Recording, Studio - was gibt's neues?
In Halle 8.0 drehte sich alles um Studio und Live. Aber ist das noch die Musikmesse gewesen? Eigentlich nicht, denn viele der Aussteller fanden sich offiziell im Bereich Prolight + Sound und somit auch in der entsprechenden App, das muss man erst mal wissen. Schaut man sich die Messe und vor allem auch die bescheidene Auslastung der Hallen an, sind zwei Messen auf engem Raum fast schon etwas dekadent.
Immerhin war die Halle 8 am Mittwoch recht gut gefüllt, das Bild wurde um die Mittagszeit am Dienstag aufgenommen, die Resonanz der Hersteller ist entsprechend. Immerhin konkurriert die Musikmesse bei Studiotechnik zumindest derzeit nicht mit anderen Veranstaltungen, wohl der Grund für so manche Neuheit. Auf mich wirkt das Ganze dennoch etwas irritierend, weil ich die Prolight + Sound eher mit Veranstaltungs-, aber nicht mit Studiotechnik in Verbindung gebracht hätte. Früher war das auch besser getrennt, aber sei es drum, befassen wir uns lieber mit den gezeigten Produkten für den Bereich Studio.
Am Stand von S.E.A. wurde unter anderem das Chandler Limited TG Microphone aus der EMI Abbey Road Serie vorgestellt, hier unsere News dazu. Dies kommt ohne Phantomspeisung aus und benötigt ein externes Netzteil, weil es die Großmembran-Kondensatorkapsel mit einer höheren Spannung von um 50 Volt versorgt.
Es bietet drei grundlegend verschiedene Transistoreinstellungen, Padschalter, Hochpassfilter und Equalizer-Sektion, so dass man im Ergebnis auf insgesamt 30 verschiedene Mikrofoneinstellungen kommt. Dadurch hat man ein extrem flexibles Mikrofon, das für sämtliche Anwendungen eingesetzt werden kann.
Am Stand der RCF Group konnten die Headset-Mikrofone von DPA bewundert werden, die wir bereits hier getestet haben. Das d:fine 6066 mit Kopfbügel hat den Red Dot Design Award gewonnen und ist laut Aussage des Herstellers in Teilen beliebter als typische Lavaliermikrofone. Dadurch erhält man einen günstigeren Sprechabstand und muss das Kabel nicht umständlich an der Kleidung entlang führen. Es ist auch als d:core 6060 und 6061 in verschiedenen Empfindlichkeitsstufen und Varianten verfügbar, das d:fine 6066 verträgt einen maximalen Schalldruck von 144 dB. Bei DPA hervorzuheben sind die winzig kleinen Kapseln, die mit Stecknadelkopfgröße absolut unauffällig sind.
Austrian Audio ist ein junger Hersteller, der die ersten zwei Mikrofone und im Herbst auch den ersten Kopfhörer veröffentlich wird. Denkt man an die Fertigungsstätte Wien, wird man unweigerlich an AKG erinnert und so ist es auch. Denn das junge Team besteht größtenteils aus ehemaligen Entwicklern, die für bekannte Produkte verantwortlich zeichnen. Man will aber nicht nachbauen, wohl aber in Neuentwicklungen vergangene Erfahrungen mit einbeziehen. Das klingt vernünftig und man darf zurecht gespannt sein, was da noch kommt.
Die ersten beiden Mikrofonmodelle, die sich in den Richtcharakteristiken unterscheiden, sind in Kürze erhältlich und machen haptisch jedenfalls einen sehr soliden und vor allem schlanken Eindruck. Das OCR818 ist das größere Mikrofon und lässt sich mit dem OCR8 Bluetooth-Dongle sogar per iOS-App fernsteuern. Das hat man sich gut überlegt, erspart es einem doch bei ungünstiger Platzierung das Hantieren am Mikrofonstativ.
Im Herbst sollen zwei Kopfhörermodelle erscheinen, die sich preislich um 250,- Euro orientieren. Zwar ein hart umkämpfter Markt, jedoch ist man davon überzeugt, eine gewisse Eigenständigkeit in Qualität und Robustheit anbieten zu können. Der auf dem Foto gezeigte Kopfhörer ist ein Vorserienmodell.
MakeProAudio haben wir bereits in dieser News erwähnt. Während damals die Pakete noch nicht verfügbar waren, ist inzwischen Dino Park ohne Gehäuse für rund 200,- Euro erhältlich. Das ist zwar ein Synthesizer, jedoch ist das Konzept so modular, dass man sich fast alles daraus bauen kann.
Als Basis dient ein Raspberry Pi und die Steuersoftware, die Geräte werden in einer Art IoT-Verbund (Internet der Dinge), wahlweise auch über ein Netzwerk kaskadiert. Die unterschiedlichen Module, wie Motorfader in Viererblöcken, LCD-Anzeige mit zwei drückbaren Drehreglern, Module für Ein- und Ausgänge und Verstärker, Wandler und was man alles braucht, lassen sich ganz einfach miteinander verknüpfen.
Am Besten beschreiben lässt sich das mit einem Mixer, den man kauft und mit dessen Einschränkungen man leben muss. Erreicht man gewisse Grenzen, verkauft man ihn und kauft neu. Baut man sich jedoch einen Mixer oder Audiointerface auf Basis von MakeProAudio zusammen, erweitert man das Ganze einfach um mehr Ein- und Ausgänge, die Anzahl ist schier unbegrenzt. Programmieren muss man nicht können, auch soll eine Community unterstützen. Braucht man ein Gerät nicht mehr, baut man sich daraus einfach ein anderes und könnte die übrigen Teile verkaufen oder neu kaufen. Der Lego-Synthesizer macht das Prinzip eindrucksvoll deutlich.
Wie bei Lego gibt es ein Bussystem, das zu allen Elementen passt. Wahlweise mit oder ohne Gehäuse ließen sich die Komponenten auch einfach in einer Tischplatte einfassen. Nachhaltigkeit und Fertigung in Deutschland werden dabei groß geschrieben. Im Laufe der Zeit sollen weitere Module folgen und das Sortiment ergänzen. Ein iPad dient als Steuerung, Gehäuse sind auf Wunsch erhältlich oder können ebenfalls selbst konstruiert werden.
Konzepte abseits der Musikelektronik sind ebenfalls denkbar, MP3-Player, DJ-Controller oder ein hochwertiger D/A-Wandler mit Vorstufe ist konstruierbar.
Zoom hatte natürlich den Q2n-4K mit im Gepäck, hier unsere Ankündigung, den ich schon selbst erfolgreich im Einsatz habe. Q4n und Q8 sind weiterhin aktuell, so dass der Q2n-4K das einzige Modell mit hoher Auflösung und HDR ist. Ein Zubehör-Kit gibt es nicht, die Tasche des Q2n passt aufgrund des längeren Objektivs nicht beim Q2n-4K. Neu ist ein Batteriekasten, der weitere vier Batterien oder Akkus aufnehmen kann und per USB an den Q2n oder Q2n-4K angedockt wird und sich an dessen Gehäuseformen anlehnt. Damit ist eine dramatische Verlängerung der Akkulaufzeit möglich.
Später wurden wir abseits vom Messegelände bei PSI Audio in einer schicken Suite im angrenzenden Maritim-Hotel empfangen. Den Hörraum außerhalb anzubieten ist angesichts des Lärmpegels eine weise Entscheidung. Aus Erfahrung höre ich mir in den Messehallen schon gar keine Lautsprecher selbst in schallschluckenden Räumen mehr an, weil eine Entkopplung vom überlauten Messetrubel kaum möglich ist und mich der diffuse Lärm stets irritiert.
PSI Audio setzt auf vollständig analog aufgebaute Komponenten, die alle von Hand in der Schweiz zu einem Lautsprecher verarbeitet werden. Das verwunderte zunächst, zumal ich angenommen hätte, dass die Digitaltechnik inzwischen komplikationsfreier sein müsste. Aber weit gefehlt, denn in der parallelen Entwicklung von digitalen und analogen Systemen habe man festgestellt, dass Impulstreue und Rauschverhalten eines Digitalsystems nach wie vor einer analogen Schaltung unterlegen ist, in der Latenz sowieso. Natürlich nur dann, wenn man die Schaltung diskret und wertig aufbaut, entsprechend steigt dann auch der finanzielle Anschaffungswiderstand der wahlweise schwarzen oder roten Lautsprecher.
Der neue A23-M ist ein Drei-Wege-System, das über einen neu entwickelten Hochtöner verfügt und die Spitze der Produktlinie markiert. Mittel- und Hochtöner sind in einer drehbaren Platte verbaut, so dass man keinen spezifisch rechten oder linken Lautsprecher kaufen muss und je nach Aufstellung die Treiber anders ausrichten kann. Da wundert man sich über die gerade Front, zumal andere Hersteller mit verschiedenen Formen und Materialien arbeiten, um das Abstrahlverhalten zu optimieren. Das System wurde durch den Subwoofer A125-M ergänzt, der den Frequenzgang nach Unten hin sanft abrundet. Das Ergebnis klingt phänomenal und im nicht akustisch optimierten Hotelzimmer hatte man auch eine sehr gute Möglichkeit, die Wirkung des bereits im letzten Jahr vorgestellten AVAA-Systems zu demonstrieren.
Die aktive Bassfalle AVAA C20 gibt es wahlweise in Schwarz oder Weiß. Das System wirkt Raummoden zwischen 15 und 150 Hz entgegen und absorbiert die Reflexionen, so dass ich im ersten Moment auf eine Art Phasenkorrektur getippt hätte. Das ist es aber nicht, vereinfacht verwandelt der AVAA C20 die Wand in ein Loch und so lässt er sich frei positionieren. Er wird auch nicht in den Signalweg eingeschleift, sondern arbeitet absolut eigenständig, so dass man ihn auch mit anderen Lautsprechersystemen einsetzen kann. Die Idee dahinter ist, dass man die ohnehin schwer zu kontrollierenden, tiefen Frequenzen mühelos optimieren kann, übliche akustische Raumanpassungen ersetzt das AVAA-System allerdings nicht. Hier gibt es weitere Informationen.
Insgesamt ist es für mich als hochgradig sehbehinderter Messebesucher schwierig, alle Neuheiten auch zu finden. Wer etwas vermisst, möge dies in der Kommentarfunktion erwähnen. Danken möchte ich meinen fleißigen Gehilfinnen Laura und Hannah, die auch für die Fotos verantwortlich sind. Mein Eindruck von der Musikmesse ist, trotz der paar Neuigkeiten, dass ich mir die Zeit eigentlich sparen könnte. So spektakulär und beeindruckend wie vor einigen Jahren, ist die Musikmesse nicht mehr, zumal viele Produkte von den Herstellern auch anderweitig angekündigt werden. Man wird künftig sehen, was sich die Messeleitung für neue Ideen einfallen lässt. Was mit der CeBIT passiert ist, sollte hinlänglich bekannt sein, der für Konsumenten vorgesehene Samstag mit Direktverkauf und medialen Acts erinnert mich doch sehr an die letzte CeBIT.