer damals, das Camouflage mit PacMan Tischen – das hat begeistert – gibt es „The Beast“ noch, das TEAC M15 …
    Tja ich pendel immer noch ziwschen Berlin und Köln – Berlin zum Arbeiten Köln zum Leben – aber der Vibe ist wirklich nicht mehr in Köln – der wurde damals schon mit dem „Kölner Loch“ und den Abriss eines Gebäudes am Neumarkt definiert.

    • Profilbild
      dr w

      @acidnoid nein. das teac pult gibtz nicht mehr.
      das war ein grosser fehler es zu verkaufen.
      :S
      der (widerrechtliche) abriss des josef haubrich forums war ein weiterer grabstein in der kulturgeschichte kölns. unfassbar – bis heute!
      naja. in berlin gibtz gleich dutzendfach vergleichbare aktionen….

  10. Profilbild
    Jim Tonic

    Tolles Interview, Danke! Habe auch damals sehr viel im Gebäude 9 und im Liquid Sky mitlauscht. Leider habe ich nur noch sehr vernebelte Erinnerungen an dicke Teppiche auf der Bühne und tonnenschweres Analogequipment und genialen Zaubersound, hat nicht sogar der Herr Czukay da ab und an mitgemischt? War eine tolle inspirierende Atmosphäre damals. Durch des Doktors Sneak Preview bin ich auch auf die ACID8 gestoßen, habe mir dann die S/N 8 gesichert (als alter Zahlenjunkie). Tolles Kistchen. Bin schon sehr gespannt auf die neue Hartware die überall in der Mache ist. Gibt´s bald wieder Sneak Previews?

    • Profilbild
      dr w

      @Jim Tonic das mit den teppichen sollten wir mal wieder einfuehren. diese tugend haben wir ganz aus den augen verloren…. danke fuer erinnern!
      :)
      acid8 – ja. das ist ein super kistchen!
      allerdings was im fruehjahr kommt ist auch sehr sehr spannend!
      sneak previews: 21. april auf jeden fall mal merken!
      und eventuell am 18. februar. mal gucken ob wir das timing halten koennen…

  11. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Riesen Interview,Underground Helden mit substanz,ich denke mal mich hat nichts so beeinflußt wie der deutsche Acid Techno des Doctor’s & Jammin‘ Unit,Ink etc….die Groove schrieb in den frühen 90’ern über Air Liquide „Intelligent Techno“,das hatten wir damals auch so empfunden…..und so sehe ichs auch heute noch und finde es sehr beruhigend zu lesen das Dr.Walker noch einiges vor hat …..

  12. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Bei der Stelle unten musste ich herzhaft lachen, sehe ich ganz genau so, Ingmar! Zum Anzeigen verschiedener Betriebsnmodi sind Farbwechsel prima, aber die Controllerindustrie hat da schon lange sämtliche Stylegebote überrant. Hardware sollte schon eine gewisse Eleganz und Stil ausstrahlen und nicht bunte Beliebigkeit. Regenbogenassoziationen helfen da auch nicht weiter. Schönes Interview btw.. /.-) …

    „… Da fallen wir durch die angesagten Underground Clubs des Planeten, jammen uns in verpilzten Kellern die Seele aus dem Leib, wo im Takt der Bassdrum der Beton von der Decke rieselt, machen brutalen Krach und dicken Bass, üben vorm Spiegel und im Alltag das bad-mthrfkkr-onstage-sein und träumen von Wänden von Marshall-Stacks als Bühnenmonitore und benutzen dann Controller, die fröhlich quietschig bunt wie ein Schlumpfbordell in Coney Island aussehen…“

    • Profilbild
      dr w

      danke, robert!
      genau!
      wer 1.000 oder 1.500 euro fuer nen controller ausgibt der muss sich ja dann nicht nach der investition dafuer wegen des looks noch schaemen!
      fuer soviel kohle erwartet man schon was coolen geilen #gearporn…

  13. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    This is a great interview and I learned a lot from it. I’ve known Ingmar for over 20 years and I’m still learning new things about him.
    I really want to emphasis the last point now. The 90s were fun and exciting but the best time to be making electronic music ever is right NOW! Never has the gear been more user friendly or more affordable. Never has there been a time where the artist was more free to make sounds like what ever he could imagine than NOW! Now is the best time!

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