Großes Update oder hübsche Aufbesserung?
Die frühe Ankündigung von Reason 12 kam für die eine oder den anderen doch etwas überraschend. Bereits im Mai stand fest, dass die zwölfte Version des „Rundumsorglos-Software-Studios“ im September zu haben sein wird. Angekündigt wurde ein neuer Sampler (Mimic Creative Sampler), ein grafisch hochauflösendes User-Interface und ein grundlegend überarbeiteter Combinator. Somit ist Reason 12 das erste Update seit Reason+, dem hauseigenen Abomodell. Das klingt vielversprechend.
Der erste Eindruck: Reason 12
Reason 12 gibt es in keiner boxed Version mehr, d. h. nur noch Downloads werden angeboten – klarer Trend der Zeit. Laut Hersteller soll Reason 12 mit dem neuen M1-Prozessoren von Apple zurechtkommen, allerdings wird in manchen Foren davon gesprochen, dass der M1-Support nicht nativ ist und die Performance nicht vergleichbar mit Reason auf einem Intel Mac, nicht gut. Reasonstudios selbst gab im Dezember 2020 generellen M1-Support via Rosetta 2 an – das ist nicht überraschend. Die Seite DoesItArm.com bescheinigt keinen nativen M1-Support. ReasonStudios selbst gibt jedoch M1-Support für Reason 12 an, allerdings nicht nativ. Hier soll sich – so die Reasonstudios auf Nachfrage – die Lage zeitnah ändern. Generell wird für Freunde des angebissenen Obstes OS X 10.11 oder höher und für Fensterfreunde Windows 10 oder höher als Systemanforderungen angegeben.
Beim ersten Start begrüßt die altvertraute Oberfläche, viel scheint sich nicht geändert zu haben. Manche Hersteller verändern in solchen Fällen mindestens das Design der Oberfläche leicht, um nicht das Gefühl des Stillstandes aufkommen zu lassen – fragwürdige Taktik.
In Reason 12 begrüßt einen sogleich ein Tutorial-Tab, das auf die neuen Abenteuer der Major-Updates hinweist. Hier sollten sich die (meisten) Marktbegleiter ein großes Stück abschneiden.
Der Neue in Reason 12: Der Mimic Creative Sampler
Neue Instrumente und Effekte sind stets die Fleischklöße in der Sequencer-Update-Suppe: Oft nicht zwingend notwendig, aber schmecken so gut. Ähnlich verhält es sich auch bei Reason 12. Man könnte dieses virtuelle Studio auch als Heimstatt der Sampler bezeichnen.
Knapp die Hälfte der mitgelieferten Instrumente sind Sampler: bisher 9 Stück (Grain Sample Manipulator, Rytmik Drum Machine, Klang Tuned Percussion, Kong Drum Designer, NN19 Sampler, NN-XT Advanced Sampler, Malström Graintable Synthesizer, Dr. Octo Rex Loop Player, Redrum Drum Computer). Der Mimic Creative Sampler ist somit der Zehnte in dieser Reihe.
Das macht erst mal einen seltsamen Eindruck. Ein genauerer Blick auf die Features macht klar, dass der Mimic Features anbietet, die (in der Form) die Kollegen im virtuellen Rack nicht vorweisen können (die vier Modi, das Slicing etc.). Da stellt sich allerdings die Frage, warum diese Features nicht in ein Update eines der anderen Sampler geflossen sind. Denn auch der Mimic hat nur zwei Envelopes und ist ansonsten nicht üppig ausgestattet: Kein Rex-File-Support weder Import noch Export. (Über den Browser in Reason 12 lassen sich einzelne Slices als eigene Samples importieren, aber das ist nicht Sinn und Zweck der REX-Files.) Mit ReCycle und Dr. Octo Rex Loop Player dürfte man beim Slicen deutlich besser fahren als mit dem Mimic – je nach Anwendungsfall natürlich. Das verwirrt durchaus.
Einst waren die Rex-Files DAS Format, wenn man Loops in Slices zwischen Software, Geräten oder Studios austauschen wollte (die Sage-Engine vom Stylus RMX ist nur sinnvoll mit REX-Files nutzbar). Seit vielen Jahren wird hier nichts mehr investiert und entwickelt. (Hand aufs Herz: Wie viele Monate war bei euch ReCycle nicht mehr in Betrieb? Bei mir war ReCycle 2020 und 2021 keine Minute geöffnet).
Der Mimic Creative Sampler bietet natürlich auch die Möglichkeit, nur die Tonhöhe eines Samples zu verändern, nicht die Länge (Time-Stretching ist ja nun auch keine Raketenwissenschaft mehr). Das ist kaum eine Meldung wert, während aber die (meisten) Mitbewerber die Samples ans (Host-)Songtempo anpassen können, glänzt der Minic Creative Sampler mit der Abwesenheit dieses Features. Das kann selbst der Sample Track in Cubase und der ist deutlich übersichtlicher gehalten als Mimic. Auch das Arbeiten mit Slices ist nicht so komfortabel wie bei den meisten der Mitbewerbern am Markt. Warum wurde hier nicht der Funktionsumfang von ReCycle mit eingebaut oder zumindest als kompatible Nutzungsoption vorgesehen?
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Klanglich ist dieser Sampler fraglos nicht zu beanstanden. Ein Hammer-Feature ist er – 2021 – freilich nicht (mehr).
Hier ein Klangbeispiel einer Drumloop, die mit dem Mimic Creative Sampler in Slices aufgeteilt und dann im Tempo angepasst wurde (100 bpm, 130 bpm, 160 bpm – Original: 120 bpm):
Alles eine Frage der Kombination – der Combinator in Reason 12
Der Combinator erlaubt es, in Reason ganze Setups zusammenzufassen. Diese Funktion ist entfernt vergleichbar mit einer Ordner-Spur aus einem Sequencer oder auch mit dem Grid wie es in Bitwig Studio zu finden ist.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Es lässt sich Übersicht im virtuellen Rack schaffen, es können komplexe Setups einfach dargestellt werden (und mit gemeinsamen Parametern ausgestattet werden), es können komplexe Sound- und Effekt-Setups bequem gespeichert und ausgetauscht werden. Alle Reason Devotees werden sich jetzt die Augen reiben und werden rufen „Déjà-vu“. Kein Wunder, denn diese Funktion ist nicht neu. Allerdings wurde der Combinator stark überarbeitet und erweitert:
Bisher sah jedes Combinator-Patch gleich aus: silberne „Kiste“ und vier Knöpfe und Drehregler. Nun kann jedem Combinator-Patch eine eigene Oberfläche spendiert werden: Bis zu 32 Regler sind möglich und auch das Gestalten einer eigenen Oberfläche (optisch wie technisch).
Um es kurz zu machen: Mit Combinator 2.0 werden in Reason 12 nicht nur Effekte und Instrumente miteinander verkettet, sondern es lassen sich auf Basis eben dieser Effekte und Instrumente neue Multi-Effekte und ebensolche Instrumente kreieren. Somit wird das leicht angestaubte Feature Combinator zukunftsfähig gemacht und in die Gegenwart katapultiert. Laut Angaben von Reason Studios wurden ca. 1.000 „alte“ Combinator-Patches auf die neue Version angepasst, gute Idee. Der neue Combinator ist schon ein eigener Upgrade-Grund.
Reason 12 als Plug-in in der DAW
Mit der Funktion Reason 12 als Plug-in in einer Konkurrenz-DAW – pardon – in einen Sequencer eines Marktbegleiter zu laden, haben Reason Studios bereits in Version 11 der Rewire geplagten Anwenderschaft einen Herzenswunsch erfüllt.
Leider lief dies bei manchen Installationen nicht ganz reibungslos: Bei jedem Reason-Start ist (auch als Plug-in) ist ein Login notwendig. Glücklicherweise kann man die Login-Daten speichern und dieser Vorgang wird stark vereinfacht. Bei einigen Reason 11 Installationen gab es allerdings genau damit bei der Nutzung als Plug-in Probleme. Hier auf dem Testrechner wollte der Host-Sequencer oft nicht starten (bzw. das Projekt laden), wenn die Login-Daten von Reason 11 gespeichert waren, so dass dies kurzerhand auf den händischen Betrieb umgestellt werden musste. Ein Workaround der – glaubt man den einschlägigen Foren – vielerorts praktiziert werden musste (wenn auch nicht überall).
Mit Reason 12 scheinen diese Probleme der Vergangenheit anzugehören: Im Test tauchte dieses Problem gar nicht mehr auf. Auch Sessions in Pro Tools, Cubase und Kollegen, die mit Reason 11 als Plug-in angelegt wurden, laufen problemlos mit Reason 12 als Plug-in. So sollte das sein, ist es aber nicht immer. Beispielsweise wurde (zu VST2-Zeiten) mit Kontakt bei jedem Update ein „neues“ Plug-in installiert, was die Migration von Projekten durchaus nicht vereinfacht hat.
Ansonsten wurde beim Update auf Reason 12 die Plug-in-Version nicht verschlimmbessert und verrichtet sehr zuverlässig ihren Dienst. Zur Erinnerung: Reason lässt sich als AU, VST3 und AAX Plug-in in andere Sequencer laden. Umso seltsamer (und antiquierter) mutet es an, dass selbst nur VST 2.4 Plug-ins geladen werden können – schade. Verlieren die Reason Studios auch hier langsam den Anschluss? Denn: Geplant ist – so Reasonstudios – der Support von VST3-Plugins derzeit nicht. Zukunftsweisend ist anders. Auch andere Pluginschnittstellen innerhalb von Reason wird es erstmal nicht geben.
Obschon Reaper und Bitwig Studio erfolgreich auf Linux unterwegs sind, wollen die Reasionstudios sich vom Pinguin ersteinmal fernhalten. Keine große Überraschung und auch kein Beinbruch.
Reason+ – jetzt als Abo
Bereits im Januar 2021 kündigten die Reason Studios das neue Abo-Programm Reason+ an. Da unter den Musikbegeisterten die Software-Abo-Modelle nicht so überragend ankommen (man denke an die entsprechenden Einlassungen zu Avids Entscheidungen bezüglich der Update-Politik), versuchen Reason Studios das Abo interessant zu machen: Der Funktionsumfang von Reason+ entspricht dem der Reason Suite, außerdem wird jede Woche ein Bonus-Soundpack ausgerollt. Das haben Marktbegleiter schon deutlich schlechter gelöst.
Wer Reason+ bucht, kann monatlich kündigen (monatliche Zahlungsweise) oder das Abo jährlich zahlen (und nur jährlich kündigen), was in einem geringen Abopreis mündet, der zu entrichten ist.
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Auch mit dem Update auf Reason 12 bleibt die Kaufoption bestehen. Allerdings scheint die Reason Suite in dieser Form durch Reason+ ersetzt worden zu sein. Intro und Lite wird es gar nicht mehr geben – laut Reasonstudios. Klar ist jedoch auch, dass die meisten Anbieter Abo-Modelle (in irgendeiner Form) haben oder in naher Zukunft diese einrichten werden. Ob die Kaufoptionen im Sequencer-Markt abgeschafft wird (wie bei Adobe) oder Abos drastisch benachteiligt werden (wie bei Avid, dank der fehlenden Update-Option), bleibt abzuwarten.
Reason 12 in der Tonstudio-Praxis
Das Update der Oberfläche nebst Grafik-Engine von Reason 12 ist – für Studios mit Monitorauflösungen jenseits der HD-Grenze – ein Segen: Endlich sehen die Oberflächen von Reason 12 und den RackExtensions auch auf dem Retina-Display und 4k-Bildschirmen gut und gestochen scharf aus. Auch der Zoom, der somit gestochen scharf möglich ist, ist mehr als ein nettes Feature. Wer sagt, dass Ergonomie beim Arbeiten nicht wesentlich ist? Eben!
Trotz des neuen Samplers, des drastisch erweiterten Combinator und der besseren Grafik erscheint ein ganzer Versionssprung ein wenig hochgegriffen. Der eine oder die andere würde hier lieber von Reason 11.5 sprechen. Gerade wenn man die letzten Updates von Cubase (besonders hier die großen Schritte bei den „halben“ Versions-Sprüngen), Ableton, Logic etc. dagegenhält, verschenkt Reason Studios Potenzial. Man bedenke: Wer Reason 10 nutzt zahlt den gleichen Update-Preis wie Reason 11 Nutzer, bekommt aber mehr als das Doppelte an Neuerungen (etc.) geboten. Das könnte so manche Producerin (oder manchen Producer) frustrieren.
Die Frage mag auf der Zunge liegen, ob Reason 12 noch zeitgemäß ist, da viele Mitbewerber ähnliche Features und oft noch mehr anbieten. Der Vorwurf, dass Reason 12 den Anschluss verloren hätte oder dabei ist diesen zu verlieren, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. (der zehnte Sampler Mimic ist da ein gutes Beispiel ebenso der fehlende VST3-Support, auch das Fehlen von Support für MPE-Keyboards deutet das an …).
Zu erwähnen ist noch, dass die Preise der Kaufoptionen per 1. Oktober erhöht wurden:
– 499€ Vollversion
– 199€ Update
Der zugehörige Blogeintrag: https://www.reasonstudios.com/blog/reason-new-pricing
@Dhooomas Stimmt! Danke, das hatte ich nicht extra erwähnt…
@Dhooomas Hhmmm, 199 Euro für einen überarbeiteten Combinator, die überfällige Unterstützung hoher Bildschirmauflösungen (von einigen Herstellern übrigens in kostenlosen Updates bereitgestellt) und einen weitgehend überflüssigen 10ten Sampler. Dieser Versuchung kann man vermutlich ohne größere Schwierigkeiten widerstehen…
Ich frage mich schon lange, was das für Leute sind, die mir Reason produzieren. Und vor allem warum? Ich finde Propellerheads sollte einfach den Combinator als einfach einsetzbares Plugin rausbringen.
Hätte mir auch mehr was innovativeres als einen neuen Sampler gewünscht aber
der neue Combinator gefällt mir sehr gut.
Finde die MIDI Unterstützung nach wie vor etwas mager bei Reason.
Da hätte man nachbessern sollen oder sogar müssen.
Ich bleib vorerst bei 10
Also laut Roadmap auf der Reason Studios Homepage kommt Native M1 Support im Dezember und VST3 im Januar.
@TMOFD2009 Tja… da weiß dann keiner, was der andere tut/sagt!
Danke!
Ich bin seit Reason 5 zu einem undenkbar schlechten Zeitpunkt wieder eingestiegen. Zu Reason 10.
Dann Update 11 wegen RackPlug. Das passte ganz gut für den Gebrauch mit Ableton.
Dann natürlich Update auf Reason 12 wegen der Auflösung bzw. Zoom. War mir echt zu anstrengend diese kleinen Geräte.
Das war es jetzt aber auch für Jahre. Echt ne Frechheit das Update – aber es musste sein, da ich es sonst nicht voller Wonne genutzt hätte mit einer Bildschirmlupe.
Als Reason Nutzer der ersten Stunde (der nach Version 5 glaube ich erst wieder bei Version 9 eingestiegen war) das aktuelle Update mitgemacht hat, bin ich vor allem überrascht wie lieblos und schlampig es umgesetzt wurde.
– Zoom nur global in festen Schritten, dadurch Vergösserung auch Allen Bedienelemente die nicht neu erstellt wurden und dadurch pixeilig werden
– So gut wie alle alten Instrumente und Effekte, vor allem der beinhaltet Mixer wurden nicht angefasst
– Der Sequencer bekam überhaupt keine Zuwendung
Für mich das letzte Update was ich den Reason Leuten finanziert habe!
Still no VST3 Support