Die Wiedergeburt des SEM
Wann beschert uns Alan R. Pearlman in Sachen ARP denn endlich etwas Neues? Nachdem Robert A. Moog mit seinem Moog Minimoog Voyager und Dave Smith mit seiner Evolver-Serie wie Phönixe aus der Asche entstiegen sind, hat nun auch Tom Oberheim sein einstimmiges Synthesizer-Expander-Modul (im folgenden Text nur noch SEM genannt) von 1974 neu aufgelegt.
Wie sicherlich viele wissen, ist dieser Oberheim SEM-Block in weiteren Produkten der Firma Oberheim verwendet worden. Synthesizer wie Oberheim Two-Voice, Oberheim Four-Voice oder Oberheim Eight-Voice, sollten dem interessierten Synthesizer-Enthusiasten schon einige Male zumindest verbal oder bildlich begegnet sein.
Ein wenig Geschichte zum original Oberheim SEM
Musiker wie Josef Zawinul, den meisten sicherlich als Tastenzauberer der Jazzrock-Formation Weather Report bekannt, oder Bill Payne, seines Zeichens Keyboarder von Little Feat, haben sich neben vielen anderen namhaften Kollegen dieser Synthesizer bedient und damit an einem Klangkult mitgearbeitet, dem gerade in der heutigen Zeit nach der Wiederentdeckung der analogen Klangkunst auch seitens der Hersteller Rechnung getragen wird. Manfred Mann, in den 70ern vordergründiger Minimoog-Virtuose, hatte schon damals u.a. immer einen Oberheim SEM in der Hinterhand, um den Klang seines geliebten Moog um einige weitere Facetten anzureichern. In Teilen oder fast vollständig geklont ist uns der Oberheim-Charakter in Produkten wie dem Doepfer SEM-Filter, der Filter-Nachbildung im Alesis Andromeda A6 oder dem in Anlehnung an ein SEM gebauten Analogue Solutions Semblance V2 erschienen.
Glücklicherweise hat uns Tom Oberheim, wie die anderen verehrenswerten Altvorderen auch, nicht nur mit einer reinen Nachbildung beglückt, sondern er hat sein kleines System derartig offen gelegt, dass nahezu jeder Parameter in Form einer Steuerspannung oder eines MIDI-Befehls erreicht werden kann. In meinem Fall bezieht sich der Test auf die CV/Gate-Version, ich hoffe aber, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt auch den Umgang mit der MIDI-Version untersuchen kann, sobald diese lieferbar ist.
Die Klangarchitektur des SEM Synthesizers
Kümmern wir uns erst einmal um die schon recht überschaubare Architektur des SEM-Blocks, dessen Bedieneinheit (abgesehen vom linken Teil mit den insgesamt 33 Miniklinkenbuchsen, wie sie auch im Eurorack-Standard Einzug gefunden haben) fast identisch nachgebildet ist. Natürlich fehlt das alte Firmen-Logo, aber die Rechte dafür liegen nicht mehr bei Hr.Oberheim. Sonst ist das gute Stück anhand von Form, Farbe und Bedienelementen anstandslos seinem Entwickler zuzuordnen. Die einzigen zusätzlichen Anschlüsse finden sich auf der Rückseite, indem dort eine 6,3 mm Monoklinke für den Audioausgang und eine Buchse für das Netzkabel zur Verfügung stehen. Allein die Leichtigkeit seines Seins wirkt im ersten Moment nach dem Auspacken etwas irritierend, aber nach dem Anschluss an das Stromversorgernetz stellt sich schnell heraus, dass wirklich ein Innenleben vorhanden ist. Die Schalter und Regler sind gut bedienbar, die Buchsen bieten einen festen Halt.
Als Klangquellen stehen im Oberheim SEM zwei Oszillatoren zur Verfügung, die mit den Schwingungsformen Sägezahn und Pulswelle ausgestattet sind. Die Pulsbreite kann moduliert werden, indem entweder manuell eingegriffen wird oder über einen Wahlschalter die Modulationsquellen Hüllkurvengenerator 1, LFO oder extern zugewiesen werden. Die Intensität der Modulation kann ebenfalls über einen Regler gesteuert werden, der aber bipolar entweder in Richtung Frequenz des Oszillators oder eben in die der Pulsbreitenmodulation bewegt werden kann. Die Oszillatorsektion ist mit einer Synchronisationsmöglichkeit der Phasen ausgestattet. Ein Fußlagen- oder Oktavwahlschalter steht nicht zur Verfügung.
Die Filtersektion ist mit einem davor geschalteten integrierten Mixer versehen, der drei verschiedene Klangquellen als Eingangskomponenten vorweisen kann. An dieser Stelle entscheidet der Anwender, welche Schwingungsformen der Oszillatoren in welcher Lautstärke verwendet werden, zusätzlich kann noch eine von zwei optional von außen zugeführten Audioquellen dazu gemischt werden. Das 12 dB-Filter kann entweder als manuell überblendbare Lowpass/Notch/Highpass-Kombination oder als Bandpassfilter genutzt werden. Eine Selbstoszillation des Filters ist nicht möglich. Die Frequenz kann ebenfalls über einen Wahlschalter von Hüllkurvengenerator 2, LFO oder extern beeinflusst werden, wobei hier zwischen positiver und negativer Modulation gewählt werden kann. Leider ist es nicht möglich, per Steuerspannung im Modus LP/Notch/HP durch die Filtertypen zu fahren.
Der LFO bietet nur eine Dreieck-Schwingungsform, an dieser Stelle hätte ich mir gerne etwas mehr Auswahl gewünscht. Die Hüllkurven sind wie beim Minimoog mit Attack, Decay und Sustain ausgelegt, wobei die Decay-Einstellung intern auch für die Release-Phase gilt. Der VCA kann auch auf Dauerbetrieb geschaltet werden, indem ein entsprechender Wahlschalter auf ON gestellt wird und somit die Verbindung des VCA zur Hüllkurve 1 löst. Wenn nun ein Signal in die Buchse VCA Cont eingespeist würde, wäre der Dauerbetrieb aufgehoben. Werden von außen Steuerspannungen an die Oszillatoren und die Hüllkurven (GATE oder TRIGGER) geleitet, so genügt eine Verbindung, um jeweils beide zu steuern. Diese in den meisten Fällen wohl bevorzugten Schaltungen können durch in der Bedienungsanleitung beschriebene Jumper-Belegungen auf Einzelsteuerung gesetzt werden.
Die genauen Anschlüsse entnehmen Sie bitte dem freundlicherweise vom Hersteller zur Verfügung gestellten Bild, denn besser kann man es kaum schießen. Und da die Technik sehr übersichtlich ist, konzentriere ich mich lieber auf ein paar notwendige Antworten zum Praxiseinsatz:
Der OBERHEIM SEM in der Praxis
Die Original-Architektur war abgesehen von den klanglichen Qualitäten des SEM recht überschaubar, aber durch die Hinzunahme der verschiedenen Ein- und Ausgänge ist der ursprüngliche kleine Hilfsbaustein zu einer wertvollen semimodularen Komponente herangereift. Aber nicht nur in sich sind nun komplexere Verbindungen möglich, auch von und nach außen ist die Verknüpfung in die vollmodulare Welt möglich. So lassen sich z.B. die Signale der Filtertypen einzeln abnehmen und über ein Mischpult im Stereopanorama verteilen. Vorher schon kann man die Audioquellen abgreifen und ebenfalls externen Gerätschaften zuführen. Die analoge Steuerung ist kinderleicht zu realisieren, wer zudem über ein komplexes MIDI-Interface wie beispielsweise das Doepfer MCV24 verfügt, wird es als einfach empfinden, die gewählte CV-/Gate-Version wie die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhältliche MIDI-Version von seinen gewohnten Werkzeugen wie z.B. Cubase zu steuern.
Hier trat jedenfalls kein Problem mit irgendeiner Art von Verbindung auf.
Kann man nun auch beispielsweise einen Four Voice realisieren? Betreffend der entsprechenden Mehrstimmigkeit eindeutig ja, auch da helfen Werkzeuge wie das Doepfer MCV24 oder entsprechende Sequential Switches (z.B. schon einmal mindestens zwei Doepfer A-151 nur für CV und Gate, für jeden weiteren Parameter ist auch ein weiteres A-151 notwendig, wobei ich jetzt in Four-Voice-Bahnen denke) , um die Blöcke in gewünschter Reihenfolge anzusteuern. Noch eine Alternative stellt das bald lieferbare Club Of The Knobs C 950 Polyklavier dar, in dem diese Schaltungen schon entsprechend realisiert sind. Es wäre damit sogar ein neuartiger Five Voice möglich. Sicherlich wird der eine oder andere Leser noch eine weitere Alternative parat haben. Eine entsprechende Programmiereinheit für wesentliche Funktionen, die mit allen Blöcken verkettet ist, gibt es aber leider nicht, so dass alle Parameter pro SEM programmiert werden müssen. Wer sich das monetär wie auch vom Aufwand her zumuten möchte, wird von mir bestimmt nicht abgehalten. Klanglich, und nun kommen wir zu DEM Punkt schlechthin, würde man sicherlich belohnt werden, denn das SEM gehört für mich nach den ersten Wochen zur Spitzenklasse der analogen Welt, eben weil es durch sein spezielles 2-Pol-Filter sehr eigenständig klingt und einen angenehmen Beitrag zur restlichen Analogwelt liefert. Ein weiterer, mir sehr angenehm aufgefallener Punkt ist der der klanglichen Farbpalette, die durch die Modulation der Pulsbreite entsteht.
Der Oberheim SEM on YouTube
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Guter Test!
Was hier unbedingt noch erwähnt werden muss:
Die neuen SEM’s werden von Herrn Oberheim persönlich hergestellt! Wenn jetzt noch Herr Pearlman bitte….
@Dr.Funk ja, also bitte Mr. Pearlman, eine new ARP2600 Version, please!
zudem muss man ab bestellung eine wartezeit von ca. 8 wochen in kauf nehmen. also meines sollte dann die nächsten tage bei mir ankommen.
@lowcust noch ein paar nette infos:
http://audiomidi.com/vp/VP_Tom_Oberheim.aspx
Hallo Axel, kannst du noch etwas aussagen über den klanglichen Vergleich zwischen Ur-Version und neuer Version? Vielleicht hattest du auch die Möglichkeit den neuen SEM dem Semblance gegenüberzustellen?
@Tyrell Hallo Peter, ich habe weder eine Ur-Version noch einen Semblance im Zugriff. Der einzig mögliche Hardware-Vergleich ist der zum erwähnten Doepfer-Modul A 106-5 SEM Filter, alles andere sind Erinnerungen an in früheren Zeiten durchgeführte Selbstversuche am „Original“, obwohl dieses hier auch eines ist. Reduziert auf die in beiden Objekten (Doepfer und Neuauflage) vorhandenen Funktionen gibt die Oberheim-Neuauflage gerade im Zusammenspiel von Cutoff und Resonanz die typische Tiefe des Filters her, die selbst in vielen neueren Produktionen mit den alten Schätzen z.B. von Pete Namlook (Anspieltipp: Four Voice- und Putney-Serien) gut hörbar ist. Auch Lyle Mays Klänge aus frühen Zeiten sind schnell beim neuen SEM gefunden, zumal man aufgrund der einfach gehaltenen Bedienung so gut wie gar nicht daran vorbei kommt. Sollte jemand im Großraum Ostwestfalen einen alten SEM-Block sein Eigentum nennen können => bitte melden! Dann würde ich einen kurzen Vergleich an dieser Stelle schildern.
@a.jungkunst Leider klingen gerade die LP-BP-Sweeps beim Neubau ganz anders — was wohl weniger dem Filter als vielmehr dem wesentlich obertonreicheren VCO verdanken ist — s. auch meinen andern Kommentar.
Bezüglich der Einschränkungen (nur Dreieck-LFO, kein Filtermode-Morph, kein Oktavschalter) könnte man noch erwähnen, dass das neue SEM unter anderem auch als Replacement für alte Four- und Eightvoice gedacht ist, daher keine Neuerungen an der eigentlichen Struktur, sondern „nur“ mittels Patchfeld.
Tom Oberheim hatte bzgl. eines Alt/Neu-Vergleiches das neue SEM zu einem erfahrenen User mit mehreren alten SEMs gegeben und dieser bescheinigte ihm einen sehr originalen Klang, die Abweichungen seien nicht größer als sie zwischen zwei alten SEM auch vorhanden sind. So jedenfalls das mir bekannte Statement von dieser Seite dazu.
@der jim Hi jim, danke für die Ergänzung, die Option des „Replacements“ hatte ich völlig unterschlagen. Und wenn sich hier in Ostwestfalen keiner meldet, sollte man das Vergleichs-Statement des erfahrenen Anwenders als solches einfach hinnehmen. Ist ja auch eine klare Ansage.
Schneider’s Laden hat den Preis bereits auf 950,- erhöht :-(
War’s die hohe Nachfrage oder der Dollarkurs? Bin ehrlich gesagt not amused…
@c.hatvani Schuld ist der Dollarkurs…
Aber alle die vor der Preisanhebung auf der Warteliste standen, konnten Ihren SEM noch zum alten Kurs käuflich erwerben! So geht man mit Kunden um! Sehr gut!
Ich würde einfach warten, bis der Dollar wieder fällt. Ist ja auch eher die Schwäche des Euro, weil den Amis gehts ja auch nicht so wirklich gut… Wohl eher Angst vor EU-Staatspleiten bzw. Börsenzockerei, der übliche Wahnsinn halt…
Clown yourself!
Ein befreundeter Journalist von Sound + Recording hat das neue SEM-Teil hier vor ein paar Monaten angeschleppt. Wir haben geschraubt und mit meinem Original verglichen. Fazit: Das neue Teil klingt ganz anständig, aber….
…. da sowohl der Sägezahn , als auch die Pulswelle (aus welchen Gründen auch immer) wesentlich heller = obertonreicher sind, klingen die Lopass-Highpass-Sweeps total anders als beim Original-SEM. Das liegt in der Natur der Hochpass-Sache: Wo oben mehr war, ist auch nach HP-Durchgang noch mehr da!
Was den Rest angeht, klingt das Modul dann trotzdem in weiten Teilen so wie das Original, aber es ist leider so, dass viele der SEM-Sounds die einem lieb gewonnen sind, ja gerade diese SEM-typischen LP-HP-Kombinationen sind. Und just da gebe ich gerne noch etwas Resonanz, um durch die Betonung der Cutoff-Frequenz. erdige, pfundige Sounds zu bekommen, wie sie kein zweiter Synth macht. Und gerade diese Sounds sind beim Clone nun deutlich höhenlastiger, klingen als ganz anders.
Man kann also sagen: Gerade bei den SEM-typischen Sounds versagt der Clone!
Also mehr Clown als Clone J
Da war Bob dereinst schlauer als Tom heute. Der Moog-Voyager sollte zwar an die Kompaktsynthlegende erinnern (in Aufbau, Design und Preis gleichermaßen), aber sich selbst clonen wollte er nicht, der Sound des Minimoogs war nicht Bobs Ziel. Eine weise Entscheidung, wie man sieht! Allerdings hatte Bob nie seinen Nachnamen veräußert. Weswegen natürlich auf Toms weißem Kasten die größere Beweislast liegt, weil ja nicht Oberheim drauf stehen darf.
Wer einen SEM-ähnlichen Sound haben möchte, der sollte zum vollmodularen SEMTEX von anywhere-instruments greifen. Der SEMTEX kommt ziemlich nah an den Sound des Originals ran, bietet aber noch vieles mehr wie Subozillatoren, modularer Aufbau, Midi- und CV-Gate-Inputs…
So ihr lieben, ich hab das SEM seit 18 Stunden im Haus. Mir fehlen im Grunde die Worte.
Sagen wir mal so: In den letzten 30 Jahren hab ich nichts fetteres gehört. Das Filter ist spektakulär, dagegen ist die 24dB-Leiter von Moog (steht in 2 Versionen daneben) ganz kalter Kaffee. Hüllkurven gehen in Ordnung, die vom Mini sind im unteren Bereich besser gespreizt. Die VCOs sind mörderlaut, der externe Eingang dagegen eher lausig leise. Was für mich zählt, ist jedoch der Klang und die Haptik – das Ding ist jeden Pfennig wert. Vergleiche mit alten SEM halte ich für…..ach, ich weiß auch nicht…wechselt doch mal die Kondensatoren in den alten Dosen, vielleicht klingen sie dann wieder so, wie Tom sie damals ausgeliefert hat.
Ich bin ein fröhlicher Mensch. Danke, Herr Oberheim.
Ach: Und mit dem Doepfer hat das SEM überhaupt nichts gemein – den Dark Energy hab ich gekauft, eingeschaltet und wieder verkauft.
Hat ihn schon jemand mit dem Analogue Semblance verglichen?
die obertonreichen vcos könnte man doch mithilfe eines lp entschärfen?
Jetzt gibt es übrigens den SEM-Pro, der die MIDI Version mit Patchpanel kombiniert, wobei das Patchpanel leicht abgespeckt wurde.
naja, für mich zählt keineswegs die frage nach alt oder neu.
aber der neu sem klingt nur im unteren filterbereich ohne resonanz etwas warm und weich. weiter oben grauenhafte übersteigerte presence. da klingt meine vsti emulation weitaus besser. und das sage ich als analogfetischist.
p.s. je öfter ich mir die klangbeispiele anhöre , desto entäuschter bin ich. schnell die stoptaste gedrückt. meine ohren tun schon weh…….