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Making of Special: Emerson, Lake and Palmer, Brain Salad Surgery (1973)

Elektronischer Blow Job

2. Juli 2022

Report: Making of- Brain Salad Surgery

Inhaltsverzeichnis

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Emerson, Lake and Palmer haben mit Brain Salad Surgery ihr wohl kompromisslosestes Werk abgeliefert. Nie klang die Band härter, elektronischer – ja futuristischer. Mit dem ebenso phantastischen wie brutalen Cover des Schweizer Künstler H.R. Giger und Emersons vermutlich bester (weil kongenialer) Klassik-Adaption – der Toccata des argentinischen Komponisten Ginastera – schuf das Trio sein Opus magnum. „Brain Salad Surgery war das erfolgreichste und am besten umgesetzte Album von Emerson, Lake & Palmer (nach ihrem ersten) und ihr ehrgeizigstes als Gruppe sowie ihr lautestes“, urteilt Bruce Eder auf All Music. Für Synthesizer-Fans ist das Album ohnehin ein Leckerbissen, setzte Emerson hier doch neben dem großen Moog-Modularsystem und dem Minimoog auch absolute Exoten wie den Moog Lyra und den Apollo ein. Dass das Album wie aus einem Guss wirkt, ist vor allem auch ein Ergebnis  der damals guten Stimmung in der Band. Jerry McCully zitiert Greg Lake in den Liner Notes zur DVD: “Die Zeit, in der Brain Salad Surgery entstanden ist, würde ich als die ‚gesunden Tage‘ von ELP bezeichnen. Im Gegensatz zu der Zeit, als alles zersplittert, abgeschottet und egoistisch wurde.“

Brain Salad Surgery – Die kreativen Tage einer Supergroup

Bands, die sich aus Musikern zusammensetzen, die vorher schon anderweitig sehr erfolgreich waren, sind nie gefeit gegen Alleingänge und Egoismen ihrer Mitglieder. Allerdings ging es damals bei ELP (noch) nicht so heftig zu, wie bei der ersten „Supergroup“ der 70er Jahre „Cream“. Dort versuchten Schlagzeuger Ginger Baker und Bassist Jack Bruce sich nicht nur auf der Bühne gegenseitig zu übertönen, sondern gingen sich backstage teilweise regelrecht an die Gurgel. Bei Tourneen mussten für die Bandmitglieder unterschiedliche Hotels gebucht werden. Auch Emerson, Lake and Palmer vereinte drei hervorragende Musiker – und zugleich drei starke Egos, die nicht immer leicht unter einen Hut zu bekommen waren. Bei Brain Salad Surgery waren die Credits für die Kompositionen zwischen den beiden musikalischen Masterminds Keith Emerson und Greg Lake gleich verteilt.  Und Emerson zeigte sich empfänglich für die Ideen seiner Mitstreiter: „Ich ging ins Studio und nahm mir ein Beispiel an Duke Ellington, einem anderen meiner Helden. Er ging ins Studio und teilte die Parts aus, und wenn ein bestimmter Musiker mit einer bestimmten Idee durchkam, änderte er das Arrangement sofort – ’spiel du das, das ist gut! Auch wenn ich mit einer festen Idee in die Proben ging, sagte ich, wenn im Studio etwas passierte: ‚Toll! Lass uns das verwenden.“ So lief es damals bei der Entstehung ihres vierten Studioalbums richtig rund, berichtet Carl Palmer: „Vieles von dem, was auf Brain Salad Surgery zu hören ist, entstand zu einem Zeitpunkt, an dem unsere Kreativität auf dem Höhepunkt war. Wir haben diese Ära nie wirklich getoppt.“ Liner Notes

Weil ein Album wie Brain Salad Surgery nicht vom Himmel gefallen war, begeben wir uns zurück zu den Anfängen…

Hammond C3 mit Leslie

Keith Emerson and The Nice

Der klassisch geschulte Keith Emerson kam von „The Nice“: das war eine Band, die Jazz, Rock und Blues mit klassischen Zitaten mixte. Und die stark auf Keyboards setzte. „The Nice waren für ihre Zeit eine ziemlich revolutionäre Band; es gab damals nicht viele Bands, die überhaupt Keyboards verwendeten, geschweige denn so viel wie wir“, erinnert sich Keith Emerson 1983 in einem Interview mit dem Magazin „Electronics & Music Maker“. Der Grund war vermutlich, dass die L-100 wie ein furniertes Möbelstück aussah, hinter dem der Spieler saß und kaum zu sehen war. Nicht besonders sexy. Aus diesem Grund entwickelte Emerson seine eigene Bühnen-Show mit der Hammond-Orgel: Das relativ bewegliche Hammond-Spinettmodell L100 schob er quer über die Bühne, um Rückkoppelungen zu provozieren. Er zupfte an den Hallfedern, veränderte während des Spielens die Geschwindigkeit des Motors, der die Tonräder antreibt, für stufenlose Tonhöhenänderungen. Das schnelle An- und Abschalten des Motors brachte dagegen einen jaulenden Klang hervor. Dann wieder sprang er wie von der Tarantel gestochen auf das Instrument, spielte die Tasten rückwärts.

Berühmt auch seine Dolchattacken auf die Orgel, mit Messern fixierte er bestimmte Borduntöne. Mit ganz speziellen Messern: „Unser damaliger Roadmanager war Lemmy (Kilmister) – später bei Motörhead und ein begeisterter Sammler von Erinnerungsstücken an den Zweiten Weltkrieg – der sagte: ‚He Kumpel, wenn du ein Messer benutzen willst, dann nimm ein richtiges‘, und er gab mir einen Dolch der Hitlerjugend.“ Classic Rock

Später kam noch die Hammond C3 dazu, die über zwei Vollmanuale verfügt. Der typische Emerson-Hammondsound benutzt die ersten drei Zugriegel  – voll herausgezogen, mit dem third harmonic Percussionregister und Chorale 3 als Vibrato. Dazu eine Fuzzbox und ein Leslie 122 und Emerson war zufrieden: „Der Orgelsound war aggressiv – er bewies, dass ein Keyboarder auf der Bühne genauso viel bewirken konnte wie ein Leadgitarrist, wenn er den Mut und die Entschlossenheit dazu hatte.“ „Electronics & Music Maker“

Zu Bernsteins „America“ brennt die US-Flagge

Legendär sind die Klassikadaptionen der Band. Besonders bekannt wurde Emersons Bearbeitung von America aus Leonard Bernsteins West Side Story.  Bei der Aufführung in der Royal Albert Hall verbrannte die Band das Bild einer US-Flagge – als Protest gegen die Ermordung des zweiten Kennedy-Bruders. Die Aktion brachte ihnen lebenslanges Auftrittsverbot in der  Royal Albert Hall ein – und viel Wirbel in der Presse. Bekannt wurden auch die Adaptionen des  Blue Rondo à la Turk“ von Dave Brubeck, des 3. Brandenburgischen Konzerts von Johann Sebastian Bach und der Karelia Suite von Jean Sibelius. Die Neigung zum Bombast war da schon spürbar: Für die Live Aufführung der Five Bridges Suite wurde eigens das London Symphony Orchestra angeheuert. Das war ganz nach Keith Emersons Geschmack.  

Nachdem The Nice das Bild einer US-Fahne angezündet hatten, bekamen sie Auftrittsverbot in der Royal Albert Hall in London. (Foto: Costello)

Keth Emerson oder: Wer braucht Gitarristen?

Was man nach Emersons Dafürhalten nicht unbedingt in einer Band brauchte, war ein Gitarrist. Die Eifersüchteleien zwischen bekannten Keyboardern und Gitarristen sind legendär. Wenn der Mann an der Klampfe mit dem Tastendrücker technisch und musikalisch gleich auf lag, konnte das im günstigsten Fall der Band einen mächtigen kreativen Impuls geben. Wie etwa im Falle von Ritchi Blackmore und  John Lord bei Deep Purple. Oft führte es aber auch zu ständigen Machtspielen, zermürbend für alle Seiten. So imitierte Tony Banks mit seinem durch eine Fuzz Box verzerrten Hohner Pianet eine E-Gitarre und lieferte sich mit Steve Hackett regelrechte „Gitarrenduelle“. Und bei „The Nice“ hatte der Egomane Keith Emerson den Gitarristen David O’List erfolgreich aus der Band vertrieben. Es liegt eine feine Ironie darin, dass bei ELP regelmäßig ausgerechnet Greg Lakes Balladen zu akustischer Gitarre die dicksten Single-Hits liefern sollten.  

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Kontakt mit Greg Lake

Keith Emerson schwebte ein völlig neuer Sound vor und er glaubte nicht, diesen mit „The Nice“ umsetzen zu können: „Es gab Grenzen, wie weit man in dieser Besetzung musikalisch hätte gehen können. Wir lösten ‚The Nice‘ auf, hauptsächlich weil die Musik, die ich schrieb, immer experimentierfreudiger wurde. Lee (Jackson) war nicht in der Lage, das zu singen, was ich wollte, also sah ich mich nach einem Bassisten um, der singen konnte.“ „Electronics & Music Maker“ Emerson teilte seinen Bandkollegen 1969 mit, dass er aus der Band aussteigen wollte. Auf ihrer US-Abschiedstournee spielten „The Nice“ vom 11.-14. Dezember 1969 im Fillmore West in San Francisco – gemeinsam mit der ebenfalls sehr erfolgreichen Progrock-Band „King Crimson“. Bei dieser Gelegenheit sprachen Emerson und der King Crimson-Bassist und Sänger Greg Lake über eine mögliche künftige Zusammenarbeit. Beide waren frustriert von ihren derzeitigen Formationen, erinnert sich Greg Lake: „Ich traf Keith nach der Show in der Bar. Wir fingen an zu plaudern, und er fragte: ‚Wie läuft es mit King Crimson?“ und ich sagte: ‚Ehrlich gesagt, Keith, gar nicht, es ist wirklich vorbei.‘ Und er sagte: ‚Das ist unglaublich, denn ich bin gerade dabei, ‚The Nice‘ zu beenden. Ich kann mir nicht vorstellen, noch weiter zu machen. Ich will wirklich weitergehen. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, zusammen eine Band zu gründen.‘ Und so fing es an.“ Greg Lake Interview

Erster Auftritt mit einem Moog

Im ersten Quartal 1970 folgten aber zunächst noch einige Auftritte mit „The Nice“. Denkwürdig ist der Gig am 7. Februar in der Londoner Festival Hall – da setzte Keith Emerson zum ersten Mal den Moog Synthesizer auf der Bühne ein. Angefixt hatte ihn sein Plattenhändler, der ihm Wendy Carlos Switched on Bach vorspielte. Vor allem der Look machte Emerson an, der an eine der frühen Telefonanlagen der 1930er Jahre erinnere, als Telefonisten die Verbindungen noch manuell mit Stöpseln herstellten. Der Moog auf der Bühne war nicht mal sein eigener, sondern eine Leihgabe von Mike Vickers, der Flötist und Saxophonist bei Manfred Mann war.  Emerson spielte auf dem Moog Auszüge aus der Filmmusik zu Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum –  etwa Also sprach Zarathustra von Richard Strauss. Vickers lauerte backstage, sprang ab und an auf die Bühne und stöpselte ein paar Kabel um. Emerson meinte später, das Publikum hätte wahrscheinlich geglaubt, die Musik käme vom Band. Er selbst  war so begeistert, dass er sich schwor, den Moog für seine nächste Band anzuschaffen. Am 30. März 1970 gaben „The Nice“ im Berliner Sportpalast schließlich ihr Abschiedskonzert.  Wer sich für diese Tourinfos besonders interessiert, wird auf der Seite covers at an exhibition fündig.

Emerson, Lake and Palmer – Gründung einer Supergroup

Schon im April des gleichen Jahres stöpselte Greg Lake bei „King Crimson“ seinen Bass aus. Diese Band sollte freilich mit Robert Fripp ihr Gravitationszentrum behalten und sich als sehr langlebig erweisen. Keith Emerson und Greg Lake begaben sich nun auf die Suche nach einem geeigneten Schlagzeuger.  Sie ließen mehrere Drummer vorspielen, dann schnappte sich Greg Lake ein Telefon und rief Carl Palmer an. Der galt als überwältigendes Talent, hatte mit gerade mal 18 Jahren bei „The Crazy World of Arthur Brown“ aber auch mit Steve Winwood gespielt und war nun Drummer bei „Atomic Rooster“. Palmer ließ sich etwas Zeit mit der Entscheidung, unsicher, ob er seine Stammformation wirklich verlassen sollte. Komplett umstellen musste er sich allerdings nicht: Der Sound von „Atomic Rooster“ war stark durch das Hammond-Orgelspiel von Vincent Crane geprägt. Im Juni strich Palmer bei „Atomic Rooster“ die Segel und wechselte zu der neuen Band. Über einen Bandnamen musste man sich nicht lange den Kopf zerbrechen. Die drei Familiennamen wurden einfach aneinander gehängt. Nach einer Powerprobenzeit gab es im August bereits die ersten Auftritte: in der Plymouth Guildhall und dann vor allem beim ebenso legendären (wie chaotischen) Isle of Wight Festival 1970 – mit einer halben Million Zuschauer. Andere Schätzungen sprach von bis zu 700.000 Besuchern. Da spielte alles, was damals Rang und Namen hatte: Chicago, Family, Cactus, Ten Years After, Procul Harum, The Moody Blues, Free, Joan Baez, Joni Mitchel, Jethro Tull, Jimi Hendrix, Leonard Cohen, Donovan… und das ist noch nicht mal die Hälfte der Acts.

Emerson Lake & Palmer Debut Album von 1970

Emerson, Lake and Palmer – das Debütalbum

Nach dem Isle of Wight-Festival kannte die halbe Rockwelt den Namen Emerson, Lake and Palmer. Und bereits im September konnte die Band  ihr erstes Album veröffentlichen – das mit der Gitarrenballade Lucky Man mit dem berühmten Moog-Solo (ein Paradebeispiel für den Einsatz des Portamento-Effekts) am Ende auch gleich einen Top 50-Hit in den USA abwarf. Der Erstling ist auch heute noch mein persönlicher Favorit. Das für mich das herausragende Stück ist Take a pebble. Mit dem geheimnisvollen Intro bei dem die Saiten des Steinway-Flügels mit den Fingern angerissen werden, dem Seraphim-gleichen Gesang von Greg Lake, seinem wunderbaren Gitarrenintermezzo und Emersons jazzigen Klavier-Improvisationen. Das dreiteilige Three Fates eröffnet den Reigen von Suiten-artigen Kompositionen, der uns auf praktisch allen ELP-Alben begegnet. The Knife Edge und Barbarian bezeugen Emersons Vorliebe für Klassik-Zitate.  The Knife Edge beginnt mit der Sinfonietta von Leoš Janáček und zitiert später Bachs Französische Suite in d-moll, BWV 812. Bei Barbarian musste sich freilich erst die Witwe von Béla Bartók an die Band wenden, damit ihrem Mann die Credits auf dem Cover eingeräumt wurden. Denn – wie jeder Klavierschüler sofort heraushört – wurde hier das Allegro Barbaro verarbeitet. Für eine Rockband ein dankbares Stück – weil schon das Original das Klavier als Schlagzeug behandelt. Tank schließlich ist ein Showpiece für Carl Palmer, der zu diesem motorischen Song ein längeres Schlagzeugsolo beisteuerte.

Der Anfang von Bartóks Allegro Barbaro, bei dem die rechte und linke Hand abwechselnd fis-Moll-Akkorde spielen. Wobei der erste Akkord sff – also sforzatissimo – zu spielen ist: mit plötzlicher Betonung, die nochmal gesteigert ist.

Tarkus – Blaupause für Progrock-Suiten

Das zweite Album Tarkus legte noch eine Schippe drauf: Die gesamte erste (Schallplatten)-Seite nimmt die 21-minütige Suite Tarkus ein. ELP kreierten damit ein neues „ main staple“ für das Genre ProgRock. Genesis waren mit Suppers ready  und Yes mit Close to the Edge erst ein Jahr später dran. Die Tarkus-Suite ist wirklich stark. Sie besticht auch dadurch, dass sie organisch durchkomponiert ist. Und keinen Hodgpodge musikalischer Einfälle bildet, die per copy and paste zu einer Suite zusammengeschustert wurden. Tarkus wurde ein Nummer 1-Album in Großbritannien, in den USA schaffte es das Album in die Top Ten. Da schadete es auch nichts, dass die zweite Albumhälfte merklich abfällt. Jeremy Bender“immerhin muss erwähnt werden – als erstes einer Reihe von Music Hall-Stücken, in denen der Ragtime-Spieler Emerson seinem Affen Zucker gibt. Auch auf Brain Salad Surgery gibt es so einen Kandidaten: Benny the Bouncer“– leider nicht der beste aus der Serie.

Die Tarkus-Suite handelt von einen Fabelwesen halb Panzer halb Tier.

Pictures at an Exhibition – Triumph für Musiklehrer

Im gleichen Jahr wurde auch noch das Live-Album Pictures at an Exhibition veröffentlicht – eine Rockadaption von Mussorgskys Klavierzyklus Bilder einer Ausstellung, die im März 1971 in der Newcastle City Hall mitgeschnitten worden war. Manche Rezensenten meinen, es handele sich „um eine ernst zu nehmende, zeitgemäße Interpretation dieses Werkes“ (Graves/Schmidt-Joos, Rock Lexikon Bd. 1, 1990, S. 260), andere sprachen von einer „Misshandlung“ des Werks von Mussorgsky: „Diese musikalische Museumstour landet krachend in der Sackgasse.“ (Rolling Stone Album Guide, 1992, S. 227). Es war auf alle Fälle ein weiterer Verkaufshit für die Band. Ich kenne fast niemanden, der das Album damals nicht besessen hätte. Etwas getrübt wurde die Freude nur durch einige sich progressiv gebende Musikpädagogen, die froh waren, ihren desinteressierten Schülern auf diese Weise einen Zugang zu „klassischer Musik“ eröffnen zu können. In mehreren Sitzungen wurden Original und Adaption miteinander verglichen. Wenn britische Rock-Musik es damals in den Unterricht deutscher Musiklehrer schaffte, war ihr Coolnessfaktor schwer gefährdet. Heute höre ich den fulminanten Abschluss The great gate of Kiev mit einem dicken Kloß im Hals. 

Das Live-Album Pictures at an Exhibition bietet eine rockige Bearbeitung von Mussorgskys bekanntem Klavierzyklus.

Trilogy – ELP in High Fidelity

Der direkte Vorläufer von Brain Salad Surgery  ist das Album Trilogy, das im Juli 1972 veröffentlicht wurde. Auf dem Cover die drei – gemalten – Köpfe der Band im Dreiviertelprofil. Vom Betrachter abgewandt schauen sie nach links – in der Tradition europäischer Bildinterpretation sehen sie also in die Vergangenheit. Vielleicht in einer Art Rückschau auf das Geleistete. Die angeschnittenen nackten Oberkörper verschmelzen auf dem Gemälde von Phil Grennell. Gerne hätte die Band übrigens den spanischen Surrealisten Dali verpflichtet, aber der war zu teuer. Das Innencover zeigt die Bandmitglieder per Collage vervielfältigt in einem Herbstwald. Die Sturm und Drang-Phase der Band schien vorbei zu sein. Von einem introspektiven Album möchte ich nicht sprechen, wohl aber von einem durchgestaltetem Album, das sorgfältig produziert ist und sich keine Schwachpunkte leistet. Für Greg Lake ist Trilogy der Favorit im ELP-Katalog. Er steuerte mit From the Beginning wieder eine schöne Ballade bei, die umgehend ihren Weg in die Charts fand. Die Suite heißt hier The endless enigma, deren zwei Teile von einer Fuge unterbrochen werden. Mit dem Titelstück Trilogy und Abbaddons’s Bolero sind zwei weitere Songs dabei mit einer Spielzeit von über 8 Minuten. Von allen Ausflügen Emersons in die die Welt der Music Hall ist The Sheriff sicher der stimmigste. Hoedown mag nicht die subtilste Klassik-Adaption des Trios sein, aber vielleicht die wirkungsvollste. Aaron Coplands schneller Volkstanz im 2/4-Takt stammt aus seinem Ballet Rodeo aus dem Jahr 1942. In den USA wurde der schmissige Tanz zusätzlich populär, als er von den US-amerikanischen Fleischproduzenten für TV-Werbespots eingesetzt wurde: „Beef! It’s what’s for Dinner“. Für Emerson, Lake and Palmer wurde Hoedown zu einem musikalischen Markenzeichen. Nicht von ungefähr griff Emerson bei Works 1 noch einmal auf eine Copland-Komposition zurück, die – in der Single-Version – zu einem Hit für ELP wurde: Fanfare for the common man. 

Brain Salad Surgery – Namenshilfe von Dr. John

Wo bei Tarkus mal eben ein paar schnelle Füller für die B-Seite des Albums aus dem Ärmel geschüttelt wurden, ist auf Trilogy alles genau ausgetüftelt, perfekt arrangiert und gespielt. Die Kehrseite der Medaille: die Spannung fiel gegenüber früheren ELP-Alben etwas ab. „Tatsächlich hat die Gruppe an Reife gewonnen, was sie an roher Energie verloren hat“, merkt All Music-Kritiker François Couture an. Außerdem waren die makellosen Songs in einem aufwändigen Overdub-Verfahren entstanden, bei dem die drei Musiker Schicht auf Schicht legten: „Als die 24-Spur-Technik aufkam, erweiterte sie natürlich die Möglichkeiten, und wir nutzten sie aus“, erzählt Greg Lake. „Leider mussten wir feststellen, dass es eine Qual war, Trilogy live zu spielen. Wir hatten eine Menge Probleme, weil wir so viele Overdubs gemacht hatten. Also beschlossen wir bei der nächsten Platte (Brain Salad Surgery), dass wir das nicht tun würden – wir wollten sicherstellen, dass wir alles live spielen konnten und es dann so aufnehmen.“ Greg Lake Interview

Das also war die Ausgangslage, als sich die Band daran machte ein neues Album zu produzieren. Der Arbeitstitel Whip Some Skull On Yer zeigte von Beginn an, dass es zur Sache gehen sollte. Nachdem die bisherigen Albentitel die Nachnamen der Musiker, ein Fabelwesen und einen russischen Musikzyklus aus dem 19. Jahrhundert zitiert hatten und auch die „Trilogie“ noch sehr feinsinnig daher kam – ging es jetzt um einen Slangausdruck für Fellatio. Mario Medious, Roadmanager der Band und Präsident des von ELP neu gegründeten Plattenlabels Manticore, rettete die Idee, ersetzte den Titel aber durch den ungleich griffigeren Ausdruck: Brain Salad Surgery. Den borgte er sich aus Dr. Johns Hit-Single Right Place, Wrong Time, die im Januar 1973 veröffentlich wurde. Da heißt es: „Just need a little brain salad surgery/Got to cure this insecurity“.

Aus einem alten Kino werden die Manticore Studios

Ende 1972 hatte die Band ihr eigenes Label Manticore Records gegründet. Außerdem erwarben Emerson, Lake & Palmer das ehemalige Regal/ABC-Kino, das von Associated British Cinemas 1935 im Südwesten Londons im Gebiet Fulham/Walham Green eröffnet worden war. Das mehrstöckige Filmtheater, das einst Platz für fast 2.000 Zuschauer bot und eine prächtige dreimanualige Compton Theater-Orgel besaß, wurde in ein Produktionszentrum umgestaltet mit Probe- und Aufnahmeräumen. Damit sich die Manticore Studios rechneten, wurden die Räumlichkeiten auch an andere Bands vermietet. So probten Led Zeppelin im Manticore für ihre US-Tournee 1977. Und auch Jethro Tull gingen in dem neuen Musikzentrum ein und aus. 1979 wurde hier das Video zu Roxy Musics Dance Away gedreht. Für Emerson, Lake and Palmer bedeutete der Erwerb des Kinos das Ende beständigen Ärgers mit ihren Übungsräumen, woran sich Keith Emerson seinerzeit mit Schaudern erinnerte: „Wir hatten lange nach einem Ort gesucht, an dem wir proben konnten. Wir spielten in kleinen Kirchensälen und die Nachbarn beschwerten sich, dass es zu laut sei. Ein Mann beschwerte sich sogar, dass wir Wellen im Wasser erzeugten, wenn er in der Badewanne saß. Er schickte einen örtlichen Polizisten und eine Petition herum, und das war’s, wir waren raus aus diesem Ort. Es wurde unmöglich; wir spielten in einem Hinterzimmer eines Restaurants, in dem Mäuse herumliefen und die Kabel anknabberten.“ Liner Notes In Fulham fand die Band das ersehnte Refugium und es ist ein Jammer, dass später ein Billigheimer für Jeanskleidung einzog und das ehemalige Kino 1984 abgerissen und durch ein Büro- und Geschäftshaus ersetzt wurde. cinematreasures

Brain Salad Surgery – Kollektive Inspiration

Nach dem Trilogy-Album ging die Band erstmal ausgiebig auf Tournee. Und dann wurden Ideen für ein neues Album gesucht. Die Erfahrung, dass ein so ausgefeiltes Album wie Trilogy sich nur mit Kompromissen live umsetzen ließ, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Ebenso der Wunsch, wieder etwas unmittelbarer und frischer zu klingen: „Im Gegensatz zu den ersten Alben, bei denen jeder für sich allein in seinem Zimmer saß und über Ideen nachdachte, ging es bei Brain Salad Surgery darum, ein Album aus einer kollektiven Inspiration heraus zu schaffen“. erklärte Carl Palmer: „Das war die Motivation für den Kauf dieses Kinos, in dem wir proben wollten, um zu versuchen, etwas zu machen, das sich mehr wie ein Live-Album anfühlt und nicht wie etwas Vorgefertigtes.“ Liner Notes  Wer nun glaubt, die Band hätte einfach fröhlich drauflos gejammt, irrt sich allerdings gewaltig. Die Sessions und Proben für das neue Alben waren in der Erinnerung Greg Lakes durchaus intensiv und anstrengend: „Nichts ging schnell. Das meiste davon war wirklich mühsam. Es war fast so, als würde man ein Haus Stein für Stein bauen. Und manchmal baute man eine Wand auf und riss das ganze verdammte Ding wieder ein. Es war ein mühsamer und komplizierter Prozess. Und es war kompliziert, weil wir auf der Suche waren, das ist die Wahrheit.“

Der argentinische Komponist Alberto Ginastera (1916 – 1983) auf dem Cover der lesenswerten Biographie von Volker Tarnow. Wie Heitor Villa-Lobos in Brasilien und Carlos Chávez in Mexiko schuf Ginastera eine Musik, die europäische Kunstmusik und die lateinamerikanischem  Traditionen der indigenen Musik und der Gauchomusik mischte. Ginastera kümmerte sich stark um den Aufbau des  Musiklebens in Argentinien, hatte aber Probleme mit dem langjährigen Präsidenten Juan Perón. Unter anderem weil er sich 1952 geweigert hatte, das von ihm gegründete Konservatorium in La Plata nach der früh verstorbenen Präsidentengattin Evita Perón umzubenennen. Ginastera wurde entlassen und erst nach Peróns Sturz rehabilitiert, doch bald gab es neue Konflikte mit der autoritären argentinischen Regierung, als seine Oper Bomarzo 1967 wegen ihrer drastischen Handlung verboten wurde. 1971 zog er zu seiner zweiten Frau nach Genf. 55 Kompositionen hat er hinterlassen, die in Europa leider nur noch selten aufgeführt werden.

Brain Salad Surgery – Ginasteras Toccata

Zu den ersten Stücken, die ausgearbeitet  wurden, gehören Karn Evil 9: 1st Impression und die Toccata. Beide wurden auf einer fünfwöchigen Europa-Tournee im Frühjahr  1973 schon einmal live dem Publikum vorgestellt. Und wenn Lake stöhnte, dass das meiste „wirklich mühsam“ war, dann galt das mit Sicherheit für die Toccata. Das war eine Bearbeitung des vierten Satzes des Pianokonzerts Nr. 1 (1961) des argentinischen Komponisten Alberto Evaristo Ginastera. Emerson machte Bekanntschaft mit dem Stück, als er 1969 mit The Nice bei einem vom TV übertragenen Mixed Media-Festival  in Los Angeles mit großem Orchester spielte: „Wir warteten in der Garderobe auf unseren Auftritt, als ich eine unglaubliche Musik von der Bühne herab hörte. Es war das erste Klavierkonzert von Ginastera. Danach habe ich mit dem Solisten gesprochen, weil ich das Stück sofort aufnehmen wollte.“ BSS-Archive

Zurück in England kaufte sich Emerson sofort die Noten, er sah aber keine Möglichkeit, es mit „The Nice“ umzusetzen. Und auch bei ELP brauchte es dann noch eine ganze Weile, bis Keith Emerson sich diesen Traum erfüllte:  „Wir waren bis zum Äußersten gegangen, und ich dachte, das vierte (Studio)-Album sei der richtige Zeitpunkt, um zu versuchen, sich diesem Stück Musik zu nähern. Es war für uns alle eine große Herausforderung.“ Liner Notes Erschwert wurde das Vorhaben, weil Greg Lake keine Noten lesen konnte. Carl Palmer besaß zwar Notenkenntnisse, wusste aber nicht recht, wie er die Klaviermusik auf sein Schlagzeug übertragen sollte. „Es war also wirklich so, als würden wir das Ganze Takt für Takt durchgehen. Für sie war es Musik durch Mathematik. Carl lernte es wirklich durch Zählen, und wenn man sich irgendwelche Videos von ELP anschaut, wie sie ‚Toccata‘ spielen, sieht man, wie sich seine Lippen bewegen, während er zählt: ‚1-2-3-4-5-6-7-8!'“ Liner Notes Und Carl Palmer ergänzt: „Das war eines dieser Stücke, für die man ewig proben musste. Es war sehr, sehr schwierig, der Melodie zu folgen. Es war ein Musikstück, das wir alle sofort mochten, es war etwas, das definitiv zu der Band passte.“ BSS-Archive

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Diabolisch! – Ginastera gibt grünes Licht

Als sie dann eine Aufnahme der Toccata im Kasten hatten, von der alle glaubten, sie sei wirklich gut gelungen, tauchte ein weiteres Problem auf: Die Band hatte es versäumt, sich rechtzeitig um die Lizenzfrage zu kümmern. Und Ginasteras Verleger Boosey and Hawkes wollten die Erlaubnis für die Bearbeitung nicht geben. Sie rückten aber immerhin Ginasteras Telefonnummer in der Schweiz heraus. Emerson erkannte, dass seine einzige Chance darin bestand, den Komponisten selbst zu überzeugen. Er bekam tatsächlich eine Einladung nach Genf, wo Ginastera wohnte. Die Verständigung war etwas mühselig, weil Ginastera kein englisch sprach. Seine Frau musste alles übersetzen. Schließlich beendete Ginastera die schleppende Konversation: „…bitte, spielen Sie einfach das Band ab!“ Während Keith Emerson vermutlich unruhig auf seinem Stuhl herumrutschte und auf irgendeine Reaktion des Meisters lauerte, hörte sich Ginastera die Version seelenruhig bis zum Ende an. Dann wandte er sich erstaunt an seine Frau. „‚Diabolisch!!‘, rief er aus“, erinnert sich Keith Emerson an diesen schicksalhaften Moment. Emerson war zunächst erschrocken: „Ich dachte, er hasst es oder hält mich für den Teufel oder so. Aber dann lächelte er. Seine Frau drehte sich zu mir um und sagte: ‚Alberto sagt, du hast eine sehr talentierte Band und ihm gefällt deine Version sehr gut. Er sagt, so sollte seine Musik klingen, und er wird sich morgen mit seinen Verlegern in Verbindung setzen, um Ihnen die Erlaubnis zur Veröffentlichung zu erteilen. Niemand war bisher in der Lage, seine Musik auf diese Weise zu interpretieren!‘ BSS-Archive

Auf dem Cover von Brain Salad Surgery findet sich ein Zitat Ginasteras, auf das Emerson und seine Mitspieler sicher stolz waren: „Keith Emerson hat die Stimmung meines Stücks wunderbar eingefangen.“

Brain Salad Surgery – Carl Palmers Drumsynthesizer

Als Emerson mit Ginasteras Segen nach England zurückkehrte, hatte Carl Palmer auch noch eine Überraschung für ihn parat – ein Schlagzeugsolo. Nicht so ein Alibi-Solo am Ende des Stücks, sondern an prominenter Stelle – mittendrin. „Auf Toccata haben wir das allererste elektronische Schlagzeug verwendet“, berichtet Carl Palmer. „Viele Leute dachten, diese Klänge kämen von den Keyboards, aber das ist das Schlagzeug, nicht die Keyboards. All diese seltsamen und wunderbaren atmosphärischen, avantgardistischen Klänge, die man hört, wurden durch das Schlagzeug ausgelöst.“ BSS-Archive Damals gab es noch keine Simmons Drums oder andere Drum-Synthesizer. Die Band engagierte Nick Rose von der University of Electronics in London. Der hatte die Idee ein zusätzliches Mikrofon in der Trommel zu platzieren, dass einen kleinen Synthesizer triggerte: „Es gab acht kleine ‚Zigarrenkisten‘-Synthesizer, die vorprogrammiert waren; man konnte den Klang nicht wirklich verändern, außer mit einem Oktavteilerschalter, den ich auf dem Boden hatte.“ Liner Notes  Die Apparatur war insgesamt sehr fehleranfällig, trotzdem ist Carl Palmer stolz auf seine frühen E-Drums: „Das war nur ein Weg, um mein Instrument voranzubringen. Ich habe sie immer nur bei diesem einen Musikstück verwendet. Und genau darum ging es: total experimentell zu sein und mit Technologie umzugehen.“ BSS-Archive

Brain Salad Surgery – Carl Palmers Drum-Set

Carl Palmer, zu dessen Vorbildern Elvin Jones, Gene Krupa, Buddy Rich und Joe Morello zählen, hat lange Zeit auf Ludwig Drums geschworen: „Vom Tag 1 an habe ich Holztrommeln von Ludwig gespielt, aber dann haben sie mit der Vistalites-Serie begonnen. Sie waren ziemlich scharf darauf, dass ich sie spielte und ich war anfangs auch sehr happy damit. Aber als sie mit der Regenbogenserie begannen, stimmte die Qualität nicht mehr. Und deshalb beschloss ich, Ludwig zu verlassen und stieg auf diese Spezialfertigung aus rostfreiem Stahl um. Aber die alten Vistalites mag ich immer noch gerne.“ Modern Drummer

Für die Aufnahmen von Brain Salad Surgery verwendete Palmer noch ein Vistalites-Set von Ludwig. Die Besonderheit: Der Trommelmantel ist aus Acryl. Die Becken stammten von Paistes, wie auch zwei große symphonische Gongs, die Palmer von einem Kunstlehrer in Fulham mit japanischen Drachenmotiven verzieren ließ. Zwei Orchesterpauken lieferte Ludwig, dazu kamen noch eine Kirchenglocke, Tubular Bells, eine überdimensionierte Triangel und Unmengen an Percussion.

Rostfreier Stahl mit Jagdgravuren

Für die Tour stand dann bereits das Spezialset zu Verfügung, das ein britischer Stahlhersteller für Carl Palmer anfertigte. Das ganze Projekt hatte selbstverständlich rein klangliche Gründe: „Bei Edelstahl hat das Schlagzeug für mich persönlich einen viel besseren Klang. Die Trommeln haben mehr obere Frequenzen. Ich habe sie recht straff gestimmt, im Gegensatz zu den schweren Rock’n’Roll-Drummern, die auf einen fetten, schlaffen Sound setzen.“  Sounds 1974 Das komplette Set, einschließlich Becken- und anderer Halterungen und allen Mikrofone ließ Carl Palmer nach streng medizinisch-ergonomischen Gesichtspunkten an einem massiven Rack aus gebogenem Stahlrohr montieren.  In die Kessel aus rostfreiem Stahl ließ Palmer Jagdmotive mit Reitern, Füchsen und anderen Tieren eingravieren: „Die Idee für die Gravuren stammt von einem Jagdgewehr, das ich eines Tages sah und ich dachte, das würde das Ganze noch persönlicher machen. Die eigentlichen Zeichnungen habe ich einem Graveur überlassen. Er hat sie zuerst gezeichnet und wir haben sie dann gemeinsam überarbeitet. Das verleiht dem Ganzen einen Hauch von Qualität. Es ist sehr bizarr und sehr extravagant, aber das ist etwas, das ich schon immer wollte.“  Sounds 1974

Das Drum-Set in seiner ganzen Pracht wurde dann noch zusätzlich auf eine Drehbühne montiert, inklusive Licht- und Stroboskopeffekten. Den Zuschauern wurde für ihr Geld damals wirklich etwas geboten.

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 Brain Salad Surgery – Karn Evil 9

Obwohl die Toccata der eigentliche Star auf Brain Salad Surgery ist, darf Karn Evil 9 für sich beanspruchen, die Tradition der großen ELP-Suiten fortzusetzen: „‚Karn Evil 9‘ war eine logische Erweiterung von ‚Tarkus‘, dem ersten ELP-‚Epos'“ erklärte Keith Emerson. „Aber während ich mich bei ‚Tarkus‘ mit Quarten und Quinten beschäftigte, ging es bei ‚Karn Evil 9‘ um Kontrapunkt, was für mich schon immer ein faszinierendes Mittel war, um darin zu schreiben. Der Anfang von ‚Karn Evil 9‘ ist Kontrapunkt – aber dann habe ich aufgegeben!“ Liner Notes  Warum müssen sich die Leute das Leben eigentlich künstlich schwer machen? Und so wie Tony Banks von Michael Rutherford und Phil Collins manchmal auf den Boden zurückgeholt wurde, wenn er partout noch eine ungewöhnliche Akkordwendung einbringen wollte, so konnte auch Keith Emerson von Glück sagen, dass sein Bassist und sein Schlagzeuger musikalisch etwas stärker geerdet waren. Wenn er mit seinem Kontrapunkt herumwedelte, bekam er prompt zu hören: „Das ist sehr clever – jetzt lasst uns mit dem Song weitermachen!“

Inhaltlich war das Konzept – wie bei vielen ELP-Stücken – ohnehin etwas verschroben. Greg Lake hatte einen alten Kumpel aus King Crimson-Zeiten – Pete Sinfield – an Bord geholt, der bei den Lyrics ein bisschen aushelfen sollte. Der redete Emerson die Idee aus,  das Stück nach einem imaginären Planeten der Sünde und Dekadenz Ganton 9 zu benennen. Das wäre ein bisschen absurd, argumentierte Sinfield, weil es eine Ganton Street in Soho gäbe. Im Übrigen würde diese Musik für ihn sehr fröhlich klingen, fast wie Karneval. Entsprechend abgefahren waren Sinfield Lyrics: „Soon the Gypsy Queen in a glaze of Vaseline, will perform on guillotine, what a scene!“ Er hätte das so geschrieben, sagte Sinfield „weil sich Vaseline so schön auf Queen reimt. Greg fand das amüsant. er hat es gerne gesungen.“ BSS-Archive  Ein bisschen sollte das Böse im Titel aber doch noch anklingen. Und so entstand der Name Karn Evil 9. Ob diese Musik wirklich so karnevalesk klingt? Nun, auf alle Fälle enthält sie eine der bekanntesten Liedzeilen von ELP: „Welcome back, my friends, to the show that never ends…“  

Der Minimoog wurde auf Brain Salad Surgery tatsächlich nur für den Klang gestimmter Ölfässer eingesetzt.

Die Computer übernehmen die Macht

Für den ambitionierten Piano-Part von  Karn Evil 9: 2nd Impression kramte Emerson Skizzen hervor, die eigentlich für ein Piano-Konzert gedacht waren und die er nun anpasste: „Dieses Klavierstück drückt die Unruhe unserer Zeit und die Geschwindigkeit des Wandels aus“, erklärt Emerson.  Und dann weht plötzlich eine warme Brise aus der Karibik herüber, eine Ahnung von Palmen, Sonne und Unbeschwertheit: „Das ‚karibische Solo‘ der 2. Impression wurde auf einem Minimoog gespielt  – eine Interpretation des Songs ‚St. Thomas‘ von Sonny Rollins. Ich war im Urlaub in Trinidad und hatte diesen verrückten Sound gestimmter Ölfässer.“ BSS-Archive

In Karn Evil 9: Third impression hatte der Moog Lyra seinen großen Auftritt: „Der erste Synthesizer von Moog mit berührungsempfindlicher Tastatur“, erläutert Keith Emerson: „Ich habe einen ziemlich beeindruckenden Trompetensound hinbekommen“. BSS-Archive  Pete Sinfield gab dem dritten Teil der Suite, die auf das Zwischenspiel mit Klavier und Percussion folgt,  einen besonderen Twist: „Ich hatte diese Idee eines Computerthemas, das ursprünglich nicht vorhanden war. Keith schrieb den Rest der Musik um diese Idee herum, so weit ich mich erinnere. Er hatte ein paar Musikstücke, und so kam ich auf die Idee mit dem Menschen und dem, was er erfunden hat, und wie es ihn ironischerweise unterwirft.“ Liner Notes  Zugegeben – ganz neu war diese Idee seit Kubricks 2001 nicht mehr, wo der bösartige Supercomputer HAL die Mannschaft des Raumschiffs terrorisiert. HAL war natürlich eine Anspielung auf das seinerzeit allmächtige IT-Unternehmen IBM. Sinfield hatte, bevor er Songwriter wurde, ein paar Jahre mit Computern gearbeitet – IBM-Großrechnern vom Typ System/360, die eine starke Faszination auf ihn ausübten. Und eine Zeile wie „load your program, I am yourself“ hat schon etwas – könnte aus einer Folge von „Black Mirror“ stammen.

Auch musikalisch ist das Ganze in Karn Evil 9: 3rd impression schlüssig umgesetzt: mit Emersons über den Moog Ringmodulator elektronisch verzerrten Stimme und einem Sequenzerpattern mit 24 Schritten, das immer schneller und schneller wird – bis das Album endet. Live verließ die Band an dieser Stelle die Bühne, das riesige Moogsystem spielte weiter, wurde dabei Richtung Publikum eingedreht und schien schließlich zu explodieren – ELP hatten eine ähnliche Begeisterung für pyrotechnische Effekte wie heute Rammstein. Emerson fand das amüsant und gleichzeitig eine klare Ansage an den Ende der 70er Jahre aufkommenden Punk: „Es war, als würde ich sagen: ‚Das ist Computertechnologie und sie übernimmt die Macht. Man muss verstehen, dass Johnny Rotten, als das herauskam, sich das ansah und sagte: ‚Das ist etwas, bei dem wir nicht mitmachen wollen!‘ Liner Notes

Keith Emerson (rechts) im Jahr 2014 bei der Firma Moog, die damals sein berühmtes Modular System rekonstruierten.

Emersons Moog-Synthesizer

An dieser Stelle bietet es sich an, ein paar Worte über die Keyboards zu verlieren, die Keith Emerson auf Brain Salad Surgery eingesetzt hat. Neben der Hammond C3, Steinway-Flügel, Cembalo und einem Akkordeon sind hier vor allem diverse Moog-Synthesizer zu erwähnen: Nach der denkwürdigen Nacht in der Londoner Festival Hall stand für Emerson fest, dass er so ein Teil haben musste. Also schrieb er hoffnungsfroh an die Firma Moog und fragte, ob er nicht einen umsonst haben könnte – schließlich sei er doch ein Super-Endorser. „Ich bekam einen sehr netten Brief von Walter Sear, dem damaligen Moog-Vertreter an der Ostküste, zurück. Er sagte mir, da die Beatles ihren Moog und die Rolling Stones ihren gekauft hätten, könne er keinen Grund sehen, warum ich meinen nicht kaufen sollte. Also tat ich es.“ Sound on Sound

Als der Moog in einer Kiste geliefert wurde, waren keinerlei keine Unterlagen dabei. Und vor Keith Emerson lag eine steile Lernkurve. Mike Vickers, bei dem sich Emerson den Moog damals ausgeliehen hatte, zeigte ihm ein paar Grundlagen. Vickers hatte bereits die Beatles beraten, als sie den Moog auf  Abbey Road einsetzten. Emersons ursprüngliches Gerät trug die Bezeichnung 1CA (Leadsynthesizer), kostete 4.000 Dollar und hatte laut Bob Moog eine Besonderheit: Es besaß „Presets“. „Es handelte sich um eine Konsole mit hölzernen Seitenteilen, einer Presetbox, einem Keyboard und einem Ribbon Controller. Seither ist das System immer weiter gewachsen.“ Contemporary Keyboard  Natürlich funktionierten die „Presets“ nicht wie später etwa bei einem Prophet 5. Ein Knopfdruck und der Sound ist da. Aber einige grundsätzliche Dinge konnten doch voreingestellt werden. Auf der Rückseite der Konsole waren Schieberegler, mit denen sich das gewünschte Preset einstellen ließ. So ließen sich die Frequenzen von drei Oszillatoren mit Steuerspannungen einstellen, zum Beispiel der leicht verstimmte Quintensound von Hoedown und Aquatarkus. Dagegen musste Emerson, wenn von einem Sinus auf eine Rechteckschwingung wechseln wollte, ein Kabel umstecken.  Die Cutoff-Frequenz des Filters wiederum war vorwählbar. Die Hüllkurvengeneratoren werden durch den Austausch von Widerständen voreingestellt. Zusätzlich gab es vier Mischer mit spannungsgesteuerten Abschwächern. „Auf der Vorderseite befinden sich Kippschalter mit drei Positionen, mit denen die Oktaven umgeschaltet werden können, und die eigentliche Stimmung des Oszillators befindet sich auf der Vorderseite jedes Mischers“, hat Bob Moog ausgeführt.“ Auf diese Weise kann das Instrument vor Beginn des Konzerts feinabgestimmt werden. Keith konnte auf insgesamt 14 Presets zurückgreifen“. Contemporary Keyboard Dafür gab es 14 rote Knöpfe auf der Preset-Einheit selbst. Für Keith Emerson gab es aber zusätzlich eine Fernbedienung, die auf der Hammond C-3 saß und steuerte, welches Preset tatsächlich aktiviert wurde.

Detailansicht der Rekreation von Keith Emersons großem Modularsystem. Gut sind die beiden Sequenzer mit jeweils 24 Schritten zu erkennen.

The Beast

Emersons erster Moog, den man zur Not noch unter den Arm hätte klemmen können, wuchs mit der Zeit zu einem Monstrum von knapp 2 Zentnern an. Er besaß zwei Sequenzer, zusätzliche Oszillatoren, Filter, Verstärker, Hüllkurvengeneratoren und LFOs. „Es wurde so groß, dass ich es nicht einmal mehr erreichen konnte, um das verdammte Ding zu stimmen!“, erzählte Emerson damals mitleidsheischend. Electronic & Music Maker 1983 Wer’s glaubt. Tatsächlich fand er es super, dass das Moogsystem ihn selbst inzwischen überragte und hübsch eindrucksvoll aussah.  Theoretisch hätte Emerson mit wesentlich weniger Modulen seine Sounds produzieren können – aber eben nicht live. Das System arbeitete jetzt nicht mehr als „ein“ Synthesizer, sondern als Verbund von Modulen, die gepatcht waren, um auf der Bühne schnell von Aquatarkus auf – sagen wir – The endless enigma umstellen zu können. Dafür wurden eigens Schalter hinzugefügt, um die Audio- und Steuersignale neuer Modulkonstellationen in das 1CA-Panel einzuspeisen, das auch nach Erweiterung des Systems einen Großteil des primären Signalpfads darstellte.

Wie wir wissen, arbeiteten Emerson und Bob Moog und seine Ingenieure sehr eng zusammen. Das IIIC Moog-Modularsystem, dass da im Laufe der Jahre immer mehr anwuchs, war im hohen Maße „customized“ – also auf Emersons spezielle Anforderungen hin zugeschnitten und ergänzt.  So kam unter anderem auch eine Sample and Hold-Einheit dazu – sehr zu schön zu hören bei der zufälligen Filtersteuerung zu Beginn von Karn Evil 9: First impression, Part 2. Es gab einen Vibrato-Schalter, der kein Original-Feature von Moog war. Das Modul beinhaltete einen zusätzlichen Oszillator, Verstärker und Hüllkurvengenerator, mit dem Emerson ein verzögertes Vibrato einsetzen konnte. Eine Tuning-Einheit versetzte Emersons Keyboard-Roadies in die Lage, die Oszillatoren neu zu stimmen. Und dann war da natürlich noch der Sequenzer, für den ein Tastenlöwe wie Emerson aber nicht viel Verwendung hatte:  „Den Sequenzer habe ich im Grunde nur als Gimmick für Brain Salad Surgery benutzt. Er war so programmiert, dass er diese Notenwechsel durchlief und die Geschwindigkeit erhöhte, bis er explodierte.“ Electronic & Music Maker 1983 Der zweite Sequenzer wurde unter anderem auch noch für den Effekt einer  Maschinengewehr-Salve genutzt, die Emerson über den Ribbon Controller auslösen konnte.

Emersons Modularsystem (hier die Nachschöpfung von 2014) türmte sich auf wie ein Wolkenkratzer.

Moog „customized“ – Pyrotechnik inklusive

Auch dieser Ribbon Controller wurde modifiziert, so dass er  live auch für verschiedene theatralische Effekte genutzt werden konnte. Manchmal gingen die Pyrospielchen aber auch nach hinten los. Während eines Konzertes in San Francisco explodierte er förmlich. Eine Zeitlang stand Emerson benommen neben dem rauchenden Instrument: „Dann ging ich zurück und sagte durch das Mikrofon: ‚Ich habe mir gerade den Daumennagel weggeblasen!‘ Überall war Blut, und mein Roadie konnte mir nur einen Eimer Wasser neben das Keyboard stellen, in den ich meinen Daumen tauchen konnte. Es war sehr unangenehm und ich war am Ende ganz grün im Gesicht. Wir sind Briten, weißt du!“

Gordon Reid hat in seinem Sound on Sound-Artikel über die Wiedergeburt von Emersons Modularsystem durch die Firma Moog 2014 darauf hingewiesen, dass das Moog 905 Federhallmodul einen wesentlichen Anteil am typischen Emerson-Sound hat:“Je mehr ich den Synthesizer gespielt habe, desto mehr wurde mir klar, wie viel von seinem Charakter von diesem Modul herrührt, und zwar in einem Maße, dass er nicht mehr dasselbe Instrument wäre, wenn man es wegnehmen würde. Sicher, man kann dem Voyager XL (oder auch jedem anderen Instrument) einen geeigneten Hall hinzufügen, aber er klingt einfach nicht mehr so wie früher.“ Nachteil des Federhalls war freilich ein relativ hohes Rauschen, was damals aber einfach noch nicht so stark ins Gewicht fiel.

Das Moog Constellation System, bestehend aus dem Polysynthesier Apollo, dem Leadsynthesizer Lyra und dem Bass-Synthesizer Taurus. Für den Taurus hatte Emerson keine Verwendung, weil er nicht mit Greg Lakes Basspiel sich ins Gehege kommen wollte.

Moog Constellation – Drei Synthesizer im Verbund

Als Emerson, Lake and Palmer an Brain Salad Surgery arbeiteten, entwickelte Moog gerade ein neues System, das „Constellation“ hieß. Es handelte sich um den Apollo, der eine 48-Tasten-Tastatur bei voller Polyphonie besaß. Im Prinzip eine schöne Sache – aber leider verfügte der Apollo nur über einen Oszillator. Ergänzt wurde das System durch den Bass-Synthesizer „Taurus“ und eine Art Super-Minimoog – den Lyra. Er hatte drei Oszillatoren, einen zusätzlichen LFO und als besonderes Schmankerl eine druckempfindliche Tastatur. Die Modulationsmöglichkeiten waren reichhaltig, außerdem konnte der dritte Oszillator mit dem ersten Oszillator synchronisiert werden. „Das Ensemble bestand also eigentlich aus drei Geräten, die als eine Einheit auf einem rollenden Ständer zusammengebaut waren“, erzählt Keith Emerson. „Ich habe Benny the Bouncer und Jerusalem darauf gespielt und es auch in Third Impression für die Bläserlinien verwendet.“  BSS-Archiv

Der Moog Apollo war der Vorläufer des hier abgebildeten Polymoogs.

Moog Apollo – Vorläufer des Polymoog

Das „Constellation“-System sollte nie in Serie gehen. Der Taurus wurde für sich ein Erfolg, bestimmte Features des Monosynthesizers Lyra – wie etwa der Aftertouch  – finden sich beim Multi- und Micromoog wieder. Doch der „Apollo“ war kein strahlender Sonnengott, sondern ein weniger als halbgares Instrument. Auch wenn Keith Emerson den Synthesizer auf Brain Salad Surgery eingesetzt hat. Er hatte anschließend jede Menge guter Tipps für Dave Luce, der für die Entwicklung des Apollo verantwortlich zeichnete: Einen zweiten Oszillator, einen größeren Tastaturumfang, eine veränderte Anordnung einiger Bedienelemente. „Als Nächstes erwarte ich das Endergebnis zu sehen. Aber das nächste, was ich weiß, ist, dass sie es zu Patrick Moraz in die Schweiz geschickt haben. Nun, ich war ein bisschen verärgert. Nachdem ich es bei den Aufnahmen benutzt und bei der Entwicklung der Ideen für das Instrument, das auf den Markt kam, geholfen hatte, fühlte ich mich involviert, und es war ein kleiner Schock, als es in eine andere Richtung ging. Also habe ich eine Zeit lang mehr oder weniger gesagt: ‚Ihr könnt mich mal‘.“  (BSS-Archiv) Auch in einer guten Arbeitsbeziehung gibt es mal eine Krise. Das legte sich wieder, aber Keith Emerson konnte zum Polymoog – das war der bunte Schmetterling, der am Ende schlüpfte – nie eine besonders positive Beziehung aufbauen.

And did those feet in ancient time/ Walk upon England’s mountains green?/ And was the holy Lamb of God/ On England’s pleasant pastures seen? Die Hymne „Jerusalem“gehört zu England wie die Horse Guard von White Hall. Und deshalb haben Konservative damals ELP ihre Adaption verübelt. (Foto: Costello)

Jerusalem – eine Hymne als Eröffnungsstück

Jerusalem ist das Eröffnungsstück von Brain Salad Surgery. „Eine Hymne, die jeder in der Schule gesungen hat und die am Ende jedes Promenadenkonzerts in der Royal Albert Hall in England gespielt wird“, erzählte Keith Emerson. Ursprünglich wollte er das Stück schon mit „The Nice“ realisieren: „Aber das rhythmische Element kam nie zufriedenstellend zusammen. Sowohl Greg als auch ich mögen den Song sehr.“ Liner Notes Greg Lake erlaubte sich allerdings, die in England gleich nach God save the Queen rangierenden Zeilen des Dichtes William Blake zu kritisieren: „Der Text ist sehr fade, bis auf eine Zeile: ‚Bring me my bow of burning gold/Bring me my arrows of desire‘. Der Rest des Liedes war nur Geschwafel. Aber als es zu dieser Zeile kam, war es ein Moment, für den man den Song singen musste.“ Liner Notes Vielleicht hatten die etwas despektierlichen Worte Lakes bei einigen BBC-Leuten die Runde gemacht, jedenfalls wurde die Singleauskoppelung nicht zu dem erhofften Hit. Die BBC weigerte sich, den Song zu spielen.  „Ich konnte nicht glauben, wie engstirnig das englische Komitee es handhabte diese Dinge ins Radio zu bringen oder aus dem Radio zu nehmen“, echauffiert sich Greg Lake. „Sie haben sich den Song offensichtlich nicht einmal angehört. Sie sagten, nein, es sei eine Hymne, und wir hätten es falsch interpretiert.“ Liner Notes

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Music Hall-Klamauk: Benny the Bouncer

Wenn es ein Stück gibt, das auf Brain Salad Surgery als entbehrlich gilt, ist es Benny The Bouncer. Auf rate your music schreibt sich ein Fan seinen ganzen Abscheu von der Seele. „Der einzige wirkliche Reinfall ist das völlig grauenvolle ‚Benny The Bouncer‘ mit einem lächerlichen Versuch von Lake, im Stil der Cockney Music Hall zu singen, und einigen der schlechtesten Synthesizer-Sounds, die dank Emerson auf Vinyl gebannt wurden.“ Im Vergleich zu früheren Honky-Tonkern wie The Sheriff oder Jeremy Bender, die in eine ähnliche Kerbe schlagen, fällt das Stück tatsächlich stark ab. Trotzdem hatten diese Songs ihre Berechtigung auf den ELP-Alben, wie Pete Sinfield, der den Songtext dazu geschrieben hat, richtig anmerkte: „‚Benny the Bouncer‘ ist wie ein Vaudeville-Song. Diese Art von Liedern waren fast eine Entschuldigung für den Rest des Bombastes, die große Wir-wollen-größer-und-schneller-und-besser-als-alle-anderen-sein-Stimmung. Das, zusammen mit Gregs Folksongs, glich das irgendwie aus.“ Liner Notes

Die Ballade: „Still … You Turn Me On“

Und weil es gerade schon erwähnt wurde: Auch Brain Salad Surgery bietet bei aller Kälte und Elektronik eine emotionale Verschnaufpause – in Form einer Ballade aus der Feder Greg Lakes: Still … You Turn Me On. Diese Balladen wurden fast automatisch zu Hits, was aber die Band vor ein Dilemma stellte, wie Carl Palmer ausführt: „Wir hatten Erfolg durch Gregs Balladen. Ohne sie hätten wir wahrscheinlich nicht so viele Platten verkauft, wie wir es getan haben. Das Problem war, wenn wir etwas hatten, das ein kommerzieller Hit war, war es nicht düster. Die Leute warteten immer auf das nächste ‚C’est La Vie‘, ‚Lucky Man‘, ‚Still … Your Turn Me On‘ oder ‚From the Beginning‘.“ Liner Notes

Eine moderne Gibson SJ-200, eine Nachfolgerin des Modell J-200, das Greg Lake spielte.

Greg Lake gibt freimütig zu: „Als Gitarrist ist man bei ELP eigentlich ein bisschen auf verlorenem Posten. Sie ist ein Alibi-Instrument, das für eine Abwechslung im Sound genutzt wird.“ (innerviews)    Für die Balladen nutzte Palmer meist die Gibson J-200, von der er sagt, sie sei eine „fantastische Allround-Gitarre für Rocksänger, die von Elvis bis zu mir erfolgreich eingesetzt wurde.“ Als 12-saitige Gitarre verwendete Lake eine Taylor W65.  Für Still … You Turn Me On verwendete er allerdings ein Modell des britischen Gitarrenbauers Tony Zemaitis: „Meine bevorzugte 12-saitige Gitarre ist meine Custom Zemaitis, aber ich nehme sie nicht mit auf Reisen, weil ich Angst habe, dass sie beschädigt wird“, erzählt Greg Lake 2011 in einem Interview mir Anil Prasad. „Es ist eine sehr große, sehr dünne Gitarre mit einer schmalen Korpushöhlung und einem großen Schallloch. Sie hat eine schöne, cembaloähnliche Qualität, die ich liebe.“ (innerviews)

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Greg Lake – E-Gitarren und Bässe

Lake genoss es natürlich, ab und an bei ELP mal zur Gitarre greifen zu können: „Ich bin sowohl Bassist als auch Gitarrist. Viele der wirklich guten Bassisten spielen auch Gitarre. McCartney und Sting zum Beispiel spielen beide Gitarre, und ich bin natürlich damit aufgewachsen. Aber weil King Crimson keine zwei Gitarristen brauchte, habe ich den Bass übernommen.“ Greg Lake Biography An elektrischen Gitarren verwendete Lake damals vor allem eine Gibson Les Paul Custom, aber auch eine elektrische Zemaitis, besonders auffällig war eine Doubleneck-Zemaitis, die Greg Lake aber wegen des großen Gewichts nicht lange behielt. Bei den Bässen war er damals noch Fender treu, dem Precision Bass, aber auch dem Jazz Bass, der etwas heller und  definierter klingt. Auf der Tournee sieht man Greg Lake auch mit einem achtsaitigen Alembic Scorpion Bass. Greg Lake suchte bei seinem Bass-Spiel lange nach einem eigenen Sound und einer eigenen Spielweise – die auch seine Erfahrungen als Gitarrist widerspiegelten. Bekannt ist Lake für seinen klaren Hifi-Bass-Sound: „Ich war frustriert von dem normalen, dumpfen Klang der Bassgitarren zu dieser Zeit und suchte nach einem ausdrucksstärkeren Sound. Ich entdeckte, dass der Schlüssel dazu in der Verwendung von drahtumsponnenen Basssaiten lag, die viel mehr Sustain haben, ähnlich wie die tiefen Töne eines Steinway-Flügels. Ich glaube, ich war der erste Bassist, der sie wirklich auf diese Weise einsetzte.“ Greg Lake Biography

Ein moderner Fender Jazz-Bass

Die Freuden des Produzenten

Greg Lake fand sich damals übrigens in einer Doppelrolle wieder: Als Bandmitglied und als Produzent von Emerson, Lake and Palmer. Was nicht immer konfliktfrei war: „Da ich die Platten produzierte, war ich so stark in die Musik involviert, dass ich viel davon bearbeitete… was nicht immer gut mit Keith zusammenpasste. Letztendlich habe ich wohl mehr gute als schlechte Entscheidungen getroffen.“ Greg Lake Interview

Speziell die Toccata stellte ihn vor große Herausforderungen, denn Ginastera hatte das Stück für ein Orchester geschrieben. Und nun galt es, das herunterzubrechen auf ein dreiköpfiges Ensemble: „Man kann so lange aufnehmen und Overdubs machen, bis man ein hundertköpfiges Orchester hat, aber dann stellt sich die Frage: ‚Wie machen wir das live?‘ Man versucht also, ein Arrangement zu finden, bei dem drei Leute eine Symphonie oder ein klassisches Musikstück live aufführen können. Das ist das Arrangement, mit dem man am Ende dasteht.“ Liner Notes

Die Aufnahmen: Olympic Studios

Die Studioaufnahmen zu Brain Salad Surgery begannen im Juni 1973 in den Olympic Studios im Londoner Stadtteil Barnes. Procol Harum, hatten dort ihren Megahit A Whiter Shade of Pale aufgenommen. 1970 entstand hier die Aufnahme des Rock Musicals Jesus Christ Superstar. Später sollten A Night at the Opera von Queen und Physical Graffiti von Led Zeppelin folgen. In diesen Sommertagen 1973 spielten Emerson, Lake and Palmer  dort Karn Evil 9: First Impression ein. Toningenieur war Chris Kimsey. Der Auftakt gelang auch deshalb so gut, erinnert sich Carl Palmer, weil die Band das Stück kurz zuvor auf der Hauptbühne ihres umgebauten Kinos geprobt hatten. Diese war meist an andere Bands vermietet, als es einmal nicht genutzt wurde, ergriff die Band die Gunst der Stunde:  „Wir hatten es etwa eine Woche lang oben in einem kleineren Raum gespielt; aus heiterem Himmel beschlossen wir, die Ausrüstung nach unten zu bringen und dieses Stück dort zu spielen. Auf der großen Bühne ging es einfach ab!“ Liner Notes Und Greg Lake ergänzt: „Proben, aufführen, proben, aufführen. Und weil es live war, fühlte es sich an,  als ob wir uns an ein Publikum wenden würden. Und so kamen wir auf diese Zeile: „Welcome Back My Friends to the Show that Never Ends.“  Es war fast so, als würden wir zum Publikum sprechen. (Greg Lake Interview)

Die Aufnahmen: Advision

Im August zog die Band in den zentral gelegenen Londoner Bezirk Fitzrovia um. Im Advision Studio war die Band gut bekannt, hatte sie hier doch bereits Tarkus und Trilogy produziert. Advision war ursprünglich für die Aufnahme von Jingles und Voice-Overs gedacht, hat sich aber recht bald zu einem unabhängigen Studio entwickelt, in dem einige der wichtigsten Pop- und Rockproduktionen der 60er, 70er und 80er Jahre stattfanden. Von den Animals und Julie Driscoll über David Bowie, Elton John, Yes, Rush, Kate Bush, Peter Gabriel bis zu OMD und den Pet Shop Boys – aber auch die Buzzcocks waren im Advision. In den 80er Jahren verfügte das Advision über Fairlight und Synclavier. Nun, im Jahr 1973 ging es noch etwas bescheidener zu.

Immerhin hatte das Advision Studio eine Scully-Bandmaschine mit 24 Spuren und variabler Geschwindigkeitskontrolle angeschafft, dazu ein zweispuriges Mastering-Deck – ebenfalls von Scully. Eine Werbeanzeige des Studios aus dem Jahr 1971 nennt als besondere Features Dolby A Rauschunterdrückung und EMT Plattenhall. Im Abmischraum stand ein Neve-Pult. Die Kompressoren stammen von Pye und Audio Design. Die Firma Pye saß in Cambridge. Ihr 4600 Kompressor/Limiter „war ein wesentlicher Bestandteil des britischen Sounds der klassischen Rock-Ära“. vintageking Die Kompressoren/Limiter von Pye wurden auch in den Londoner Olympic Studios eingesetzt, wo ELP ihre Aufnahmen zu Brain Salad Surgery begonnen hatten. Der Pye-Sound prägte Produktionen wie Beggars Banquet und Let It Bleed von den Rolling Stones, die frühen Aufnahmen von Jimi Hendrix und das Debütalbum von Led Zeppelin. Anfang der 70er wurde noch auf  selbstgebauten Monitoren mit JBL-Komponenten abgehört. Sie sollen Schwächen im Bassbereich besessen haben, was beim Abmischen berücksichtigt werden musste. Ob diese Boxen 1973 noch im Einsatz waren, entzieht sich meiner Kenntnis.

Brain Salad Surgery – Die Tricks bei der Aufnahme

Im Advision Studio wurde der Rest des Albums aufgenommen, beginnend mit den beiden anderen Teile der Suite – 2nd Impression und 3rd Impression. Keith Emerson lieferte die Computerstimme, die ’negative‘, ‚primitive‘, ‚limited‘, ‚I let You live‘ sagt, bevor sie zwei Fragen stellt: ‚what else could I do?‘ und schließlich ‚I’m perfect. are You?‘. Die Verfremdung wurde erzielt, indem Emersons Stimme über den Ringmodulator des Moog-Systems lief.

Während die Toccata einfach schwer zu spielen war und den Bandmitgliedern volle Konzentration abverlangte, gestaltete sich bei Jerusalem die Produktion besonders aufwändig, wie sich Greg Lake erinnert: „Als wir es abgemischt haben, haben wir es zweimal in zwei fast 18-stündigen Sessions abgemischt, also mit anderen Worten, wir haben den besten Teil von fast 36 Stunden damit verbracht, es zu mischen, und ich versichere Ihnen, ich habe jede Art von Echo ausprobiert, die es gibt, und jede Art von verzögertem Echo auf dem ganzen Track, und bin es unglaublich oft durchgegangen.“ BSS-Archiv Auch wenn die Band sich bemühte, durch Overdubs keine neuen musikalischen Linien einzuführen, die live nicht reproduzierbar gewesen wären, wurden einzelne Instrumente sehr wohl gedoppelt: „Der schreiende Chorus-Effekt auf der Orgel wurde doppelt aufgezeichnet und die zweite Orgel wurde durch einen Flanger geschickt.“, erklärt Keith Emerson. BSS-Archiv

Ein Flanger konnte auch verwendet werden, um den verstimmten Piano-Effekt für die obligate Ragtime-Nummer von ELP zu erzielen: „Dazu wurde ein Klavier gerade gespielt und ein weiteres Klavier drübergelegt, das durch einen Flanger geschickt wurde. Ich habe auf beiden Klavieren dieselbe Linie gespielt, aber eines davon war durch den Flanger leicht verstimmt.“ Auf dem Album Brain Salad Surgery hatte Keith Emerson aber noch eine Alternative in petto: „Bei ‚Benny the Bouncer‘ haben wir den polyphonen Moog verwendet, das hätte man auch mit einem herkömmlichen Tasteninstrument machen können, aber es wäre anders gelaufen.“ BSS-Archiv

Für Still … You Turn Me On wich die Band von der Formel ab, keine nicht live reproduzierbaren Overdubs zu verwenden. Greg spielt akustische Gitarre, aber auch Bass und eine elektrische Gitarre über Wah-Wah-Pedal. Emerson begleitet den sehr stimmungsvollen Song auf Akkordeon und Cembalo. Carl Palmer spielte nicht mit. Deshalb entschied die Band, den Song nicht als Single zu veröffentlichen. Auf der Bühne wurde Still … You Turn Me On zur Solonummer für Greg Lake: „Es klingt besser, wenn Greg es alleine auf seiner akustischen Zwölfsaitigen spielt“, räumt Keith Emerson ein. Natürlich wurden für das Album noch eine ganze Reihe zusätzlicher Songs produziert: Ein Stück hieß tatsächlich Brain Salad Surgery – es endete schließlich als B-Seite von Fanfare for the common Man.

Brain Salad Surgery wird in den Air-Studios gemastert

Nach vier Monaten waren die Aufnahmen zu Brain Salad Surgery abgeschlossen. Produzent Greg Lake und Toningenieur Geoff Young waren mit dem Sound zufrieden: „Jeder Tontechniker hat seine eigene Palette, und es ist erstaunlich, wie unterschiedlich eine Gruppe in verschiedenen Studios klingen kann“, resümiert Lake das Ergebnis. „Brain Salad Surgery ist fast eine Live-Aufnahme, die im Studio gemacht wurde. Der Sound war ziemlich roh und ziemlich räumlich.“ BSS-Archiv In der ersten Oktoberwoche 1973 wurden die Aufnahmen schließlich in den Air Studios in London abgemischt und gemastert.  Der erste Master-Entwurf fiel bei der Band noch durch, der zweite gefiel dann.  Als 27 Jahre später John Kellog für das DVD-Audioprojekt von Brain Salad Surgery ein neues Master von den originalen analogen Mehrspurbändern abmischte, war er erst skeptisch wegen möglicher Probleme mit der Soundqualität – zu Unrecht: „Die Originalspuren waren sehr sauber und von sehr guter Qualität. Wir waren überrascht und erfreut.“

Report: Making of- Brain Salad Surgery

H.R. Gigers Cover – ein Phallus schockiert die Plattenbosse

Legendär ist die Verpackung von Brain Salad Surgery. Und dahinter steckt ein glücklicher Zufall: Bei einem Konzert in Zürich im April 1973 machte ein Schweizer Geschäftspartner der Band Keith Emerson mit H.R. Giger bekannt. Über die Grenzen der Schweiz hinaus war der Künstler zwar noch nicht bekannt, denn Alien sollte erst 1979 in die Kinos kommen. Aber damals schon war seine Kunst „speziell“ – Emerson zeigte sich begeistert: „Er war ein außergewöhnlicher, faszinierender Mensch. Aber er lebte sein Leben auf einer anderen Ebene. Er war besessen von chirurgischen Eingriffen, Hautkrankheiten und ungeborenen Föten. Ich ging zurück ins Hotel und sagte zu Greg und Carl: ‚Ihr müsst diesen Typen kennen lernen, er ist verrückt!'“ Liner Notes Das Treffen selbst soll sehr kurz gewesen sein, gerade mal eineinhalb Stunden. Giger sprach in der Zeit auch nicht sonderlich viel, zeigte sich von der Musik der Band aber angetan. Und dann lieferte er den Entwurf, wie er heute auf dem Cover zu sehen ist. Mit einem kleinen Unterschied. Direkt unterhalb des Frauenkopfes, der erscheint, wenn man das Cover aufklappt, befand sich ein eregierter Penis. Der Künstler hatte den Albumtitel also beim Wort genommen. Die Band hatte damit auch keine Probleme – wohl aber die Plattenfirma. „Sie sagten, wir könnten das nicht drucken, weil es pornografisch sei“, amüsierte sich damals Keith Emerson. „Wir mussten uns also an Giger wenden und ihm sagen: ‚Danke, dass Sie uns das Kunstwerk zur Verfügung gestellt haben, aber wir müssen den Penis loswerden! Das Gespräch war ziemlich lustig: ‚Ich werde den Penis nicht entfernen! Der Penis ist Teil des Bildes!‘ Schließlich gab er nach, und wir ließen einen sehr geschickten Künstler den Penis in einen leuchtenden Lichtstrahl verwandeln!“ Liner Notes

Brain Salad Surgery: Veröffentlichung und Rezeption

Brain Salad Surgery wurde im November 1973 in Großbritannien und Anfang Januar des folgenden Jahres in den USA veröffentlicht. In den USA kletterte das Album auf Platz 11 in den Billboard 200 und in UK erreichte es sogar Platz 2. Das damals etwas Exzeptionelles entstanden war, ist heute weitgehend anerkannt Der Rolling Stone zählt „Brain Salad Surgery“ zu den 50 Greatest Prog Rock Albums of All Time. Und auch im Ranking schlägt sich das Album mit Platz 12 beachtlich. Der All Music-Kritiker , den ich zu Beginn schon zitierte, vergibt viereinhalb Sterne.

Bis zur allgemeinen Anerkennung von „Brain Salad Surgery“ durch die Kritik war es allerdings ein langer Weg. Kaum eine Progrock-Band ist von der Musik-Presse so gehasst worden wie ELP. Sie hätten „den Klassikern Schaden zugefügt und eine Generation unfreiwilliger Klavierschüler gerächt“, schreibt etwa der Rolling Stone Album Guide (revised edition, New York 1992, Seite 227) Christian Graf zitiert in seinem Rock Musik Lexikon (Hamburg 1986) eine zeitgenössische Kritik aus Sounds, wonach die „Pop-Karajans“ eine Musik produzierten, die „in kaltem, prachtvollem Chromglanz erstrahlte“ dabei aber immer „irgendwie konstruiert“ wirkte.

Der wohl gemeinste Kommentar stammt vom selbsternannten Doyen der amerikanischen Rockkritiker – Robert Christgau. Er handelte Brain Salad Surgery in The Village Voice mit drei rhetorischen Fragen ab: „Soll das eine Verbesserung sein, weil Pete Sinfield die Lyrics geschrieben hat? Weil der zertifizierte klassische Komponist Alberto Ginastera – der immerhin Tantiemen erhält – auf der Hülle ihre Einfühlsamkeit attestiert? Weil der Sound so kristallklar ist, dass man den Schleim aus dem Mikrofon tropfen hören kann? C-“

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Emerson, Lake and Palmer live

Die Fans freilich verehrten die Gruppe, kauften ihre Alben millionenfach und strömten in die Konzerte. Besonders die Live-Auftritte von Emerson, Lake and Palmer waren spektakulär. Allein das Bühnenset war eindrucksvoll mit dem großem Moog-Modularsystem, Minimoog, weiteren Moog-Synthesizern, zwei Hammond-Orgeln, Klavier und einem Hohner Clavinet – wobei Emerson wie ein Berserker zwischen den Tastaturen wirbelte.  Zur Tarkus-Suite des gleichnamigen zweiten ELP-Albums rollte das Fabeltier aus Panzer und Tier feuerspeiend über die Bühne. Zu Welcome Back-Tournee, auf der Brain Salad Surgery aufgeführt wurde, spielte Schlagzeuger Carl Palmer ein motorisiertes, rotierendes Riesenschlagzeug, Bei einer noch späteren Welttournee der Works Orchestral Tour im Jahr 1977 ließ sich die Band von einem Tross von 115 Mitwirkenden begleiten – darunter ein komplettes Orchester und ein Chor. Nach der – wegen schleppender Vorverkäufe – eingedampften Tournee, musste Emerson eingestehen: „Die Band ist völlig pleite“. (vergl. B. Graves/ S. Schmidt-Joos, Hamburg 1990, Das Neue Rock-Lexikon, S.260)

Das war dann der Moment, wo die Stimmung langsam kippte. „In einer Band braucht man Egos, denn nur so können die Leute glänzen“,  erklärte Greg Lake einmal in einem Interview. „Wenn man Leute hat, denen das egal ist, wird die ganze Sache wischiwaschi. Wenn die Leute wirklich interessiert sind, dann werden sie eigenwillig – und selbst das ist in Ordnung. Aber was wirklich ein Problem ist, ist, wenn man diese unbeständige Kombination sechs Jahre lang in einen Lear-Jet steckt. Nennt mir eine große Band, die nicht unter diesem inneren Druck und diesen Konflikten steht. Im Großen und Ganzen sind Musiker keine normalen, ausgeglichenen Menschen, sie sind hochgradig aufgeladen, und das war bei ELP der Fall.“ Classic Rock

Für Keith Emerson war die Musik das Wichtigste in seinem Leben. Seit den 1990er Jahren kämpfte er mit Krämpfen der rechten Hand. Die sogenannte Musikerdystonie gilt als Fluch der Virtuosen. Eine Operation schaffte zeitweilig Besserung, doch schließlich verlor er wieder die Kontrolle über zwei Finger der rechten Hand. Seine Ängste und qualvollen Schmerzen beim Spielen hat er in seiner Autobiographie geschildert. Am Ende sah er keinen anderen Ausweg, als 2016 seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Im selben Jahr sollte Greg Lake seinem langen Krebsleiden erliegen.

Ich widme diesen Artikel den beiden großartigen Musikern Keith Emerson (02.11.1944 – 10.03.2016) und Greg Lake (10.11.1944 – 07.12.2016).

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Fazit

Für meinen 50. Artikel auf Amazona habe ich mir ganz bewusst meinen (neben Tony Banks ) zweiten großen Keyboard-Hero ausgesucht – Keith Emerson. Es ist noch einmal ein richtig langer Costello geworden. Diese XXL-Artikel haben mir in der Amazona-Redaktion den halb anerkennenden, halb spöttischen Nickname „Deep Throat“ eingebracht. „Deep Throat“ war nicht nur die Quelle für die beiden Washington Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein im Watergate-Skandal – sondern auch ein Pornofilm von 1972 mit Linda Lovelace. Dessen Grundidee passt ironischerweise wiederum zur tieferen Bedeutung von Brain Salad Surgery. Die Platten von Emerson, Lake and Palmer liefen in den 70er Jahren bei mir in Dauerrotation. Wobei meine Wertschätzung für Brain Salad Surgery erst reifen musste. Das Debütalbum, Pictures at an Exhibition oder auch Trilogy sagten mir damals mehr zu. Und dann kam Punk und New Wave und die ELP-Alben verschwanden in der hintersten Ecke des Plattenregals. Inzwischen weiß ich, wie bahnbrechend und modern dieses Album damals war. Die Computerstimmen und Sample and Hold-Sounds, die experimentellen Synthesizerklänge bei der Toccata, das elektronische Schlagzeug Carl Palmers. Ein Feuilletonist der FAZ hat das damals zwar etwas abgehoben formuliert aber schon gut erkannt: „Wer eine Musik wie diese ignorieren wollte, müsste sich bewusst sein, dass er sich der Kenntnis eines wichtigen und zukünftig des vielleicht wichtigsten Teils zeitgenössischer Musik freiwillig begibt.“  Die Synthesizer sind aus der modernen Musikwelt tatsächlich nicht mehr wegzudenken – auch wenn auf ihnen nur selten noch klassische Musik interpretiert wird.

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Forum
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    Numitron AHU

    Danke!
    Deine ausführlichen Artikel sind immer interessant zu lesen.

    Super Album!
    Hab es mir als neuauflage auf Vinyl gekauft.
    Das Cover ist aufklappbar wie beim Original!
    Eins der schönsten Cover Imho.

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      costello RED

      @Numitron Hi Numitron! Ich finde das Cover zu BSS auch genial, ein Kunstwerk für sich, aber es passt auch großartig zu der etwas kühlen Musik. Die Originale sind übrigens seit 2005 vermisst: „Auf dem Weg von Prag nach Zürich sind zwei Bilder des Alien- Schöpfers H.R. Giger gestohlen worden. Die beiden signierten Orginalplattencover zum Emerson-Lake-and-Palmer-Album «Brain Salad Surgery» von 1973 haben laut Kantonspolizei einen Wert von 110.000 Franken.«

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      Glenn

      @Findus Hallo Costello,

      Wie immer ist Dein Artikel ein Leckerbissen! Es gibt ja von Greg Lake Aussagen (ELP Doku), dass nach dem großen Isle of Wight Festival Überlegungen mit Hendrix diskutiert wurden, dass er in ELP einsteigt und zu HELP macht. Weisst Du da mehr darüber?

      VG

      Glenn

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        costello RED

        @Glenn Hi Glen, das ist lustig. Immer wenn ich mich durchringe, einen Aspekt eines Themas nicht zu behandeln, weil die Artikel ja noch konsumierbar bleiben sollen, kommt genau eine Frage dazu :) Von Keith Emerson gibt es folgende Aussage: „Ich habe mit Hendrix gejammt, aber ehrlich gesagt war er ein ganz eigener Mensch, der seine eigenen Ideen und seine eigene Richtung hatte, in die er gehen wollte, und ich sah nicht, wie ich das, was er tat oder was er zu tun versuchte, ergänzen konnte. Vielleicht hätte er ein bisschen leiser sein können, wer weiß? Ich war sehr besorgt wegen der Gitarristen, weil sie immer auf elf drehten, aber von allen Gitarristen hätte ich Steve Howe genommen, aber Steve war in einer Band namens Tomorrow und dachte über Yes nach.“
        Greg Lake hat sich in einem Interview mit Shawn Perry auch dazu geäußert: „Wir wussten, dass wir ein Dreiergespann sein wollten… obwohl es einmal Gerüchte über eine Beteiligung von Jimi Hendrix gab. Das ist nie passiert. Wir wollten irgendwann mit ihm jammen, aber es kam nie dazu und ein paar Wochen später wurde er tot aufgefunden. Wir hatten mit Mitch Mitchell gesprochen, bevor wir uns für Carl (Palmer) entschieden, und es war Mitch, der vorschlug, Jimi mitzubringen. Zu der Zeit dachte ich: Zwei Virtuosen in einer Band… das mag für fünf Minuten OK sein, aber es würde nicht funktionieren. Es würde einfach kollidieren, wissen Sie. Wir wussten von Anfang an, dass wir als Dreierband besser dran wären.“ Das englische Original-Interview findest Du unter dem Link Greg Lake Interview im Abschnitt, wo es um die Olympic Studios geht.

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            costello RED

            @Glenn Gerne Glenn! Den Link zum Emerson-Zitat findest Du übrigens unter Classic Rock (im Abschnitt Keith Emerson und The Nice). Sehr interessant auch: Emerson hätte gerne mit Mitchell als Drummer gearbeitet, weil er – wie Emerson selbst – einen starken Jazzbezug hat. Greg Lake konnte aber mit Jazz gar nichts anfangen.

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        Tai AHU

        @Glenn @Glenn Hendrix mit ELP, das hätte mMn. nicht mal im Ansatz geklappt. Hendrix mit starker Verwurzelung im Blues und Jazz, dazu die in va. europäischer Musik orientierten ELP. Dazu die Egos, nee, das wäre vermutlich ein Griff in die Tonne geworden.

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    AMAZONA Archiv

    Vielen Dank Costello für diesen Ausflug in einen Musikbereich von dem ich nun garkeine Ahnung habe. Liegt, so vermute ich, an den langen, unübersichtlichen Arrangements gepaart mit vielen Soli. Bin da seit jeher eher einfach gestrickt.
    Daher auch die Faszination und die Freude über derartige Ausflüge.

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    AMAZONA Archiv

    Hut ab! Du hast es geschafft ELP mir näher zu bringen als Exhibitions in dem von dir zitierten hippen Musikunterricht. Tarkus wird es nie in mein Herz schaffen aber Karn Evil 9 ist ganz mein Geschmack. Ich wusste nicht daß ELP so soundfreakig waren ohne zu nerven, bzw. den Nerv so zu töten, daß eine neue Sichtweise auf das gehörte entsteht. Bei sowas geht mir einer ab. Super Artikel!

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      costello RED

      Danke Kazimoto! Mit dem selbstgebastelten Drumsynthesizer und einigen speziellen Synthesizersounds waren ELP damals tatsächlich Avantgarde. Brain Salad Surgery klingt (bis auf den Bouncer) wirklich zukunftsweisend. Bei „Works 1“ kippte dann leider alles um in schiere Gigantomanie.

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    pol/tox

    Ich bin ja nicht prüde und auch ein Freund des dreckigen Humors, aber, mit Verlaub, den Titel des Textes finde ich etwas aus der Zeit gefallen…

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      costello RED

      @pol/tox Hi pol/tox, danke für Deinen Kommentar. Ich habe diesen Titel bewusst gewählt, weil der Original-Albumtitel sich ja genau darauf bezieht, was ich in den 70ern freilich selbst nicht wusste. Aber sogar Gigers Cover zeigte ja ursprünglich einen eregierten Penis unter dem Mund des Frauenkopfes. Die Wendung findet sich so im Duden, auch im Cambridge Dictionary. „Elektronische Fellatio“ wäre mir etwas prätentiös vorgekommen.

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        Flowwater AHU

        @costello Und ich wollte schon schreiben, dass mir auch der Titel des Beitrags ganz hervorragend gefällt. 😈

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        pol/tox

        @costello danke auch für deine Antwort und die zusätzlichen Infos.
        Ich habe im restlichen Artikel keine Auflösung des Titels gelesen, vielleicht habe ich es ja überlesen, und war deswegen über den Titel etwas verwundert.

        Ansonsten danke für den ausgezeichnet recherchierten Artikel, habe ich mit Freude gelesen.

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          costello RED

          @pol/tox Hi pol/tox, schau doch noch mal den Abschnitt im Artikel mit der Zwischenüberschrift „Brain Salad Surgery – Namenshilfe von Dr. John“ – da ist das mit der Bedeutung des Namens beschrieben. Ohne diese Vorlage fände ich meinen Titel auch etwas merkwürdig. Danke für Dein nettes Feedback :)

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            pol/tox

            @costello oh, das habe ich wohl überlesen, danke für den Hinweis.

            Bitte gerne, ist ein wirklich gelungener Beitrag!

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    Archivicious

    Ganz toller Artikel, habe ich verschlungen!
    Kleine Anmerkung: Cream war keine Supergroup der 70er. Die hatten sich erstaunlicherweise schon 1968 aufgelöst.

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      costello RED

      @Archivicious Danke Archivicious! Und Du hast völlig recht, Cream war als Band ein recht kurzes Bestehen beschieden von ’66-’68. Wer weiß, was sich Jack und Ginger sonst noch angetan hätten.

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    herw RED

    Lieber Costello,
    vielen Dank für deine ausgiebige Recherche und deine erfrischend zu lesende Zusammenstellung und Beurteilung mit der Widmung an Keith Emerson und Greg Lake.
    Die Länge ist dem 50sten Artikel-Jubiläum so gerade eben noch angemessen 😎.
    Ich werde sicherlich öfters wieder hineinspringen, um manche Passagen auch doppelt zu genießen.

    ciao herw

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      costello RED

      @herw Danke lieber herw! Künftig dann auch wieder kürzer, ich verspreche es! (Bis zum 100. dauert es jetzt ja wieder mindestens 5 Jahre ;) Was ja übrigens echt super ist, dass es seit einiger Zeit die Inhaltsverzeichnisse bei Amazona gibt. Wer sich für Gregs Gitarren oder einen bestimmten Song des Albums interessiert, kann direkt an die entsprechende Stelle springen.

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    CDRowell AHU

    So umfangreich und so gut! Danke für Umfang und Inhalt deiner Zeilen!

    Endlich mal wieder etwas zu den hochphasen in der Musikgeschichte ich habe genossen…

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    liquid orange AHU

    Danke für diesen ganz hervorragenden Artikel! Er ist spannend, sehr gut geschrieben und mit all den Quellenangaben eine perfekte Lektüre um noch tiefer einzudringen. Man spürt mit jeder Zeile, dass dieses Album wirklich enorm viel für Dich bedeutet!
    Als ich früher mal mit drei Kollegen das Musik Magazin UMO (Unbekannte Musikalische Objekte) machte, nahmen wir für das Heft 006 das wir dem Jahr 1973 widmeten Brain Salad Surgery als ADH (Artwork des Jahres). Um diesem Meisterwerk überhaupt gerecht zu werden, schnippelte meine Frau die 100 Cover (das war die Auflage unseres UMO) von Hand aus und klebte es ins Heft, so dass man das Cover wie damals auch die Platte öffnen konnte.
    Dieses Album war uns einfach extrem wichtig, es freut mich da einen weiteren „Freak“ gefunden zu haben, der hier ähnlich denkt.

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      costello RED

      @liquid orange Herzlichen Dank für Dein tolles Feedback, liquid orange! Es ist nicht nur dieses eine Album, das mich begeistert, sondern der Künstler Keith Emerson, die ganze Band, und dieser völlig neue Ansatz in der Rockmusik, der ja weit über das hinausgeht, was Emerson mit „The Nice“ gemacht hat. Was Du da über UMO schreibst, klingt ja faszinierend. Da habt ihr echt viel Herzblut reingesteckt. Ich hoffe, die Besitzer dieser raren Hefte mit der Nummer 006 halten sie in Ehren :)

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    Organist007 AHU

    Was für eine Band, was für ein Album, was für ein großartiger Artikel !!
    Ich (Jahrgang 1961) entdeckte ELP mit ca 13 Jahren.
    Emerson ist ein großartiger Komponist, der offenbar erst posthum in seiner Qualität wahrgenommen wird. Die beiden anderen Musiker ebenso kongenial.
    In den 80igern wurden sie als bombastisch und aufgeblasen abgetan (wie auch alle anderen Dinosauriergruppen).
    Nach Brain salad folgten noch works 1 und 2, mit love beach ging’s dann bergab (Anwärter für das schrecklichste Cover einer Rockband).
    Dann ein kurzes Comeback in den 90igern mit zwei, drei recht guten Alben. Die Stimme von Lake war allerdings nicht mehr dieselbe…

    Es ist schön zu hören, dass junge Leute auf ELP abfahren (so zB die blinde Multiinstrumentalisten Rachel Flowers, die das meiste Emerson Repertoire im schlaf beherrscht).

    Brain salad ist sicherlich ein opus magnum, meine Liebelingsplatte ist jedoch TRILOGY, da stimmt einfach alles, und die vibes sind nicht zu düster.

    Vielen Dank nochmals für den großartigen Artikel, ich denke, diese Musik wird auch noch in Jahrzehnten von jungen Leuten entdeckt werden.

    • Profilbild
      costello RED

      @Organist007 Danke für Deinen euphorischen Kommentar Organist007 :) Wir sind fast ein Jahrgang und haben den heyday des Progrocks in den 70ern mitbekommen. Trilogy war ja auch Gregs Lieblingsalbum, mein persönlicher Favorit ist das Debütalbum. BSS ist da schon viel dunkler und kompromissloser. Mit dem Love Beach-Cover muss ich Dir recht geben, Emerson mit offenen Hemd – das musste nicht sein. Habe mal wieder „Black Moon“ und „In the hot seat“ gehört – aber da will der Funke nicht mehr so recht überspringen und das liegt nicht nur an Gregs etwas belegter Stimme. Aber die ersten 5 Platten (und meinetwegen noch Works 1) – damit haben sie ein Vermächtnis hinterlassen, was überdauern wird.

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        Organist007 AHU

        @costello stimmt !

        Auch nicht zu vergessen, das großartige LIVE 3-er Album on the peak of their career !!
        Ich war – glaub ich – ca 13 Jahre alt und bekam es zu Weihnachten von meinen Eltern und habe es rauf und runtergespielt. Meine ältere Schwester hasste es !!
        Those were the days.

        ELP blieb es leider versagt, in Würde zu altern ;-(

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      8plateau

      @Organist007 Na ja, ich fand „Memoirs of an Officer and a Gentleman“ auf „Love Beach“ eigentlich immer ein sehr gelungenes Stück…

  10. Profilbild
    vssmnn AHU

    Ich habe es versucht, mir die Musik anzuhören, aber ich muss feststellen, progressive Rock ist einfach nichts für mich.
    Respekt vor den handwerklichen Fähigkeiten, welche Reproduktionen der Komposition ermöglichen.

    • Profilbild
      costello RED

      @vssmnn Klasse, dass Du der Musik von ELP noch mal eine Chance gegeben hast. Die Musik – speziell auf BSS – kann sehr kalt und kalkuliert wirken – und das ist nun mal nicht jedermanns Sache.

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        Aljen AHU

        @costello Kalkuliert und kalt wäre schon in Ordnung – viele Sachen der frühen New Wave Ende 1970er, Anfang 1980er waren ja nichts anderes. Mich (ebenfalls Baujahr frühe 1960er) hat eher das Opulente, ja fast schon Korpulente, Redundante, Unnötige an der Rezeption des Prog-Rock wirksam gehindert. Das bleibt bis heute so. Keine Frage, gerade BSS _ist_ großartige Musik, ganz sicher. Nur finde ich nach unglaublich vielen Versuchen immer noch keinen Zugang dazu. Das sagt nichts über die Qualitäten, zu vielen Werken finde ich genauso wenig Access. Irgendwie „zu viele Noten“, wie der Amadeus im Forman-Film zu sagen pflegte. ;) Der Artikel ist trotzdem absolut spannend, danke dafür!

  11. Profilbild
    herw RED

    Nach dem zweiten Lesen habe ich mir auch nochmals einige der Stücke angehört. Obwohl ich schon ein Fan von EL&P bin, gefallen mir nicht alle Stücke.
    Prog-Rock fand ich schon immer faszinierend, manchmal aber auch abschreckend.
    Brain Salad Surgery (The Song) gehört allerdings zu den Stücken, die mir überhaupt nicht gefallen. Insbesondere die Schwerfälligkeit, mit der Synthesizer, Stimme und Schlagzeug sich durch das Stück „quälen”, schreckt mich ab. Es hört sich an wie die Aneinanderreihung unabhängiger Ideen, zu komplex, nicht durchgängig, abgehackt, insbesondere dann, wenn Carl Palmer versucht, auf seinem Schlagzeug Synthesizer- und Orgel-Spiel nachzuahmen. ;)

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      costello RED

      @herw Hi herw, der Song „Brain Salad Surgery“ befindet sich sich nicht auf der gleichnamigen Platte. Das ist ein relativ simpler 3-Minüter, der erst die „Fanfare for the common man“-Single komplettierte und dann auf Works 2 aufgenommen wurde. Den Drum-Synthesizer setzt Palmer auf der Toccata ein, Dein Eindruck „Aneinanderreihung“ würde vielleicht am ehesten auf die Suite Karn Evil 9 zutreffen. Bei den sehr langen ELP-Kompositionen klingt manches erstmal etwas disparat, da muss man sich die Strukturen tatsächlich über mehrmaliges Hören erschließen.

  12. Profilbild
    0gravity

    Ein epochaler Costello Artikel über ein epochales Prog Rock Meisterwerk. Die Lektüre hat mir einen wunderbaren Sonntag Vormittag beschert.
    Vielen Dank dafür.
    Wobei es sich ja schon fast um eine ELP Gesamthommage mit Schwerpunkt auf BSS handelt.
    Ganz kurz noch mein Senf:
    Keith Emerson ist auch einer meiner Tastenhelden. Die ersten 5 Studioplatten von ELP finde ich alle gut, wobei ich am häufigsten Trilogy und die Erste gehört habe. Kennen gelernt habe ich ELP übrigens über das Peter Gun Theme von der Live Platte.
    Ich habe Sie auch für den Mut bewundert so etwas wie BSS zu machen. Meine Freunde fanden das damals zu lärmig und zu kompliziert, das Cover hat da viel mehr Aufmerksamkeit erhalten als die Musik.

    • Profilbild
      costello RED

      @0gravity Hi 0gravity, hab‘ herzlichen Dank für Dein Lob :) Mir geht es übrigens genauso: das erste Album und Trilogy kann ich eigentlich immer hören (Tarkus ist jetzt nicht so mein Liebling und die „Pictures“ habe ich mir schlicht übergehört) – aber auf BSS muss man sich richtig einlassen. Dann ist es allerdings grandios.

      • Profilbild
        0gravity

        @costello Das trifft so ziemlich genau meine Empfindung zu BSS.
        Und man sollte es mit Gleichgesinnten oder alleine hören, sonst gibt es Stress ;-)

      • Profilbild
        herw RED

        @costello Manno – diese ständigen Abkürzungen rauben mir Zeit

        BSS ≙ Brain Salad Surgery 🥸

  13. Profilbild
    Tai AHU

    Für mich ein sehr zwiespältiges Thema. Ich finde die Kombi Klassik/Rock fast grundsätzlich keine gute Idee. Andererseits habe ich diese Gruppe 3 mal live gesehen. Bei der drehenden Schlagzeug Tour das letzte mal. Und Emerson war die Person, mit der ich das grösste Problem hatte. Es war immer eine Spur zu viel Pathos dabei, die Messer in der Orgel, die Modularschrankwand. (So unpassend wie die Marshallwände der Zupfer) Ich könnte das auch Show nennen, positiv konnotiert.
    Lakes Balladen, auch oft nah an der zuckersüssen Grenze, aber eigentlich nie darüber, gefallen mir heute noch. Der Gesang, ohne Zweifel immer gut. Palmer hat mir als Drummer sehr gut gefallen und wurde bei dieser Combo immer noch unter Wert verkauft. Brain Salad werde ich mir noch mal anhören. Auch in meiner Erinnerung das beste Album, nicht nur wegen dem sehr schönen Cover.

    @Costello Du hast einen super Artikel geschrieben, besonders die Anekdote mit Ginastera hat mir gefallen.

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      costello RED

      @Tai Ich kann diesen Zwiespalt nachempfinden. In gewisser Weise verleugnet ProgRock das afroamerikanische Erbe der Rockmusik. Greg Lake hat auch einmal gesagt, sie wollten sich bei ELP auf ihre europäischen Wurzeln beziehen. Auch die Charterhouse-Zöglinge von Genesis konnten mit Blues und Rock’n’Roll nicht viel anfangen. Und all diese Bands (zum Beispiel auch Yes) haben einen gewissen Opernhaften Pomp zelebriert. Das Richtige für Teenager, die früher mit den Eltern brav in Zauberflöte, Tosca oder den Nussknacker getigert sind ;) Danke für Dein nettes Feedback!

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        Tai AHU

        @costello Ja, da sind wir einer Meinung, siehe meinen Beitrag weiter oben zu Hendrix/ELP. Ich habe auch nicht grundsätzlich was gegen die Einflüsse europäischer Musik. Ohne die hätte Zappa nie das rausgebracht, was er hat. Und das war sensationell (grösstenteils 😝.)

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        AMAZONA Archiv

        @costello Opernhaft trifft es ganz gut. Das Opernhafte stört mich auch an Queen.
        Ich habe es wirklich versucht aber bleibe dann doch bei the Clash🏝

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        Tai AHU

        @Organist007 Ja, Jazz/Rock war ein ähnlicher Fall. Bei mir war auch McLaughlin die Zündung, den habe ich bei seiner Tour 72 erlebt. Kurze Zeig später hat mich das Genre gelangweilt. Ich glaube, die bei vielen Jazzern/Klassikern immanente Überheblichkeit gegenüber Rock war ein gemeinsames Manko. Trotzdem gehört z.B. JCOAs Escalator Over The Hill zu meinen Top 5 ever. Klassik/Rock kenne ich keine Platte, die es unter die ersten 100 schafft. Vielleicht Caravans Platte mit Orchester (& The New Symphonia), aber die müsste ich nach 40 Jahren auch nochmal hören. Damals gefiel sie mir. Aber nicht so gut wie ohne Orchester (In The Land of Grey and Pink)

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      herw RED

      @Tai gaffer: Für mich ein sehr zwiespältiges Thema. Ich finde die Kombi Klassik/Rock fast grundsätzlich keine gute Idee.

      Trotzdem habe ich mir aufgrund dieses Artikels endlich mal die Klaviernoten zu Bilder einer Ausstellung gekauft. Mal sehen, ob mein Modularsystem das mitmacht 😎 .

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        Tai AHU

        @herw Ich sitze gerade an einer Kleinserie CD. Mittlerer Teil des Konzerts: Bilder einer Ausstellung. Ist das noch Gnomus oder bereits Catacombae? Also mit dieser Musik an sich habe ich keine Probleme.

  14. Profilbild
    TobyB RED

    Meine Berufsempfehlung an Dich, mach was mit Journalismus. Da hat Handwerk noch goldenen Boden ;-) Mit dem 50. Artikel die Messlatte noch mal höher legen find ich Klasse. Ich geb ja nicht viel auf die Polls vom Rolling Stone. Aber seinen Platz in den besten zwanzig Prog Alben hat dieses Werk verdient. Ich habe nur die Dolby 5.1 Mischung, finde die aber wegweisend für alles was danach im ProgRock kam.

  15. Profilbild
    d_eric

    Vielen Dank für deinen ausführlichen und tiefgehenden Artikel. Irgendwie hatte ich ELP bisher nicht beachtet, ich hatte die in die Schublade „Just another 70s rock band“ gesteckt. Da gehören sie ja offensichtlich überhaupt nicht rein. Die Alben werden jetzt nachgeholt, wieder ganz viel zu entdecken. Nochmals vielen Dank!

    • Profilbild
      costello RED

      @d_eric Hi d_eric, vielen Dank! Ich freue mich mich immer, wenn es mir gelingt, sozusagen „verklemmte Schubladen“ nochmal gängig zu machen. Und dann schaut da jemand rein und sagt – ist ja doch ganz interessante Musik :)

  16. Profilbild
    Organist007 AHU

    Ich finde diesen Artikel, perfekt, und vielen Dank für die umfangreiche Recherche !
    ELP waren schon immer zwiespältig aufzunehmen und sind es noch immer. Das ist gut so !
    Es gibt Musik in der proRock Geschichte, die ist nicht mer wegzudenken. Und das das ist ELP auch. Egal, wie man dazu steht. ELP ist ein Monolith, und der muss erst entdeckt werden.
    Ich konnte nicht daran vorbei.

    Danke, Keith, Greg und Carl !!!!!!

  17. Profilbild
    TonvaterJan

    Vielen Dank für den ausführlichen und gut recherchierten Artikel.

    Karn Evil 9 bleibt für mich immer eine kleine Qual, weil die Jungs die Aufnahmen so verschludert und
    für ihr damaliges Können zu schnell eingespielt haben, das ich in die eigentliche Musik nicht reinkomme…

    10bpm weniger und es wäre präziser und wesentlich verdaulicher geworden – aber das hat nicht in deren Zielzustand des
    Höher, Schneller, Weiter um jeden Preis gepasst…

    Auch vermisse ich den fantastischen, besten Orgelsound aller Zeiten von „Pictures“ und „Tarkus“ von Eddie Offord.
    Die Orgel klingt so flach gegen die Synths, es ist ein Jammer.

    Aber die Toccata gleicht dafür alles aus…

    • Profilbild
      costello RED

      @TonvaterJan Danke für Dein nettes Feedback und Deine interessanten Anmerkungen zu Karn Evil 9 und dem Orgelsound. Offord hatte schon ein Händchen. Auf Tarkus haben ELP ihm sogar einen eigenen Song gewidmet: „Are You Ready, Eddy?“

  18. Profilbild
    RalfT

    Schließe mich an, mega Artikel, bin in den 80igern auf die Scheibe gestoßen, musste mich damals doch einige Zeit einhören, aber sie hatte etwas Unbeschreibliches. Auch wenn sie soundmäßig etwas zu Wünschen übrig lässt, sind einfach grandiose Stücke drauf. Liebsten Dank für den Artikel.

  19. Profilbild
    Joste

    Welch großartiger, umfassender Bericht zu einer der prägendsten Bands der frühen Siebziger. Vielen Dank auch für viele mir unbekannte Facetten!

  20. Profilbild
    hunsitho

    Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel, Costello! Tolle Sache.
    Ich (geboren 1968) musste grinsen, als ich den Abschnitt über „Pictures at an exhibition“ gelesen habe: Genau so – über den Musiklehrer und die drei Versionen – bin ich in den frühen 80ern zu diesem Album und zu ELP gekommen.
    Kann also nicht so schlecht gewesen sein, dass das so im Lehrplan stand…
    Glücklicherweise hatte ein etwas älterer Kumpel noch weitere ELP Alben – darunter auch Brain Salad Surgery – und ich war Feuer und Flamme.
    Auch heute gibt es viel gute Musik, aber es macht mir auch immer wieder Freude, mal alte Vinyl Platten auszupacken.
    Freue mich auf den 51. Artikel. 😀

  21. Profilbild
    AndreasKrebs

    Vielen Dank für diesen wirklich herausragenden Artikel! Profund recherchiert und mit viel Liebe zum Detail geschrieben. Keine andere Band hat mich jemals so fasziniert und begeistert wie ELP und hier durfte ich mal wieder ein paar der Hintergründe erfahren, warum das wohl so ist. Tatsächlich tue ich mir schwer zu entscheiden, welches denn mein persönliches Lieblingsalbum ist: Das kraftstrotzende BSS, das leicht überproduzierte, aber umso hypnotischere Trilogy, die perfektionistischen Live-Orgien von „Welcome Back…“ oder Pictures, Tarkus mit seiner ungeheuer durchkomponierten Suite, oder auch – nicht hauen – Works I mit Pirates, Fanfare und dem Klavierkonzert, die schon mehr als nur ein wenig wehmütigen Abgesang an den Zusammenhalt der Band signalisiert haben. Es macht viel Spaß, solche außergewöhnlich gut geschriebenen Artikel zu lesen. Vielen Dank dafür!

  22. Profilbild
    mdesign AHU

    danke für den spannenden und informativen artikel. 1977 war ‚fanfare for the common man‘ meine allererste single. dieser sound hat mich damals fasziniert. dann kamen allerdings die 80er, und heute ist mir ELP schlicht zu anstrengend, ich mag es mittlerweile leichter. grade deshalb habe ich den lese- und hörausflug in meine jugend umso mehr genossen.

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